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»Du hast mich gerufen, unwürdiger Lich, und ich bin gekommen«, sagte der Dämon.

Seine Stimme klang wohltönend und erschütterte Arthas bis ins Mark. »Du bist Kel’Thuzad, nicht wahr?«

Kel’Thuzad verneigte sein gehörntes Haupt. Er kroch vor Archimonde, wie Arthas bemerkte. »Ja, großes Wesen. Ich habe dich gerufen. Ich bitte dich, sag mir, wie kann ich deine Reise in diese Welt beschleunigen? Ich existiere nur, um dir zu dienen.«

»Es gibt ein besonderes Buch, das du finden musst«, donnerte der Dämonenlord. Sein Blick fiel auf Arthas. Er überprüfte ihn einen Moment lang, dann wandte er sich von ihm ab. Arthas stellte fest, dass der Angerufene allmählich ärgerlich wurde. »Das einzige noch vorhandene Zauberbuch von Medivh, dem letzten Wächter. Nur seine verlorenen Beschwörungen sind mächtig genug, um mich in diese Welt zu bringen. Geh nach Dalaran in die Stadt der Sterblichen. Dort wird das Buch aufbewahrt. In der Abenddämmerung in drei Tagen wirst du mit der Beschwörung beginnen.«

Das Bild schwand. Arthas blickte auf die Stelle, wo der Dämon noch vor einem Augenblick gewesen war.

Dalaran. Der Ort der größten Konzentration von Magie auf Azeroth neben Quel’Thalas.

Dalaran. Wo Jaina Prachtmeer studiert hatte. Wo sich Jaina vielleicht immer noch aufhielt. Einen Augenblick lang blitzte der Schmerz erneut in ihm auf.

»Dalaran wird von den mächtigsten Magiern von ganz Azeroth verteidigt«, sagte er langsam zu Kel’Thuzad. »Es gibt keine Möglichkeit, um unser Kommen zu verbergen. Sie werden auf uns vorbereitet sein.«

»So wie Quel’Thalas es war?«, lachte Kel’Thuzad. Es war ein hohler Klang. »Denkt daran, wie leicht unsere Armee die Elfen vernichtet hat. So etwas kann sie auch wieder tun. Und vergesst nicht, dass ich selbst einst ein Mitglied der Kirin Tor war und Erzmagier Antonidas nahegestanden habe. Dalaran war meine Heimat, als ich noch nicht mehr als sterbliches Fleisch war. Ich kenne seine Geheimnisse, seine schützenden Zauber. Ich weiß von Schleichwegen, die niemals richtig bewacht wurden. Es ist so süß, Furcht über all diejenigen zu bringen, die dabei waren, als ich meinen Weg und meine Bestimmung verließ. Fürchtet Euch nicht, Todesritter. Wir können nicht versagen. Nichts und niemand kann die Geißel aufhalten.«

Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Arthas eine Bewegung. Er wandte sich um und sah den schwebenden Geist, der einst Sylvanas Windläufer gewesen war. Sie war offensichtlich dem gesamten Gespräch gefolgt und hatte seine Reaktion auf die neuen Befehle mitbekommen.

»Dieses Gerede von Dalaran bewegt Euch«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln.

»Seid still, Geist«, murmelte er, obwohl er sich gut daran erinnerte, wie er das erste Mal durch die Tore Dalarans gezogen war, als er Jaina begleitet hatte. Die Unschuld dieser Zeit machte es ihm fast unmöglich, sie noch richtig zu erfassen.

»Denkt Ihr vielleicht an jemanden, der Euch etwas bedeutet? Sind es angenehme Erinnerungen?«

Diese verdammte Banshee würde nicht aufhören. Er gab sich seiner Wut hin, hob eine Hand und sie wand sich vor Schmerzen, bis er die Folter beendete.

»Ihr werdet nicht mehr darüber reden«, warnte er sie. »Konzentrieren wir uns auf unsere Aufgabe.«

Sylvanas war still. Doch auf ihrem bleichen, geisterhaften Gesicht lag die reine Freude.

»Ich kann Euch helfen.« Jainas Stimme war ruhig, ruhiger, als sie selbst erwartet hätte. Sie stand mit ihrem Meister Antonidas in dem vertrauten, geliebten, wundervoll unorganisierten Studierzimmer und blickte ihn durchdringend an. »Ich habe so viel gelernt.«

Der Erzmagier blickte aus dem Fenster, seine Hände waren locker hinter dem Rücken verschränkt, als würde er nichts Wichtigeres tun, als seinen Schülern bei deren Übungen zusehen.

»Nein«, sagte er leise. »Du hast andere Aufgaben.« Er wandte sich um, blickte sie an und ihr Herz sank beim Anblick seines Gesichtsausdruckes. »Aufgaben, die ich… und Terenas… das Licht schütze seine Seele… beide versäumt haben. Weil er sich geweigert hat, dem Propheten zuzuhören. Weil er von seinem Sohn getötet wurde und sein Königreich nun in Schutt und Asche liegt und nur noch von Toten bevölkert wird.«

Selbst jetzt noch erschauderte Jaina bei der Feststellung.

Arthas…

Sie konnte es immer noch nicht glauben. Sie hatte ihn so sehr geliebt… liebte ihn immer noch. Ihre letzte Hoffnung, die sie in ihrem Herzen bewahrte, war, dass er unter irgendeinem fremden Einfluss stand, dem er sich nicht widersetzen konnte. Denn sollte er das alles aus freiem Willen getan haben, dann…

»Auch zu mir ist er gekommen und auch ich war so arrogant anzunehmen, dass ich es besser wüsste. Und so, meine Liebe, sind wir hier. Wir alle müssen mit unseren Entscheidungen leben – oder sterben.« Antonidas lächelte traurig.

Ihre Augen waren voller Tränen, die sie zu unterdrücken versuchte. »Lasst mich bleiben. Ich kann…«

»Kümmere dich um die Sicherheit deiner Untertanen, wie du es gelobt hast, Jaina Prachtmeer«, sagte Antonidas mit Ernst in Stimme und Miene. »Einer mehr oder weniger hier… macht keinen Unterschied aus. Andere brauchen dich jetzt.«

»Antonidas…« Ihre Stimme brach bei dem Wort. Sie lief auf ihn zu und legte die Arme um ihn. Sie hatte es nie zuvor gewagt, ihn zu umarmen. Er hatte sie immer viel zu sehr eingeschüchtert. Doch nun wirkte er so… alt. Alt und gebrechlich. Und, was am schlimmsten war, resigniert.

»Kind«, sagte er liebevoll, klopfte ihr auf den Rücken und lachte. »Nein, du bist nicht länger ein Kind. Du bist eine Frau und eine Anführerin. Dennoch… gehst du am besten.«

Von draußen erklang eine Stimme, stark, klar und vertraut. Jaina fühlte sich, als hätte man sie geschlagen. Sie keuchte unter der Erkenntnis und löste sich aus der Umarmung ihres Mentors.

»Zauberer der Kirin Tor! Ich bin Arthas, der oberste Todesritter des Lichkönigs! Ich verlange, dass Ihr Eure Tore öffnet und Euch der Macht der Geißel ergebt!«

Todesritter? Jaina wandte ihren schockierten Blick Antonidas zu, der sie anlächelte. »Ich hätte dir dieses Wissen gern erspart… zumindest jetzt.«

Sie taumelte. Arthas… hier…

Der Erzmagier ging zum Balkon. Eine leichte Bewegung der altersknorrigen Hände reichte und seine eigene Stimme wurde so verstärkt wie die von Arthas.

»Seid gegrüßt, Prinz Arthas«, rief Antonidas hinab. »Wie geht es Eurem edlen Vater?«

»Lord Antonidas«, antwortete Arthas.

Wo war er nur? Auch hier draußen? Würde sie ihn sehen, wenn sie neben Antonidas auf den Balkon trat?

»Es gibt keinen Grund zum Spott.«

Jaina wandte ihren Kopf ab und wischte sich die Tränen fort. Sie rang nach Worten, doch sie schienen in ihrer Kehle stecken zu bleiben.

»Wir haben uns auf Euer Kommen vorbereitet, Arthas«, fuhr Antonidas ruhig fort. »Meine Brüder und ich haben Auren erschaffen, die jeden Untoten vernichten, der sie durchqueren will.«

»Eure kleinen Magier werden mich nicht aufhalten, Antonidas. Vielleicht habt Ihr gehört, was in Quel’Thalas geschehen ist. Auch dort glaubten einige Magier, sie wären unverwundbar.«

Quel’Thalas.

Jaina spürte, wie ihr übel wurde. Sie war hier in Dalaran gewesen, als die Nachricht eingetroffen war, überbracht von einer Handvoll Überlebender, denen die Flucht gelungen war. Und so hatte es auch der Prinz der Quel’dorei erfahren. Sie hatte Kael’thas niemals derart… wütend, erschüttert und barsch erlebt. Sie war zu ihm gegangen, hatte ihm ihr Mitgefühl ausgesprochen und wollte ihm Trost spenden. Doch er hatte sie mit solcher Wut angeblickt, dass sie instinktiv zurückgewichen war.