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»Mein Dank ist Euch gewiss, Miladies. Ich bin froh, dass Ihr und Eure Herrin meine Verbündeten seid.«

Sie schwebten vor ihm, ihre Stimmen waren sanft und eindringlich. »In der Tat, großer König. Sie hat uns geschickt, um Euch zu helfen. Wir werden Euch über den Fluss geleiten. Danach werden wir in der Wildnis Zuflucht suchen.«

Die Wildnis – derselbe Begriff, den Kel’Thuzad benutzt hatte. Arthas entspannte sich noch mehr. Seine beiden Helfer waren offensichtlich einer Meinung. Er hob die Hand und konzentrierte sich. »Invincible, zu mir!«, rief er. Einen Augenblick später erschien ein kleiner, wirbelnder Nebelfleck, der schließlich die Gestalt des Skelettpferdes annahm. Einen Herzschlag später war Invincible tatsächlich da.

Arthas stellte zufrieden fest, dass der Zauber ihn nur wenig Anstrengung gekostet hatte. Invincible liebte ihn. Das war die eine Sache gewesen, die er im Leben völlig richtig gemacht hatte. Das einzige tote Wesen, das sich niemals gegen ihn stellen würde. Vorsichtig stieg er auf und tat sein Bestes, um seine Schwäche vor den Banshees und den anderen Untoten zu verbergen.

»Führt mich zu Eurer Herrin und Kel’Thuzad und ich werde Euch folgen«, sagte er.

Sie geleiteten ihn vom Palast tief in das Herz von Tirisfal hinein. Arthas bemerkte mit einer plötzlichen Beklemmung, dass der Pfad, den sie nahmen, unangenehm nah an Balnirs Hof vorbeiführen würde. Glücklicherweise drehten die Banshees rechtzeitig in einen hügeligeren Bereich ab und führten ihn dann durch ein weites, offenes Feld.

»Hier ist der Ort, Schwestern. Wir werden hier rasten, großer König.«

Von Sylvanas oder Kel’Thuzad war nichts zu sehen. Arthas zügelte Invincible und blickte sich um. Plötzlich ergriff ihn Besorgnis. »Warum hier?«, wollte er wissen. »Wo ist Eure Herrin?«

Der Schmerz kehrte plötzlich wieder. Er schrie und fasste sich an die Brust. Invincible tänzelte verängstigt und Arthas kämpfte um sein kostbares Leben. Die graugrüne Lichtung wurde vom blauweißen Licht des vereisten Thrones durchdrungen. Die Stimme des Lichkönigs erreichte sein Herz und Arthas unterdrückte ein Wimmern.

»Du wurdest betrogen! Komm sofort an meine Seite! Gehorche!«

»Was… geht hier vor?«, zischte Arthas durch zusammengebissene Zähne. Er blinzelte, zwang sich zu einem klaren Blick, hob die Hand und keuchte vor Anstrengung.

Sie trat hinter den Bäumen hervor und trug einen Bogen. Eine Sekunde lang glaubte Arthas, dass er zurück in Quel’Thalas sei und den lebenden Elfen gegenüberstand. Doch ihr Haar war nicht mehr golden, sondern schwarz wie die Nacht, von weißen Strähnen durchzogen. Ihre Haut war bleich, mit einem bläulichen Ton, und ihre Augen leuchteten silbern. Es war Sylvanas und doch war sie es nicht. Weil diese Sylvanas nicht lebendig, aber auch nicht feinstofflich war. Irgendwie hatte sie ihren Körper zurückerhalten. Dabei hatte er ihn doch sicher verschlossen in einem eisernen Sarg aufbewahrt, um ihn als zusätzliches Folterinstrument gegen sie zu verwenden.

Doch sie hatte den Spieß umgedreht.

Während er noch um Verständnis rang, hob Sylvanas ihren biegsamen schwarzen Bogen und zielte. Sie lächelte.

»Ihr seid mir genau in die Falle getappt, Arthas.«

Sie schickte den Pfeil los.

Er drang in seine linke Schulter ein, durchschlug die Rüstung einfach, als wäre sie dünn wie Papier, und fügte ihm so neue Schmerzen zu. Er war für einen Augenblick verwirrt – Sylvanas war eine meisterhafte Bogenschützin. Sie konnte ihn unmöglich auf diese Entfernung verfehlt haben. Warum also nur der Schuss in die Schulter? Arthas hob die rechte Hand, doch er stellte fest, dass er den Schaft nicht mit den Fingern umfassen konnte. Sie waren taub – genauso wie seine Beine, seine Füße…

Er schwang sich auf Invincibles Rücken und bemühte sich, auf dem Pferd sitzen zu bleiben, obwohl seine Gliedmaßen schnell nutzlos wurden. Er konnte kaum den Kopf drehen, um Sylvanas anzublicken und die Worte herauspressen: »Verräterin! Was habt Ihr mir angetan?«

Sie lächelte. Sie war glücklich. Langsam, beinahe schon träge, kam sie auf ihn zu. Sie trug dieselbe Kleidung wie an dem Tag, als er sie getötet hatte, und die viel von ihrer bleichen, blauweißen Haut enthüllte. Merkwürdigerweise waren keine Narben von den unzähligen Wunden zu sehen, die sie an jenem Tag erhalten hatte.

»Es ist ein speziell vergifteter Pfeil, den ich nur für Euch angefertigt habe«, sagte sie. Sie schob den Bogen auf den Rücken und zog einen Dolch. »Die Lähmung, die Ihr gerade spürt, ist nur ein Bruchteil der Qualen, die Ihr mir bereitet habt.«

Arthas schluckte. Sein Mund war staubtrocken. »Dann erledigt mich.«

Sie warf den Kopf zurück und lachte, hohl und gespenstisch. »Ein schneller Tod… so wie der, den Ihr mir zugestanden habt?« Ihre Fröhlichkeit verschwand so schnell, wie sie gekommen war, und ihre Augen funkelten rot. Sie kam immer näher, bis sie nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war. Invincible tänzelte unsicher in ihrer Nähe und Arthas schlug das Herz bis zum Hals, als das Pferd beinahe ausrutschte.

»Oh nein. Ihr wart mir ein guter Lehrmeister, Arthas Menethil. Ihr habt mir beigebracht, wie närrisch es ist, seinen Feinden Gnade zu erweisen, und welche Freude es sein kann, sie zu foltern. Und so, mein Lehrer, werde ich Euch zeigen, dass ich diese Lektionen verstanden habe. Ihr werdet so sehr leiden, wie ich es getan habe. Und dank meines Pfeils könnt Ihr nicht einmal davonlaufen.«

Arthas’ Augen schienen das Einzige zu sein, was er bewegen konnte, und er musste hilflos mitansehen, wie sie den Dolch hob. »Grüßt mir die Hölle, Ihr Hurensohn.«

Nein. Nein, nicht so – nicht paralysiert und hilflos… Jaina…

Sylvanas taumelte plötzlich zurück. Die bleiche Hand, die den Dolch hielt, drehte und öffnete sich. Der Blick auf ihrem Gesicht zeigte äußerstes Erstaunen. Einen Herzschlag später materialisierte ein kleiner Schatten neben ihr, der bereits zuvor zu Arthas’ Rettung gekommen war, und lächelte bei dem Gedanken, dass sie bei der Rettung ihres Königs geholfen hatte. Sie war froh, dienen zu dürfen.

»Zurück, ihr hirnlosen Kreaturen! Ihr sollt heute nicht sterben, mein König!«

Kel’Thuzad. Er war wie versprochen gekommen und hatte Arthas gefunden, der von den verräterischen Banshee hierher gelockt worden war. Und er war nicht alleine erschienen. Über ein Dutzend Untote begleiteten ihn und warfen sich jetzt auf Sylvanas und ihre Banshees. Arthas fasste wieder Mut, doch er war immer noch paralysiert, konnte sich immer noch nicht bewegen. Er sah zu, wie der Kampf um ihn herum tobte, und nach wenigen Augenblicken war es offensichtlich, dass Sylvanas sich zurückziehen musste.

Sie warf ihm noch einen Blick zu und wieder leuchteten ihre Augen rot. »Es ist noch nicht vorbei, Arthas! Ich werde niemals aufhören, Euch zu jagen.«

Arthas blickte sie durchdringend an, als sie mit den Schatten zu verschmelzen schien. Das Letzte, was er von ihr sah, waren ihre roten Augen.

Nachdem ihre Herrin fort war, verschwanden die anderen Banshees unter Sylvanas’ Kontrolle ebenfalls. Kel’Thuzad eilte an Arthas’ Seite.

»Hat sie Euch etwas angetan, Herr?«

Arthas konnte ihn nur ansehen, die Paralyse war so weit fortgeschritten, dass er nicht einmal mehr die Lippen bewegen konnte. Knochige Hände legten sich mit überraschender Sachkenntnis um den Pfeil und zogen daran. Arthas unterdrückte einen Schmerzensschrei, als der Pfeil freikam. Sein rotes Blut war mit einer klebrigen schwarzen Substanz vermischt, die Kel’Thuzad sorgfältig untersuchte.

»Die Wirkung des Giftes wird mit der Zeit vergehen. Offensichtlich sollte es Euch nur paralysieren.«

Natürlich, überlegte Arthas. Ansonsten hätte sie den Dolch nicht gebraucht. Erleichterung durchfuhr ihn und machte ihn noch erschöpfter. Er war dem Tode nah – zu nah – gekommen. Wenn der Lich nicht so loyal gewesen wäre, hätte die Elfe ihn hier erledigt. Er versuchte, erneut zu sprechen, und schaffte es mit Mühe. »Ihr… habt mich… gerettet.«