»Du musst dich beeilen, mein Held. Mein Schöpfer, der Dämonenlord Kil’jaeden, hat seine Untergebenen ausgeschickt, um mich zu vernichten. Wenn sie den vereisten Thron vor dir erreichen, ist alles verloren. Die Geißel wird vernichtet sein. Nun eile dich! Ich werde dir alle Macht überlassen, die ich erübrigen kann.«
Plötzlich begann eine eisige Kraft Arthas zu durchströmen, dämpfte die Wut, den rauen Schmerz, beruhigte seine Gedanken. Die Energie war so groß, so berauschend… sie war mächtiger als alles, was Arthas je erlebt hatte. Das war es, wofür er hier war. Um diesen eisigen Luftzug zu trinken, um die kalte Stärke des Lichkönigs in sich aufzunehmen.
Er öffnete die Augen und sein Blick war klar. Frostgrams Runen erwachten zu neuem Leben, ein kühler Nebel drang daraus hervor. Feurig lächelnd nahm Arthas die Klinge und hob sie hoch. Als er sprach, klang seine Stimme voll und klar und wurde durch die frische Luft getragen.
»Ich hatte eine weitere Vision vom Lichkönig. Er hat meine Kräfte wiederhergestellt! Ich weiß jetzt, was zu tun ist.« Er zeigte mit Frostgram auf die winzigen Gestalten in der Ferne. »Illidan hat die Geißel lang genug verhöhnt. Er versucht, Einlass zum Thronsaal des Lichkönigs zu erhalten. Er wird scheitern. Es ist an der Zeit, dass wir ihn die Furcht vor dem Tod lehren. Es ist an der Zeit, das Spiel zu beenden… ein für alle Mal.«
Mit einem leidenschaftlichen, herausfordernden Schrei schwang er Frostgram über den Kopf. Es sang, begierig nach Seelen.
»Für den Lichkönig!«, rief Arthas und stürmte seinen Feinden entgegen.
Er fühlte sich wie ein Gott, als er Frostgram mit fast nachlässiger Leichtigkeit führte. Jede Seele, die es nahm, stärkte ihn. Sollten die Pfeile der Blutelfen doch wie Schnee auf sie herabregnen. Seine Gegner fielen wie der Weizen unter der Sense.
Plötzlich blickte Arthas über das Schlachtfeld. Wo war der Mann, den er töten musste? Er konnte bislang keine Spur von Illidan entdecken. War es möglich, dass er bereits Zutritt zu dem…
»Arthas! Arthas, dreht Euch um und kämpft mit mir, verdammt sollt Ihr sein!«
Die Stimme war klar und rein und voller Hass. Und Arthas wandte sich um.
Der Elfenprinz stand nur ein paar Meter von ihm entfernt. Das Rot und Gold seiner Rüstung war gegen die gnadenlose Helligkeit des Schnees so strahlend wie Blut. Sein Blick war auf Arthas fixiert. Knisternde Magie umgab ihn.
»Euer Weg endet hier, Schlächter.«
Ein Muskel zuckte nahe Arthas’ linkem Auge. So hatte Sylvanas ihn auch genannt. »Tssss«, machte er und lächelte den Elfen an, der einst so mächtig und stark auf den jungen Menschenprinzen gewirkt hatte. Seine Gedanken wanderten zurück zu jenem Augenblick, als Kael Arthas und Jaina beim Küssen überrascht hatte. Der Junge, der Arthas damals gewesen war, hatte gewusst, dass er dem älteren, viel mächtigeren Magier unterlegen war.
Doch jetzt war Arthas kein Junge mehr.
»Nachdem Ihr bei unserer letzten Konfrontation so feige verschwunden seid, bin ich doch überrascht, Euch hier anzutreffen, Kael. Seid nicht böse, dass ich Euch Jaina gestohlen habe. Ihr solltet das vergessen und weiterleben. Immerhin gibt es noch so viele Dinge auf der Welt, die Ihr genießen könnt. Oh, wartet… nein, da ist ja gar nichts mehr.«
»Fahrt zur Hölle, Arthas Menethil«, zischte Kael’thas vor Wut bebend. »Ihr habt mir alles genommen, was mir wichtig war. Jetzt bleibt mir nur noch die Rache.«
Er verschwendete keine weitere Zeit damit, seiner Wut freien Lauf zu lassen, stattdessen hob er seinen Stab. Der Kristall an der Spitze leuchtete hell und ein Feuerball knisterte in seiner freien Hand. Einen Herzschlag später schoss er auf Arthas zu. Gleichzeitig regneten Eissplitter auf den Todesritter herab.
Kael’thas war ein Meistermagier und viel schneller als jeder, dem Arthas zuvor begegnet war. Er konnte Frostgram kaum rechtzeitig hochreißen, um die anbrandende feurige Kugel abzuwehren. Der Frostsplitter dagegen entledigte er sich mit Leichtigkeit. Er hob die große Runenklinge über den Kopf und das Schwert zog die Eissplitter wie ein Magnet an. Lächelnd wirbelte Arthas das Schwert und schickte die Eisstücke zu dem Elfenprinzen zurück. Er war von Kael’thas Geschwindigkeit überrascht worden, doch diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen.
»Ihr solltet noch einmal über mich und das Eis nachdenken, Kael«, sagte er lachend. Er musste den Magier reizen, damit er überhastet handelte. Kontrolle war der Schlüssel zur Manipulation von Magie. Und wenn Kael seine Geduld verlor, würde er zweifelsfrei den Kampf verlieren.
Kael zog die Augen zusammen. »Danke für den Hinweis«, knurrte er.
Arthas straffte die Zügel und bereitete sich darauf vor, seinen Gegner niederzureiten. Doch in dieser Sekunde glühte der Schnee unter ihm in hellem Goldgelb auf und wurde dann zu Wasser. Invincible sank plötzlich ein und seine Hufe rutschten über den glatten Boden.
Arthas sprang ab und entließ das Tier. Er umfasste Frostgram mit neuer Entschlossenheit und streckte seine linke Hand aus. Ein dunkler Ball aus wirbelnder grüner Energie formte sich auf der flachen Handfläche und schoss schnell wie ein Pfeil auf Kael zu. Der Magier wollte kontern, doch der Angriff kam zu plötzlich. Sein Gesicht wurde etwas bleicher und er taumelte zurück. Kael’thas fasste sich ans Herz. Arthas lächelte, als etwas von der Energie des Magiers nun ihn durchfloss.
»Ich nahm Euch Eure Frau«, sagte er und versuchte wieder, den Magier zu provozieren, obwohl er wusste, dass Jaina dem Elfen niemals gehört hatte. Das wusste der auch. »Ich hielt sie des Nachts in meinen Armen. Sie schmeckte süß, als ich sie küsste, Kael. Sie…«
»… hasst Euch jetzt«, vollendete Kael’thas den Satz. »Ihr macht sie krank und sie ist von Euch angewidert, Arthas. Alles, was sie seitdem für Euch empfunden hat, hat sich in Hass verwandelt.«
Arthas’ Brust zog sich zusammen. Ihm wurde bewusst, dass er nie darüber nachgedacht hatte, was Jaina heute für ihn empfand. Er hatte immer sein Bestes gegeben, um alle Gedanken an sie zu verdrängen. Stimmte es? Hasste Jaina ihn wirklich…?
Ein riesiger knisternder Feuerball prallte gegen seine Brust und explodierte. Arthas schrie, als er von der Explosion zurückgeschleudert wurde. Flammen züngelten an ihm empor, bevor er wieder zu sich kam, um den Zauber zu kontern. Die Rüstung hatte ihn beschützt, obwohl die Hitze auf der Haut schmerzhaft war. Doch es erstaunte ihn, dass er derart überrascht worden war. Ein zweiter Feuerball zischte heran. Dieses Mal war er jedoch darauf vorbereitet und er trat dem feurigen Angriff mit tödlichem Eis entgegen.
»Ich habe Eure Heimat vernichtet… Euren wertvollen Sonnenbrunnen verdorben. Und ich habe Euren Vater getötet. Frostgram saugte seine Seele direkt aus ihm heraus, Kael. Sie ist für immer fort.«
»Ja, Ihr seid gut darin, ehrwürdige alte Männer zu töten«, spottete Kael’thas.
Der Stich traf ihn unerwartet schmerzhaft.
»Immerhin seid Ihr meinem Vater auf dem Schlachtfeld entgegengetreten. Was ist mit Eurem eigenen, Arthas Menethil? Wie tapfer war es von Euch, Euren unbewaffneten Vater, der Euch mit ausgebreiteten Armen entgegentrat, abzustechen?«
Arthas griff an und verringerte mit wenigen Schritten den Abstand zwischen ihnen. Dann schlug er mit Frostgram zu. Kael’thas parierte mit seinem Stab. Eine Sekunde lang hielt der Stab, dann brach er unter Frostgrams Angriff. Doch die Verzögerung gab Kael ausreichend Zeit, um eine glitzernde, leuchtende Waffe zu ziehen, eine Runenklinge, die rot zu glühen schien, im Kontrast zu Frostgrams kaltem eisigem Blau.
Die Klingen prallten aufeinander. Beide Männer strengten sich an, jede Klinge hielt der anderen stand, während die Sekunden vergingen.
Kael’thas lächelte, als sich ihre Blicke trafen. »Ihr erkennt die Klinge, nicht wahr?«