Das tat Arthas. Er kannte den Namen des Schwertes und seine Abstammung – Flammenstoß, Felo’melorn, einst von Kael’thas Vorfahr Dath’Remar Sonnenwanderer, dem Begründer der Dynastie, geschmiedet. Das Schwert war beinahe unbeschreiblich alt. Es hatte den Krieg der Ahnen miterlebt, die Geburt der Hochgeborenen. Arthas gab das Lächeln zurück. Flammenstoß würde einem weiteren historischen Ereignis beiwohnen, es würde das Ende des letzten Sonnenwanderers miterleben.
»Oh, das tue ich. Ich sah, wie es in zwei Teile zerbrach, eine Sekunde, bevor ich Euren Vater tötete.«
Arthas war physisch stärker und die Energie des Lichkönigs durchfloss ihn. Mit einem rauen Grunzen schob er Kael’thas zurück und wollte ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Doch der Magier erholte sich schnell wieder, tanzte beinahe, als er in eine andere Angriffsposition wechselte, und schwang Felo’melorn. Er ließ Arthas nicht aus den Augen.
»Und so habe ich es gefunden und neu geschmiedet.«
»Zerbrochene Schwerter sind an der Stelle schwach, wo sie repariert wurden, Elf.« Arthas umkreiste ihn und wartete auf den Moment, in dem Kael verwundbar war.
Kael’thas lachte. »Menschenschwerter vielleicht. Nicht die der Elfen. Nicht, wenn sie mithilfe von Magie neu geschmiedet wurden. Wenn sie mit Hass und dem glühenden Wunsch nach Rache vereint wurden. Nein, Arthas. Felo’melorn ist stärker als je zuvor – und ich bin es auch. Ich und die Sin’dorei. Wir sind stärker, weil wir gebrochen wurden – stärker und mit einer Bestimmung versehen. Und diese Bestimmung verlangt danach, Euch sterben zu sehen!«
Der Angriff kam plötzlich. In einem Moment beschimpfte Kael’thas ihn noch und im nächsten kämpfte Arthas um sein Leben. Frostgram schlug gegen Flammenstoß und – die alte Elfenklinge hielt.
Verdammt, der Elf hatte tatsächlich recht gehabt. Arthas flog zurück, er fühlte sich getäuscht, und dann schlug er mit Frostgram in einem mächtigen Hieb zu.
Kael sprang beiseite und wirbelte herum. Dann setzte er mit einer derartigen Gewalt und Intensität zum Gegenangriff an, dass Arthas überrascht zurückwich. Er war gezwungen, erst einen Schritt, dann zwei nach hinten zu tun. Und plötzlich rutschte er aus und stürzte. Zischend sprang Kael vor und wollte ihn mit einem finalen Schlag erledigen. Doch Arthas erinnerte sich an die Übungen mit Muradin und der Lieblingstrick des Zwerges fiel ihm mit einem Mal wieder ein. Er zog die Beine an und trat mit aller Kraft nach Kael’thas. Der Magier keuchte und wurde in den Schnee geworfen.
Schwer atmend kam der Todesritter auf die Beine, nahm Frostgram in beide Hände und stieß damit zu.
Irgendwie war plötzlich Flammenstoß da. Die Klingen prallten erneut gegeneinander. Kael’thas’ Augen brannten vor Hass.
Doch Arthas war stärker im bewaffneten Kampf, stärker mit dem stärkeren Schwert, trotz Kaels Prahlerei über Felo’melorn. Langsam, aber unausweichlich näherte sich Frostgram Kael’thas’ Kehle.
»Sie hasst Euch«, flüsterte Kael.
Arthas brüllte auf, die Wut beeinträchtigte einen Moment lang seine Sicht. Dann stieß er mit aller Kraft zu.
Und traf den Schnee und die gefrorene Erde.
Kael’thas war fort.
»Feigling!«, schrie Arthas, obwohl er wusste, dass der Prinz ihn nicht hören konnte. Der Bastard war wieder in der letzten Sekunde wegteleportiert. Wut durchfuhr ihn, drohte sein Urteilsvermögen zu trüben. Er schob sie beiseite. Es war dumm gewesen, dass er sich von Kael’thas derart hatte provozieren lassen.
Verflucht seist du, Jaina. Selbst jetzt verfolgst du mich noch.
»Invincible, zu mir!«, schrie er und erkannte, dass seine Stimme zitterte. Kael’thas war nicht tot, doch er war aus dem Weg und nur das zählte. Er bestieg das Skelettpferd, stürzte sich erneut ins Schlachtgetümmel und ritt auf den Thronsaal seines Herrn zu.
Arthas bewegte sich durch die Feinde, als wären sie nur Insekten. Wenn sie starben, belebte er sie wieder und schickte sie gegen ihre Kameraden. Die Flut der Untoten war unaufhaltsam und unerbittlich. Der Schnee unterhalb des Gipfels war aufgewühlt und mit Blut durchtränkt. Arthas blickte sich um, sah die letzten Kämpfe. Er entdeckte zwar die Blutelfen – doch kein Zeichen ihres Herrn.
Wo war Illidan?
Eine schnelle Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit. Arthas knurrte leise, als er seinen Gegner erkannte. Noch ein Schreckenslord. Dieser drehte ihm den Rücken zu. Seine schwarzen Flügel waren ausgestreckt, der Schnee schmolz unter seinen Hufen.
Arthas hob Frostgram. »Ich habe deine Art schon bei anderer Gelegenheit getötet, Schreckenslord«, zischte er. »Dreh dich um und stell dich mir, wenn du es wagst – oder fliehe in den Nether wie ein feiger Dämon.«
Die Gestalt wandte sich langsam um. Riesige Hörner ragten aus ihrem Schädel. Auf den Lippen bildete sich ein Lächeln. Und über den Augen befand sich eine zerlumpte schwarze Augenbinde. Zwei grüne leuchtende Punkte befanden sich dort, wo die Augen hätten sein sollen.
»Hallo Arthas.«
Tief und finster klang seine Stimme. Die hatte sich deutlich weniger geändert als der Körper des Kaldorei. Die Haut hatte immer noch denselben bleichen lavendelfarbenen Ton. Und er trug noch immer dieselben Tätowierungen und Narben. Doch die Beine, die Flügel, die Hörner…
Arthas verstand augenblicklich, was geschehen sein musste. Deshalb war Illidan so mächtig geworden.
»Ihr seht anders aus, Illidan. Ich schätze, der Schädel von Gul’dan vertrug sich nicht so recht mit Euch.«
Illidan warf sein gehörntes Haupt in den Nacken. Dunkles Gelächter dröhnte aus ihm hervor. »Im Gegenteil, ich habe mich nie besser gefühlt. Eigentlich müsste ich Euch für meinen gegenwärtigen Zustand danken, Arthas.«
»Zeigt Eure Anerkennung, indem Ihr mir aus dem Weg geht.« Arthas’ Stimme war plötzlich kalt und es lag keine Spur von Humor mehr darin. »Der vereiste Thron gehört mir, Dämon. Tretet beiseite. Verlasst diese Welt und kehrt niemals zurück. Wenn Ihr es doch tut, warte ich auf Euch.«
»Wir beide haben unsere Herren, Junge. Meiner verlangt die Zerstörung des vereisten Throns. Und es scheint, dass wir uns uneins sind«, antwortete Illidan und hob die Waffe, die Arthas einst bekämpft hatte. Seine mächtigen Klauen mit den scharfen schwarzen Krallen schlossen sich darum und er führte sie mit Anmut und trügerischer Gelassenheit.
Arthas verspürte einen Hauch von Unsicherheit. Er hatte gerade erst einen Kampf mit Kael’thas beendet. Und obwohl er der Sieger gewesen wäre, wenn der feige Elf sich nicht in letzter Sekunde wegteleportiert hätte, hatte das Gefecht ihn doch erschöpft. Illidans Haltung hingegen verriet kein Anzeichen von Müdigkeit.
Illidans Lächeln wurde breiter, als er das Unbehagen seines Feindes bemerkte. Er gestattete sich eine Demonstration seines meisterhaften Umgangs mit der ungewöhnlichen dämonischen Waffe. Dann ging er in Position und bereitete sich auf den Kampf vor. »Es muss getan werden!«
»Eure Truppen sind entweder vernichtet oder Teil meiner Armee.« Arthas zog Frostgram. Seine Runen leuchteten hell, Nebel stieg aus dem Griff auf. Hinter der Augenbinde leuchteten Illidans Augen viel heller und grüner, als Arthas sie in Erinnerung hatte.
Diese Augen verengten sich, als er die Runenklinge erkannte. Wenn der dämonisch veränderte Kaldorei eine mächtige Waffe hatte, so hatte Arthas auch eine. »Ihr endet auf die eine oder andere Weise.«
»Das bezweifle ich«, höhnte Illidan. »Ich bin stärker als Ihr glaubt und mein Herr hat Euren erschaffen! Kommt, Junge. Ich beseitige den Diener, bevor ich Euren erbärmlichen…«
Arthas griff an. Frostgram leuchtete und summte in seinen Händen, so begierig auf Illidans Tod wie er selbst. Der Elf schien von dem plötzlichen Angriff nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Mit größter Leichtigkeit hob er seine Doppelklinge, um zu parieren. Frostgram hatte schon zuvor alte und mächtige Schwerter vernichtet. Doch dieses Mal schlug die Runenklinge nur gegen das glühende grüne Metall und knirschte.