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Illidan lächelte. Arthas spürte erneut Unbehagen. Die Kraft aus Gul’dans Schädel hatte Illidan tatsächlich verändert. Unter anderem war er physisch viel stärker geworden. Illidan lachte. Es war ein tiefes, hässliches Geräusch, dann drängte er kräftig gegen Arthas.

Arthas wurde zurückgetrieben, fiel auf die Knie und versuchte sich zu verteidigen, während der Dämon ihn niederrang.

»Es ist schön, die Positionen so zu tauschen«, knurrte Illidan. »Ich könnte Euch schnell töten, Todesritter, wenn Ihr mir einen guten Kampf bietet.«

Arthas verschwendete keinen Atem für Beleidigungen. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich darauf, die Schläge abzuwehren, die auf ihn einprasselten. Die Waffe war ein Wirbel leuchtenden Grüns. Arthas konnte die Macht der dämonischen Energie spüren, die davon ausging. Genauso würde Illidan Frostgrams grimmige Dunkelheit spüren können.

Plötzlich war Illidan fort und Arthas taumelte vorwärts. Sein eigener Schwung raubte ihm das Gleichgewicht. Er hörte ein flatterndes Geräusch, wirbelte herum und sah Illidan über sich. Seine großen ledrigen Flügel wirbelten die Luft auf, als er außer Reichweite flog.

Sie blickten einander an. Arthas kam zu Atem. Er konnte erkennen, dass auch Illidan nicht unbeeindruckt von dem Kampf geblieben war. Schweiß glitzerte auf dem riesigen lavendelfarbenen Körper. Arthas beruhigte sich, Frostgram hielt er bereit für den Zeitpunkt, wenn Illidan zu einem neuerlichen Angriff herabstürzen würde.

Dann tat Illidan etwas völlig Unerwartetes. Er lachte und in einer blitzschnellen Bewegung schien er seine Waffe zu teilen. In jeder seiner mächtigen Hände lag jetzt ein Schwert.

»Sieh die Zwillingsklingen von Azzinoth«, höhnte Illidan. Er flog höher, wirbelte die Klingen in seiner rechten und linken Hand und Arthas erkannte, dass er mit beiden Händen gleich gut umgehen konnte. »Zwei glorreiche Kriegslanzen. Sie können als eine einzige verheerende Waffe eingesetzt werden… oder, wie Ihr seht, als zwei. Es war die bevorzugte Waffe der Verdammniswache – und gehörte einem mächtigen Dämonenhauptmann, den ich getötet habe. Vor zehntausend Jahren. Wie lange kämpft Ihr schon mit Eurem hübschen Schwert, Mensch? Wie gut kennt Ihr es?«

Die Worte sollten den Todesritter verunsichern. Stattdessen stärkten sie ihn. Illidan mochte diese zugegebenermaßen mächtige Waffe schon länger führen – doch Frostgram war an Arthas gebunden und er an Frostgram. Es war weniger ein Schwert als eher eine Erweiterung seiner Selbst. Er kannte es, seit er es das erste Mal in einer Vision gesehen hatte, als er gerade erst in Nordend eingetroffen war. Er war sich der Verbindung sicher gewesen, als er es erblickt hatte. Und nun spürte er einen Sog in seiner Hand, der ihre Einheit bestätigte.

Die Klingen des Dämons leuchteten. Illidan stürzte wie ein Stein auf Arthas herab. Arthas schrie auf und konterte, sich des Schlages sicherer als jedes anderen, den er zuvor mit der Runenklinge ausgeteilt hatte. Er riss Frostgram hoch. Und als hätte er gewusst, was geschehen würde, spürte er, wie das Schwert tief in das Fleisch des Dämons eindrang. Er zog die Klinge über Illidans Torso und spürte eine tiefe Befriedigung, als der ehemalige Kaldorei vor Schmerz schrie.

Und dennoch starb der Bastard nicht. Illidans Flügel schlugen erratisch, irgendetwas hielt ihn immer noch in der Luft. Und dann schien sein Körper sich vor Arthas’ entsetztem Blick zu verändern und zu verdunkeln… fast so, als bestünde er aus schwarzem, violettem und grünem Rauch.

»Das habe ich von Euch bekommen«, schrie Illidan. Seine Stimme war tiefer geworden. Arthas spürte, wie sie ihn bis ins Mark erschütterte. Die Augen des Dämons leuchteten feurig in der Dunkelheit. »Dieses Geschenk – diese Macht. Und sie wird Euch vernichten!«

Ein Schrei erklang aus Arthas’ Kehle und er stürzte erneut auf die Knie. Grünes Feuer lief seine Rüstung entlang, verbrannte seine Haut und dämpfte selbst Frostgrams blaues Leuchten einen Augenblick lang. Über seinen eigenen Schmerzensschrei hörte er Illidan lachen.

Wieder traf ihn das Teufelsfeuer und Arthas stürzte vornüber und keuchte. Doch als das Feuer schwand und er sah, wie Illidan sich, zum Todesstoß bereit, auf ihn herabstürzte, spürte er, wie die alte Runenklinge ihm immer noch dabei half, sich zu konzentrieren.

Frostgram gehörte ihm und er gehörte Frostgram und derart vereint waren sie unbesiegbar.

Gerade als Illidan zum Todesstoß ansetzte, hob Arthas Frostgram an und stach mit aller Kraft zu. Er spürte, wie die Klinge Kontakt bekam, das Fleisch durchbohrte und tief in seinen Gegner eindrang.

Illidan stürzte schwer zu Boden. Blut lief aus seinem Körper und schmolz mit einem zischenden Geräusch den Schnee um ihn herum. Seine Brust hob und senkte sich, er keuchte. Die hochgelobten Zwillingsklingen waren nun völlig nutzlos. Eine hatte er fallen lassen, die andere lag in seiner Hand, die nicht einmal mehr den Griff umfassen konnte.

Arthas kam auf die Beine, sein Körper prickelte noch von den Nachwirkungen des Teufelsfeuers. Er starrte den Dämon einen Moment lang an und brannte den Anblick in sein Gedächtnis ein.

Er überlegte, ob er ihm den Todesstoß versetzen sollte. Doch dann entschied er sich dafür, dass er das dem gnadenlosen kalten Ort überlassen würde. Ein größeres Bedürfnis brannte nun in ihm. Er wandte sich um und richtete den Blick zum Gipfel, der vor ihm aufragte.

Er schluckte schwer und stand einen Augenblick einfach nur da, ohne zu ahnen, woher er wusste, dass sich etwas gerade fundamental änderte. Dann atmete er tief ein und betrat die Höhle.

Arthas ging wie in Trance den Tunnel entlang, der immer tiefer ins Innere der Erde führte. Seine Schritte schienen geleitet zu werden, und obwohl es kein Geräusch gab, niemand hier war, der ihm sein Recht, hier zu sein, streitig machen konnte, spürte er die tiefe dröhnende Macht, noch bevor er sie hören konnte. Er ging weiter, spürte, wie der Ruf der Macht ihn immer näher an seine Bestimmung heranführte.

Über und vor ihm war ein kaltes blauweißes Licht. Arthas ging darauf zu, rannte fast, und der Tunnel verbreiterte sich zu einer Art Thronsaal. Vor ihm befand sich ein Gebilde, das Arthas den Atem raubte.

Das Gefängnis des Lichkönigs lag auf einem gewundenen Turm, die Spitze bestand aus blaugrün schimmerndem Eis, das eigentlich kein Eis war. Sie ragte hoch auf und schien die Decke der Höhle durchstoßen zu wollen. Ein enger Pfad wand sich serpentinenartig um die Spitze herum und führte Arthas nach oben. Immer noch von der Energie erfüllt, die der Lichkönig ihm gewährt hatte, ermüdete er nicht.

Doch unwillkommene Erinnerungen schienen ihn wie Fliegen zu piesacken, als er weiterging und einen Schritt vor den anderen setzte. Worte, Sätze, Bilder fielen ihm ein.

»Denk daran, Arthas, wir sind Paladine. Rache gehört nicht zu unseren Tugenden. Wenn wir zulassen, dass unsere Leidenschaft sich in Blutrünstigkeit verwandelt, dann werden wir genauso widerwärtig wie die Orcs.«

Jaina… oh Jaina…

»Niemand scheint dir irgendetwas abschlagen zu können. Am wenigsten ich.«

»Weise mich nicht zurück. Weise mich niemals zurück. Bitte.«

»Das würde ich niemals, Arthas. Niemals.«

Er ging unaufhaltsam weiter nach oben.

»Wir wissen so wenig – wir können sie nicht nur aus unserer eigenen Angst heraus wie Tiere abschlachten!«

»Das ist eine üble Sache, Junge. Lasst das Schwert hier, wo es verloren und vergessen ruht… Wir werden einen anderen Weg finden, Euer Volk zu retten. Wir sollten jetzt gehen, zurückgehen und diesen Weg suchen.«

Ein Schritt folgte dem anderen. Hoch, immer weiter nach oben. Das Bild schwarzer Flügel drang in seine Gedanken.

»Ich verkünde Euch eine letzte Prophezeiung. Erinnert Euch daran. Je stärker Ihr Euren Feind bekämpft, desto schneller liefert Ihr ihm Euer Volk aus.«

Selbst als diese Erinnerungen an ihm zerrten und sein Herz ergriffen, gab es ein Bild und eine Stimme, die stärker und unwiderstehlicher als alle anderen waren. Die Stimme flüsterte und ermutigte ihn. »Du nahst, mein Held. Mein Moment der Freiheit kommt… und mit ihm dein Aufstieg zu wahrer Macht.«