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Das, erkannte Arthas, war ein Mädchen, dem es nichts ausmachte, einen Schneeball ins Gesicht zu bekommen oder an einem heißen Tag schwimmen zu gehen. Jemand, mit dem er, anders als mit seiner Schwester, spielen konnte.

»Arthas… auf ein Wort«, erklang eine ruppige Stimme.

Arthas wandte sich um und sah den Botschafter auf sich zukommen.

»Natürlich, Sire«, sagte Arthas und ihm sank das Herz. Er wollte eigentlich nur mit seiner neuen Freundin plaudern – er war sich bereits sicher, dass sie prächtig miteinander auskommen würden – und Muradin wollte ihn gewiss für die blamable Vorstellung in der Waffenkammer schelten.

Immerhin war der Zwerg diskret genug, ein paar Schritte mit ihm fortzugehen. Er wandte sich dem Prinzen zu, die knubbeligen Daumen unter den Gürtel gehakt, das schroffe Gesicht gedankenvoll. »Junge«, sagte er. »Ich komme gleich zur Sache. Eure Kampftechnik ist fürchterlich.«

Wieder spürte Arthas, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Ich weiß«, sagte er, »doch Vater…«

»Euer Vater hat viele Dinge im Kopf. Womit ich natürlich nichts gegen ihn gesagt haben will.«

Was sollte er antworten? »Nun, ich kann mir ja schlecht das Kämpfen selbst beibringen. Ihr habt gesehen, was geschieht, wenn ich es versuche.«

»Ich kann es Euch beibringen. Wenn Ihr wollt, unterrichte ich Euch.«

»Das… das würdet Ihr tun?« Arthas konnte es zuerst nicht glauben, dann war er erfreut. Die Zwerge waren neben vielem anderen vor allem für ihr kämpferisches Geschick bekannt. Ein Teil von Arthas fragte sich, ob Muradin ihm wohl auch beibringen würde, wie man einen Bierkrug hielt – eine weitere Spezialität der Zwerge, doch er entschloss sich, lieber nicht danach zu fragen.

»Aye, das hatte ich ja gesagt, oder? Ich habe mit Eurem Vater gesprochen und er ist einverstanden. Das wurde schon zu lange aufgeschoben. Doch eine Sache sollten wir vorab klären. Ich akzeptiere keine Entschuldigungen und nehme Euch hart ran. Wenn ich jemals zu mir selbst sage: ,Muradin, du verschwendest nur deine Zeit’, dann höre ich auf, habt Ihr das verstanden, Junge?«

Arthas unterdrückte ein unpassendes Glucksen, das in ihm aufsteigen wollte, weil jemand, der so viel kleiner war als er, ihn »Junge« nannte.

»Ja, Sire«, sagte er eifrig.

Muradin nickte und streckte ihm seine große, schwielige Hand entgegen. Arthas schüttelte sie. Lächelnd sah er zu seinem Vater hinüber, der in ein Gespräch mit Uther vertieft war. Wie ein Mann wandten sie sich in diesem Moment jedoch zu ihm um und beide Augenpaare verengten sich vor Erwartung.

Arthas seufzte innerlich. Er kannte diesen Blick. So viel zum Thema Spielen mit Jaina – vielleicht würde er gar keine Zeit mehr haben, sie zu sehen, bevor sie wieder abreiste.

Er wandte sich Calia zu, die den Arm um die Schulter des jüngeren Mädchens gelegt hatte und Jaina aus dem Raum zog. Doch kurz bevor sie durch die Tür verschwand, wandte Admiral Prachtmeers Tochter ihren blonden Kopf um. Arthas’ Blick traf ihren und sie lächelte.

3

»Ich bin sehr stolz auf dich, Arthas«, sagte sein Vater. »Solch eine Verantwortung zu übernehmen…«

In der Woche, in der Jaina Prachtmeer zu Gast bei der Menethil-Familie gewesen war, war »Verantwortung« zum Schlüsselwort geworden. Nicht nur hatte seine Ausbildung bei Muradin begonnen, sie war auch exakt so hart und fordernd, wie der Zwerg es ihm prophezeit hatte. Der Muskelkater und die Prellungen wurden nur noch übertroffen von den schallenden Ohrfeigen, wenn Arthas Muradins Meinung nach nicht genug achtgab.

Doch wie Arthas schon befürchtet hatte, waren Uther und Terenas zu dem Schluss gekommen, dass die Ausbildung des Prinzen auch in anderen Bereichen intensiviert werden sollte. Arthas musste vor dem Morgengrauen aufstehen, ein schnelles Frühstück aus Brot und Käse zu sich nehmen und früh mit Muradin ausreiten. Der Ritt mündete in einer Wanderung, die jedes Mal damit endete, dass der Zwölfjährige am ganzen Leib zitterte und außer Atem war. Insgeheim fragte sich Arthas, ob die Zwerge eine so ausgeprägte Affinität zu den Felsen hatten, dass die Steine ihnen beim Klettern halfen. Wieder zu Hause angekommen, wurde gebadet, dann folgte der Unterricht in Geschichte, Mathematik und Kalligrafie.

Nach dem Mittagessen verbrachte er den Nachmittag mit Uther in der Kapelle, wo sie beteten, meditierten und über die Besonderheiten der Paladine und die harte Disziplin redeten, der sie sich unterwerfen mussten. Nach dem Abendessen fiel Arthas meist völlig erschöpft in einen traumlosen Schlaf.

Er hatte Jaina nur ein paarmal beim Abendessen gesehen. Sie und Calia schienen gut miteinander befreundet zu sein.

Arthas entschied schließlich, dass es genug war. Er beherzigte die Lektionen, die er im Geschichts- und Politikunterricht gelernt hatte, und bot seinem Vater und Uther an, ihren Gast, Lady Jaina Prachtmeer, persönlich nach Dalaran zu geleiten.

Er erzählte ihnen nicht, dass er so seinen Pflichten entkommen wollte. Terenas gefiel es, dass sein Sohn sich derart verantwortlich zeigte. Jaina strahlte bei der Vorstellung und Arthas bekam genau das, was er haben wollte. Alle waren glücklich.

Und so wurde es Frühsommer. Die Blumen blühten, die Wälder waren voller Wild und die Sonne schien von einem klaren blauen Himmel, als Prinz Arthas eine strahlende, blonde junge Dame auf ihrer Reise in die erstaunliche Stadt der Magier begleitete.

Sie waren ein wenig spät aufgebrochen – eine Sache, die Arthas an Jaina Prachtmeer kennenlernte, war ihre Unpünktlichkeit –, doch das störte Arthas nicht. Er hatte keine Eile. Sie waren natürlich nicht allein. Der Anstand gebot es, dass Jainas Kammerzofe und zwei Wachen sie begleiteten. Aber dennoch hielten sich die Bediensteten zurück und ließen die beiden jungen Adligen sich aneinander gewöhnen.

Sie ritten eine Weile, dann hielten sie für ein Mittagspicknick. Während sie Brot und Käse aßen, dazu verdünnten Wein tranken, kam einer von Arthas’ Männern heran.

»Sire, mit Eurer Erlaubnis treffen wir Vorbereitungen, in Mühlenbern zu übernachten. Am nächsten Morgen können wir dann die restliche Strecke nach Dalaran zurücklegen. Wir sollten bei Einbruch der Dämmerung dort eintreffen.«

Arthas schüttelte den Kopf. »Nein, lasst uns weiterreiten. Wir kampieren im Hügelland. So wird Lady Jaina schon im Laufe des Morgens in Dalaran eintreffen.« Er lächelte ihr zu.

Sie erwiderte sein Lächeln und er meinte einen Hauch von Enttäuschung in ihren Augen zu lesen.

»Seid Ihr sicher, Sire? Wir wollten die Gastfreundschaft der Einheimischen in Anspruch nehmen, ganz zu schweigen davon, dass die Lady sonst im Freien übernachten muss.«

»Es ist in Ordnung, Kayvan«, sagte Jaina. »Ich bin kein zerbrechliches Püppchen.«

Arthas’ Lächeln wurde breiter. Er hoffte, dass sie auch in ein paar Stunden noch so denken würde.

Während die Diener das Lager vorbereiteten, gingen Arthas und Jaina auf Streifzug. Sie kletterten einen Hügel hinauf, von dem aus sie einen einmaligen Ausblick hatten. Im Westen sahen sie das kleine Dörfchen Mühlenbern und sogar die Spitzen von Baron Silberleins Burg. Im Osten konnten sie beinahe Dalaran erspähen und noch deutlicher das Internierungslager im Süden. Nach dem Ende des Zweiten Krieges waren die Orcs zusammengetrieben und in diese Lager gesteckt worden. Es war barmherziger, als sie einfach abzuschlachten, hatte Terenas Arthas erklärt. Außerdem schienen die Orcs an einer merkwürdigen Krankheit zu leiden. Wenn die Menschen sie entdeckten oder jagten, kämpften sie meist nur halbherzig und ergaben sich friedlich in die Gefangenschaft. Es gab mehrere Lager wie dieses.

Sie nahmen ein kräftiges Mahl ein – gebratenes Kaninchen am

Spieß – und gingen kurz nach Einbruch der Dämmerung schlafen.

Nachdem er sicher war, dass jedermann schlummerte, schlüpfte