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Arthas in seine Kleidung und zog sich schnell die Stiefel an.

Schließlich nahm er noch einen seiner Dolche und befestigte ihn am Gürtel. Dann schlich er sich zu Jaina.

»Jaina«, flüsterte er, »wach auf.«

Sie erwachte stumm und erschreckte sich nicht. Ihre Augen glitzerten im Mondschein. Er setzte sich neben sie, während sie sich aufrichtete, und legte einen Finger an seine Lippen, um ihr zu bedeuten, auch weiterhin leise zu sein.

Sie flüsterte: »Arthas? Stimmt etwas nicht?«

Er lächelte. »Hast du Lust auf ein Abenteuer?«

Sie neigte den Kopf. »Was für ein Abenteuer?«

»Vertrau mir.«

Jaina sah ihn einen Moment lang an, dann nickte sie. »In Ordnung.«

Sie war wie die anderen auch zum größten Teil bekleidet eingeschlafen und musste nur ihre Schuhe anziehen und den Umhang überwerfen. Jaina erhob sich, machte einen halbherzigen Versuch, sich mit den Fingern die blonden Haare zu kämmen, und nickte.

Jaina folgte Arthas, als sie denselben Hügel erklommen, den sie bereits früher am Tag erkundet hatten. Der Aufstieg war in der Nacht herausfordernder, doch das Mondlicht war recht hell und sie stürzten nicht.

»Da liegt unser Ziel«, sagte er und wies darauf.

Jaina schluckte. »Das Internierungslager?«

»Hast du je einen Orc aus der Nähe gesehen?«

»Nein, und das will ich auch nicht.«

Er runzelte enttäuscht die Stirn. »Komm schon, Jaina. Das ist unsere Chance, einen Blick auf einen Orc zu werfen. Bist du denn gar nicht neugierig?«

Es war schwer, im Mondlicht in ihrem Gesicht zu lesen, ihre Augen waren dunkle, schattige Teiche. »Ich… sie haben Derek getötet. Meinen älteren Bruder.«

»Einer von ihnen hat auch Varians Vater getötet. Sie haben eine Menge Menschen umgebracht. Deshalb sind sie ja in diesen Lagern. Das ist der beste Ort für sie. Eine Menge Leute mögen es nicht, dass Vater die Steuern anhebt, um die Lager zu bezahlen. Doch… komm schon und mach dir selbst ein Bild. Ich habe die Möglichkeit versäumt, mir Schicksalshammer anzusehen, als er in der Unterstadt war. Ich möchte nicht noch einmal die Chance verpassen, einen Orc zu sehen.«

Sie schwieg weiter und schließlich seufzte er. »In Ordnung. Ich bringe dich zurück.«

»Nein«, sagte sie und überraschte ihn. »Gehen wir.«

Still machten sie sich an den Abstieg. »In Ordnung«, flüsterte Arthas. »Als wir heute Nachmittag hier waren, habe ich mir die Routen der Patrouillen gemerkt. Es scheint, dass sie bei Nacht keine großen Unterschiede machen, außer dass sie ihre Runden unregelmäßiger drehen. Da die Orcs nicht mehr viel Kampfgeist in sich haben, rechnen die Wachen wohl kaum mit einer Flucht.« Er lächelte ihr beteuernd zu. »Was uns die Sache erleichtert. Allerdings ist auf diesen beiden Wachtürmen immer jemand stationiert. Darauf müssen wir am meisten achten, aber hoffentlich achten die da oben eher auf Störungen von innen als von der anderen Seite. Denn das Lager ist gegen eine Mauer gebaut. Lassen wir diesen Posten hier seine Runde beenden und dann sollten wir ausreichend Zeit haben, nah an die Palisaden heranzukommen und hineinzuspähen.«

Sie warteten darauf, dass die gelangweilt aussehende Wache an ihnen vorbeiging. Ein paar Atemzüge später sagte Arthas: »Zieh deine Kapuze über.« Sie hatten beide blondes Haar, was die Soldaten viel zu leicht hätten ausmachen können. Jaina wirkte nervös, aber sie gehorchte. Glücklicherweise waren ihre Umhänge dunkel.

»Bereit?«

Sie nickte.

»Gut. Auf geht’s.«

Die beiden bewegten sich schnell und liefen leise den restlichen Weg hinab. Arthas hielt Jaina einen Augenblick lang zurück, bis der Wachtposten auf dem Turm in eine andere Richtung schaute, dann winkte er ihr. Sie liefen weiter, versicherten sich, dass ihre Kapuzen noch fest saßen, und ein paar Schritte weiter pressten sie sich gegen den Zaun des Lagers.

Die Palisaden waren einfach, aber effizient. Sie waren wenig mehr als Stämme, die zusammengebunden waren, oben angespitzt und tief in den Boden eingegraben. Es gab zahlreiche Ritzen in der »Mauer«, durch die ein neugieriger Junge und ein Mädchen schauen konnten.

Zuerst war es schwer, etwas zu erkennen. Drinnen standen offenbar mehrere große Gestalten. Arthas wandte seinen Kopf, um besser sehen zu können. Es waren allesamt Orcs. Einige lagen eingewickelt in Decken auf dem Boden. Andere gingen fast ziellos auf und ab, wie Tiere in Käfigen, wobei ihnen der spielerische Drang nach Freiheit der Tiere fehlte. Gegenüber stand eine Gruppe, die wie eine Familie wirkte. Ein Mann, eine Frau und ein Junges. Die Frau, leichter gebaut und kleiner als der Mann, hielt etwas Kleineres an die Brust gedrückt und Arthas erkannte, dass es ein Baby war.

»Oh«, flüsterte Jaina neben ihm. »Sie wirken so… traurig.«

Arthas schnaufte, dann erinnerte er sich daran, dass sie leise sein mussten. Er blickte schnell zum Turm hinauf, doch die Wache hatte nichts gehört.

»Traurig? Jaina, diese brutalen Kerle haben Sturmwind zerstört. Sie wollten die Menschheit ausrotten. Sie haben deinen Bruder getötet, beim Licht. Verschwende kein Mitleid an sie.«

»Aber trotzdem, irgendwie war mir nicht klar, dass sie… Kinder haben«, fuhr Jaina fort. »Siehst du den dort mit dem Baby?«

»Natürlich haben sie Kinder, selbst Ratten haben Kinder«, sagte Arthas. Er war irritiert, doch eigentlich hätte er so eine Reaktion von einem elfjährigen Mädchen erwarten müssen.

»Sie wirken so harmlos. Bist du dir sicher, dass sie hierher gehören?« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, ein weißes Oval im Mondlicht, und wartete auf seine Antwort. »Es ist teuer, sie hierzubehalten. Vielleicht sollte man sie freilassen.«

»Jaina«, sagte er mit sanfter Stimme. »Das sind Mörder. Selbst wenn sie jetzt lethargisch sind, wer weiß schon, was passiert, wenn man sie freilässt?«

Sie seufzte leise in der Dunkelheit, antwortete aber nicht.

Arthas schüttelte den Kopf. Er hatte genug gesehen – die Wache würde bald zurück sein. »Sollen wir umkehren?«

Sie nickte und rannte schnell mit ihm auf den Hügel zu. Arthas blickte über die Schulter zurück und erkannte, dass die Wache gerade dabei war, sich umzudrehen. Er trieb Jaina vorwärts, fasste sie um die Hüfte, riss sie zu Boden und warf sich neben sie. »Keine Bewegung«, sagte er, »die Wache blickt genau in unsere Richtung!«

Trotz des harten Sturzes war Jaina so clever, augenblicklich regungslos zu verharren. Vorsichtig, mit dem Gesicht so weit wie möglich im Schatten, drehte Arthas den Kopf, um nach der Wache zu sehen. Er konnte nicht viel erkennen, doch die Haltung des Mannes deutete auf Langeweile und Müdigkeit hin. Nach einem langen Moment, in dem Arthas sein Herz pochen hörte, schaute die Wache in eine andere Richtung.

»Tut mir leid«, entschuldigte er sich und half Jaina wieder auf die Beine. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja«, sagte Jaina. Sie lächelte ihn an.

Kurze Zeit später waren sie zurück an ihrem Schlafplatz. Arthas blickte zu den Sternen und war rundum zufrieden.

Es war ein guter Tag gewesen.

Spät am nächsten Morgen kamen sie nach Dalaran. Arthas war niemals zuvor dort gewesen, obwohl er schon viel davon gehört hatte. Die Magier waren ein verschlossener, höchst geheimnisvoller und mächtiger Haufen, doch sie blieben unter sich, solange es nicht anders erforderlich war. Arthas erinnerte sich daran, wie Khadgar Anduin Lothar und Prinz – jetzt König – Varian Wrynn begleitet hatte, um Terenas vor der Bedrohung durch die Orcs zu warnen. Seine Anwesenheit hatte Anduins Argumenten Gewicht verliehen, und das aus gutem Grund. Die Magier der Kirin Tor mischten sich nicht leichtfertig in die Politik ein.

Genauso wenig machten sie politische Manöver oder nahmen Einladungen von Königen an, nur um deren Gastfreundschaft zu genießen. Nur weil er Jaina begleitete, die hier lernen wollte, erhielt Arthas und sein Gefolge Zutritt. Dalaran war wunderschön, noch herrlicher als die Hauptstadt. Alles erschien fast unmöglich sauber und hell, wie es sich für eine Stadt gehörte, die derart stark von Magie durchdrungen war. Es gab mehrere anmutige Türme, die sich in den Himmel streckten und deren Sockel aus weißem Stein bestand. Die Spitzen waren violett, von Gold umrahmt. Um einige tanzten förmlich leuchtende, schwebende Steine. Andere hatten Fenster aus Buntglas, die das Sonnenlicht einfingen. Gärten blühten, der Geruch von wilden, fantastischen Blumen erzeugte ein Aroma, das auf Arthas beinahe betäubend wirkte. Oder vielleicht war es auch die Magie in der Luft, die dieses Gefühl erzeugte.