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Mit einiger Besorgnis ließ Nobu seinen Vater also wiederbeleben. Er überwachte persönlich Schulung und Erziehung seines Vaters, wobei er sich fragte, ob der Erwachsene, der schließlich aus dieser ganzen Prozedur hervorging, noch der Vater wäre, den er kannte. Allmählich erlangte Saito sein Bewusstsein zurück. Er war noch immer derselbe — und doch wieder nicht.

Saitos Persönlichkeitsveränderung machte sich erstmals an jenem Morgen bemerkbar, an dem Psychologen meldeten, dass ihre Arbeit getan sei. Nobu brachte seinen Vater in sein Büro in New Kyoto. Es war einst Saitos Büro gewesen, das Machtzentrum eines weltumspannenden Konzerns.

Saito ging an der Seite seines Sohnes ins Büro und lächelte fröhlich, bis die Tür sich schloss und sie allein waren.

Sein neugieriger Blick schweifte über den großen, geschwungenen Schreibtisch, die gepolsterten Sessel und die Seidendrucke an den Wänden. »Du hast hier nichts verändert.«

Nobuhiko hatte das Büro in den Zustand zurückversetzen lassen, in dem es sich befunden hatte, als sein Vater für klinisch tot erklärt worden war.

Saito schaute seinem Sohn in die Augen und musterte für eine Weile sein Gesicht. »Mein Gott«, sagte er schließlich, »es ist, als ob ich in den Spiegel schauen würde.«

Tatsächlich wirkten sie eher wie Zwillingsbrüder als wie Vater und Sohn. Beide Männer waren kräftig und hatten ein rundes Gesicht mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Beide trugen den gleich himmelblauen Geschäftsanzug im westlichen Stil.

Saito warf den Kopf zurück und stieß ein Lachen aus — ein herzhaftes, amüsiertes Lachen aus voller Kehle. »Du bist genauso alt wie ich!«

»Aber nicht so weise«, erwiderte Nobuhiko automatisch.

Saito klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Man hat mir von den Problemen erzählt, mit denen du konfrontiert warst. Und die du bewältigt hast. Ich bezweifle, dass ich imstande gewesen wäre, es besser zu machen.«

Nobu stand mitten im Büro. Sein Vater sah noch genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Die Erkenntnis, dass er selbst fast genauso ausschaute wie sein Vater, war fast ein Schock für Nobu.

Mit einem Gefühl der Nervosität und Unsicherheit wies Nobu auf den geschwungenen Schreibtisch. »Er hat die ganze Zeit auf dich gewartet, Vater.«

Saito wurde ernst. »Nein. Das ist nun dein Schreibtisch. Das ist dein Büro.«

»Aber …«

»Ich bin draußen«, sagte Saito. »Ich habe beschlossen zurückzutreten. Ich habe nicht die Absicht, wieder an die Arbeit zu gehen.«

Nobu blinzelte überrascht. »Aber das ist doch alles dein Werk, Vater. Es ist …«

Saito schüttelte den Kopf und wiederholte: »Ich bin draußen. Die Welt, in der ich lebte, existiert nicht mehr. Alle Menschen, dich ich kannte — alle meine Freunde, sie sind alle nicht mehr da.«

»Aber sie sind nicht alle tot.«

»Nein, aber die Jahre haben sie so verändert, dass ich sie wohl kaum wiedererkennen würde. Ich will nicht an ein Leben anknüpfen, das vorbei ist. Die Welt dreht sich weiter. Du bist nun für dieses Unternehmen verantwortlich, Nobu. Ich will damit nichts mehr zu tun haben.«

»Aber was willst du denn sonst tun?«, fragte Nobuhiko perplex.

Die Antwort war, dass Saito sich in ein Kloster hoch im Himalaja zurückzog, um sein Leben den Studien und der Kontemplation zu widmen. Es wäre kein größerer Schock für Nobu gewesen, wenn sein Vater stattdessen ein Serienmörder oder Kinderschänder geworden wäre.

Doch obwohl er seine Tage mit dem Schreiben der Memoiren ausfüllte (oder vielleicht gerade weil er begann, seine Memoiren zu verfassen), vermochte Saito Yamagata sich doch nicht ganz von dem Unternehmen zu lösen, dem er sein erstes Leben gewidmet hatte. Jedes Mal, wenn sein Sohn ihn anrief, lauschte Saito begierig den neusten Nachrichten und bot Nobuhiko dann das Geschenk seines Ratschlags an. Zuerst beargwöhnte Nobuhiko das anhaltende Interesse seines Vaters am Unternehmen. Allmählich lernte er jedoch dessen Weisheit zu schätzen und stützte sich schließlich sogar darauf.

Also flog Nobuhiko nun nach Patna, wo er an Bord eines firmeneigenen Kipprotor-Flugzeugs ging, um die letzte Etappe der Reise zu seinem Vater zu bewältigen. Videofon-Gespräche waren zwar schön und gut, doch ein persönliches Gespräch unter vier Augen, das zudem niemand zu belauschen vermochte, war durch nichts zu ersetzen.

Es war beißend kalt in den Beigen. Das Fluggerät wirbelte Schnee auf, als er sanft auf dem mit Schotter bedeckten Landeplatz außerhalb der grauen Klostermauern aufsetzte. Trotz des Kapuzenparkas war Nobu durchgefroren, als ein in eine safrangelbe Robe gehüllter Lama ihn durch die dicke Holztür in eine Halle mit polierter Eichentäfelung führte.

Saito wartete in einem kleinen Raum auf ihn, dessen einziges Fenster auf die schneebedeckten Berge hinausging. Ein niedriger Schleiflacktisch und zwei Kniematten waren das einzige Mobiliar, doch dafür knisterte ein wärmendes Feuer im Kamin. Nobu faltete dem Parka akkurat auf dem Boden zusammen, trat vor den Kamin und wärmte sich auf.

Sein Vater trug einen tiefblauen Kimono, der mit dem Emblem des fliegenden Kranichs der Yamagata-Familie verziert war; er wartete geduldig und schweigend, bis Nobu nervös wurde und sich vom Kamin abwandte. Dann begrüßte Saito seinen Sohn mit einer herzlichen Umarmung, die Nobu erfreute, obwohl sie ihm schier die Luft aus den Lungen presste. Eine bärige Umarmung in großer Höhe war selbst für den stärksten Mann zu viel des Guten.

»Du hast ein paar Kilo verloren«, sagte Saito und musterte seinen Sohn auf Armlänge. »Das steht dir gut.«

Nobuhiko quittierte das Kompliment mit einem Kopfnicken.

Saito klopfte sich auf den runden Bauch. »Ich habe sie mir zugelegt.« Er lachte herzhaft.

Nobu fragte sich, wie es möglich war, dass sein Vater in einem Kloster an Gewicht zunahm, und sagte: »Ich habe mit Martin Humphries gesprochen. Er scheint nicht zu wissen, dass wir die Afrikaner unterstützen.«

»Und Astro?«

»Pancho Lane hat eine Überprüfung von Nairobi Industries in die Wege geleitet. Sie hat aber nichts gefunden, was die Firma mit uns in Verbindung bringt.«

»Gut«, sagte Saito und kniete sich langsam und bedächtig auf eine Matte. Sie knirschte leicht unter seinem Gewicht. »Es ist besser, wenn niemand erfährt, dass wir den Weltraumbetrieb wiederaufnehmen.«

»Ich verstehe aber immer noch nicht, wieso wir unser Interesse an Nairobi Industries geheim halten müssen.« Nobu kniete sich auf die andere Matte und kam seinem Vater dabei so nah, dass er seine Aftershave-Lotion roch.

Saito tätschelte seinem Sohn das Knie. »Humphries Space Systems und die Astro Corporation kämpfen um die Kontrolle des Gürtels, nicht wahr? Wenn sie erfahren, dass Yamagata in Zukunft mit ihnen konkurrieren wird, werden sie sich vielleicht mit vereinten Kräften gegen uns wenden.«

Nobu schüttelte den Kopf. »Pancho Lane verachtet Humphries. Und der bringt ihr die gleichen Gefühle entgegen.«

»Sie mögen sich hassen«, gab Saito mit einem wissenden Lächeln zu bedenken, »aber ihre persönlichen Gefühle würden sie dennoch nicht davon abhalten, uns an einem Engagement im Gürtel zu hindern. Persönliche Gefühle sitzen im Geschäft immer in der zweiten Reihe, mein Sohn.«

»Vielleicht«, pflichtete Nobuhiko ihm bei.

»Arbeite über die Afrikaner«, riet Saito ihm. »Nairobi Industries soll eine Basis auf dem Mond errichten. Das wird unser Brückenkopf sein. Die Prospektoren-Schiffe und Erzfrachter, die sie in den Asteroidengürtel schicken, werden Yamagata Gewinne bescheren.«

»Ein Drittel unserer Profite geht aber an Humphries«, erinnerte Nobu seinen Vater.

Die schlechteste Nachricht, die Nobuhiko seinem Vater hatte verkünden müssen, war, dass Humphries damals, als die Firma durch die katastrophalen Auswirkungen des Treibhauseffekts am Rand des Bankrotts gestanden hatte, sich wieder in der Yamagata Corporation eingekauft hatte. Humphries besaß ein Drittel der Yamagata Corporation und versuchte diesen Anteil ständig auszubauen. Nobu hatte seinen ganzen Mut zusammennehmen müssen, um seinem Vater das zu beichten. Er befürchtete schon, es würde dem alten Mann das Herz brechen.