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Stattdessen hatte Saito die Nachricht mit stoischer Ruhe zur Kenntnis genommen. »Humphries hat die Situation eben zu seinem Vorteil genutzt«, sagte er.

»Er hat die Katastrophen, die Japan heimgesucht haben, zu seinem Vorteil genutzt«, erwiderte Nobu unmutig.

»Ja«, sagte Saito. Seine Stimme war ein leises Knurren. »Damit werden wir uns demnächst befassen müssen.«

Nobuhiko war noch nie so erleichtert und dankbar gewesen.

Saito ließ den Blick über die schneebedeckten Berge schweifen.

»Zunächst gilt es sicherzustellen, dass weder Humphries noch die Astro Corporation erfahren, dass wir uns im Gürtel etablieren wollen.«

Nobuhiko nickte zustimmend.

»Und die beste Möglichkeit, das zu erreichen«, fuhr Saito fort, »ist die, sie weiter gegeneinander antreten zu lassen.«

»Wir haben deinen Vorschlag befolgt und schon ein paar automatische Frachter von beiden Firmen zerstört. Pancho Lane macht natürlich Humphries dafür verantwortlich, und er wiederum sie.«

»Gut«, grunzte Saito.

»Von einem richtigen Kampf kann man aber nicht sprechen. Es gibt zwar ein paar Fälle von Piraterie im Gürtel, die hauptsächlich durch diesen Fuchs verübt werden, aber der ist ein Einzelgänger, den niemand unterstützt außer ein paar Felsenratten.«

»Dann ist er vielleicht der Schlüssel für die Situation.«

»Ich wüsste nicht wie«, sagte Nobu.

»Lass mich nachdenken«, erwiderte Saito. »Unser Ziel besteht darin, dass HSS und Astro gegeneinander in Stellung gehen. Fuchs könnte eine wichtige Rolle dabei spielen. Wenn wir es richtig anstellen, könnte er uns dabei helfen, diesen kalten Krieg zwischen Pancho Lane und Martin Humphries in einen größeren Konflikt zu verwandeln.«

»Einen größeren Konflikt?«, fragte Nobuhiko besorgt. »Du meinst richtige Kämpfe? Einen Krieg?«

»Unternehmertum ist eine Form der Kriegsführung, mein Sohn. Wenn Astro und Humphries sich da draußen im Gürtel bekämpfen, kann das nur zu unserem Vorteil sein.«

Nobuhikos Gedanken jagten sich, als er sich von seinem Vater verabschiedete. Humphries und Astro aufeinander hetzen. Ja, sagte er sich, das wäre in Yamagatas Interesse. Und dieser Exilant Fuchs könnte eine entscheidende Rolle dabei spielen.

Als er auf dem Anwesen der Familie in der Nähe von New Kyoto landete, war Nobuhiko geradezu verzückt über die Weisheit seines Vaters. Ein Krieg zwischen HSS und Astro. Nobu lächelte. Das Leben im Kloster hat das Herz des alten Mannes nicht erweicht. Und sein Gehirn auch nicht.

Habitat Chrysallis

Ursprünglich hatten die Prospektoren und Bergleute, die in den Gürtel kamen, im Innern von Ceres, dem größten Asteroiden gelebt. Ceres war von Lavaröhren und natürlichen Höhlen durchzogen und bot mit seinem Gestein einen guten Schutz gegen die harte Strahlung. Die minimale Schwerkraft des Asteroiden von nicht einmal der halben des Erdmondes hatte aber Probleme für die Bewohner geschaffen. Muskeln und Knochen wurden in der Mikro-schwerkraft geschwächt. Und mit jeder Regung in den Höhlen und Tunnels des Asteroiden — jedes Mal, wenn man einen Schritt auf dem Felsboden machte oder mit der Hand über eine Felswand streifte — wurde feiner, pulvriger schwarzer Staub aufgewirbelt, der in der geringen Gravitation ständig in der Luft hing. Der Staub war allgegenwärtig. Er reizte die Lungen und verursachte Hustenreiz. Er lagerte sich als feine schwarze Schicht in Geschirrschränken, auf Möbeln und auf der Kleidung ab, die in Kleiderschränken aufgehängt war.

Es war Lars Fuchs, der mit dem Bau des klapprigen Habitats begann, das schließlich von den Felsenratten den Namen Chrysallis erhielt. Als er noch mit seiner Frau Amanda auf Ceres lebte — bevor er ins Exil geschickt wurde und sie sich von ihm scheiden ließ und Humphries heiratete —, motivierte Fuchs seine Felsenratten-Kameraden, das Habitat zu bauen.

Die Felsenratten wussten aber, dass Fuchs' eigentliches Motiv die Gründung einer Familie war. Ein Habitat im Orbit um Ceres, das durch Rotation eine künstliche Schwerkraft erzeugte, wäre ein viel sicherer Ort für Kinder. Also kauften sie Raumschiffe und alte Schrottkähne auf, die von ihren Besitzern ausgemustert worden waren. Sie verbanden sie miteinander und bauten daraus im Orbit um Ceres eine radförmige Station, die die wachsende Population von Felsenratten zu beherbergen vermochte. Von außen sah die Raumstation aus wie ein rotierender Schrottplatz, doch das Innere war sauber, zweckmäßig und wurde durch die elektromagnetischen Abschirmungen vor harter Strahlung geschützt, mit denen jedes der ausgeschlachteten Schiffe ausgerüstet gewesen war.

Zu dem Zeitpunkt, als die Bewohner von Ceres ins Habitat umzogen und es auf den Namen Chrysallis tauften, hatte Fuchs seinen Einmann-Krieg gegen Humphries Space Systems bereits verloren und war aus dem Habitat vertrieben worden, das er gegründet hatte; und er hatte seine Frau an Martin Humphries verloren.

Big George Ambrose ließ diese traurige Geschichte Revue passieren, während sein Fusionsschiff sich Ceres näherte. Als er vor dem Anlegemanöver seine Hygieneartikel in den Kulturbeutel packte, warf er noch einen Blick auf die Wandbildschirm-Ansicht des Habitats. Chrysallis wuchs. Ein neuer Ring wurde um das alte kreisförmige Ensemble aus Raumschiffen gezogen. Der neue Ring sah schon eher aus wie ein richtiges Habitat: Die Felsenratten hatten nun genug Geld, um in richtige Ingenieursleistung und die gleiche Bauqualität zu investieren, durch die sich die Weltraum-Habitate in der Erde/Mond-Region auszeichneten.

Eines Tages werden wir den alten Schrotthaufen aufgeben, sagte George sich und wunderte sich zugleich über den Anflug von Sentimentalität. Es ist ein gutes Zuhause.

George Ambrose war ein großer, zottelbärtiger rothaariger Australier, der seine Karriere als Ingenieur auf der Mond-Basis begonnen hatte, lang bevor sie die unabhängige Nation Selene geworden war. Dann hatte er die Stelle in einer Wirtschaftskrise dieser frühen Tage verloren und war ein Flüchtling geworden — eine Unperson, die auf sich allein gestellt im Schattenreich des ›Monduntergrunds‹ überlebte. Schließlich war er Dan Randolph begegnet, der George wieder in die menschliche Gesellschaft integrierte. Als Randolph starb, war George längst eine erfahrene Felsenratte und durchpflügte die dunklen und einsamen Weiten des Gürtels auf der Suche nach Reichtümern. Schließlich wurde er zum Verwaltungschef von Ceres gewählt. Und nun kehrte er von Humphries' Wintersonnenwend-Feier zurück.

Er hatte den sechstägigen Rückflug in einer Liaison mit dem Triebwerksingenieur des Fusionsschiffs verbracht, einer reizvollen jungen Vietnamesin von außerordentlicher Schönheit, die zwischen leidenschaftlichen Liebesspielen über Fusionsraketensysteme sprach. George war von der unerwarteten Affäre völlig überrascht worden, bis er sich bewusst wurde, dass sie eigentlich eine Stelle auf einem Prospektoren-Schiff wollte — und eine Affäre mit dem Chef der Felsenratten-Gemeinschaft erschien ihr dabei als eine zielführende Maßnahme.

Na schön, sagte George sich, als er seine Reisetasche packte; es hat Spaß gemacht, solange es dauerte. Er sagte ihr, dass er sie ein paar Prospektoren vorstellen würde, die vielleicht einen Triebwerksingenieur brauchten. Trotzdem bereute er nun die Affäre. Ich bin manipuliert worden, sagte er sich. Doch dann grinste er wider Willen verschmitzt. Sie ist aber ziemlich gut im Manipulieren, gestand er ihr zu.

Nachdem er den Reißverschluss der Reisetasche zugezogen hatte, wies George den Bordcomputer an, alle für ihn eingegangenen Nachrichten anzuzeigen. Der Wandbildschirm bildete unverzüglich eine lange Liste ab. Er wusste, dass er in den letzten Tagen seine Pflichten vernachlässigt hatte. Als Chefverwalter ist man Vermittler, Entscheidender und sogar Beichtvater für alle und jeden in diesem abgefuckten Gürtel, sagte er sich grimmig.