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Eine Nachricht stammte von Pancho Lane.

Ebenso erstaunt wie neugierig rief George die Botschaft auf. Der Computer bildete jedoch nur kaleidoskopartige bunte Schlieren ab. Panchos Botschaft war zerhackt. George musste erst den Palmtop zur Hand nehmen und nach dem Decodierungs-Schlüssel suchen.

Schließlich füllte Panchos schmales Gesicht mit dem Pferdegebiss den Bildschirm aus. »Hi, George. Tut mir Leid, dass wir nicht mehr Zeit miteinander verbracht haben, bevor du wieder aufbrechen musstest. Ich möchte dich etwas fragen: Könntest du unter Umständen Kontakt zu Lars herstellen? Ich muss ihn sprechen.«

Der Bildschirm wurde wieder dunkel.

George starrte ihn nachdenklich an und fragte sich: Was bei allen Teufeln der Hölle sollte Pancho wohl mit Lars Fuchs zu besprechen haben?

Höllenkrater

Pancho musste immer grinsen, wenn sie an Pater Maximilian J. Hell dachte, den Jesuiten-Astronomen, nach dem dieser dreißig Kilometer durchmessende Mondkrater benannt worden war. Geschäftstüchtige Promotoren hatten sich diesen Namen zunutze gemacht und ein Vergnügungszentrum im ›Höllenkrater‹ errichtet, in dem es einfach alles gab — bis hin zu Spielkasinos und Etablissements mit der euphemistischen Bezeichnung ›Flitterwochen-Hotels‹.

Die Astro-Corporation war am Bau dieses Vergnügungszentrums beteiligt gewesen und hatte einen satten Gewinn dabei eingefahren. Pancho besuchte die ›Hölle‹ aber nicht, um Geschäftsinteressen zu verfolgen. Sie hatte eine Nachricht von Amanda erhalten, die sie im hiesigen Medizinischen Zentrum treffen wollte. Mandys Botschaft hatte einen höchst komplizierten Weg genommen: eingebettet in eine scheinbar unverfängliche Einladung zur Feier von Selenes Unabhängigkeitstag, die von keinem anderen als Doug Stavenger stammte.

Seit jener Weihnachtsfeier hatte Pancho immer wieder versucht, sich mit Amanda zu treffen und die Freundschaft zu erneuern, die abrupt abgebrochen war, als Mandy Humphries geheiratet hatte. Amanda erwiderte höflich auf jede von Panchos Einladungen, fand jedoch irgendwie immer eine Ausrede, um ein Treffen zu vereiteln. Mandy erwiderte auch nie in Echtzeit; ihre Botschaften waren vielmehr aufgezeichnet. Pancho musterte jedes Mal Amandas Gesicht und suchte nach Hinweisen auf ihre Gefühlslage und wieso sie sich nicht solange von Humphries lösen wollte — oder wahrscheinlicher konnte —, um mit einer alten Freundin zu Mittag zu essen.

Als Stavengers Videoeinladung nun auf Panchos Bildschirm erschien, war sie völlig perplex, als sein jugendliches Gesicht plötzlich verlief und Amandas Gesichtszüge annahm.

»Pancho, bitte triff mich am nächsten Mittwoch um elf Uhr dreißig im Fossel Medical Center

Dann verschwand ihr Bild, und Doug Stavenger lächelte sie wieder an. Pancho vermochte Mandys Botschaft auch nicht wieder aufzurufen. Sie war nicht mehr vorhanden.

Das wird ja immer merkwürdiger, sagte Pancho sich, als sie die Seilbahn von Selene nahm. Die Seilbahn war das billigste und effizienteste Transportsystem auf dem Mond. Raketen waren zwar schneller, und es gab auch einen regulären Raketenflugzeug-Pendelverkehr zwischen Selene und dem erdabgewandten wachsenden astronomischen Beobachtungs-Komplex auf der Seite des Mondes, doch die Seilbahn verlief bis zu den Ringwall-Bergen von Alphonsus, darüber hinweg und weiter bis nach Kopernikus, Hell und den aufblühenden Zentren, die auf der erdzugewandten Seite entstanden. Es gab sogar Pläne, Selene durch Seilbahn-Systeme mit den Stützpunkten zu verbinden, die in der Südpolregion errichtet wurden.

Eine Managerin von Panchos Rang hätte freilich auch die Fahrbereitschaft anrufen oder sogar mit dem firmeneigenen Raketenflugzeug nach Hell fliegen können. Doch das war nicht Panchos Stil. Sie genoss es, inkognito zu reisen und sich unters Volk von Selene — die verrückten Mond-Freaks — zu mischen. Zumal sie nicht die Aufmerksamkeit von Humphries' allgegenwärtigen Spionen darauf lenken wollte, dass sie buchstäblich zur Hölle ging.

Also jagte sie in zwanzig Metern Höhe über die flache, pockennarbige und geröllübersäte Oberfläche des Mare Nubium und fragte sich, was Amanda ihr zu sagen hatte. Das Innere der Seilbahn entsprach fast der Passagierkabine eines Raumschiffs, nur dass Pancho auf dem gepolsterten Sitz ein leichtes Schaukeln verspürte. Auf beiden Seiten der Kabine waren kleine Fenster, und vorn gab es zwei große, durch die Touristen oder Romantiker eine schöne Aussicht auf die unter ihnen vorüberziehende öde Mondlandschaft hatten. Wie hatten die alten Astronauten das gleich noch genannt, fragte Pancho sich. Dann fiel es ihr wieder ein: ›Eine grandiose Leere‹.

Die vorderen Plätze waren bereits besetzt; also ging Pancho wieder auf ihren Platz im hinteren Bereich und zog den Palmtop heraus. Da kann ich genauso gut noch etwas arbeiten, sagte sie sich. Doch sie musste immer wieder auf die Berge des Hochlands schauen, die hinter dem Horizont aufragten — sie waren scharf konturiert und kahl im grellen Sonnenlicht.

Kurz darauf verschwand das Fahrzeug in der gähnenden Luftschleuse des Hell-Kraters. Pancho eilte durch den Empfangsbereich auf den Hauptplatz. Die von einer Kuppel überwölbte Plaza war rund, wodurch sie noch größer wirkte als die Plaza in Selene. Pancho staunte über die Leute, die auf den von Sträuchern und Büschen gesäumten Wegen flanierten: ältere Paare, viele junge Singles, Familien mit herumtollenden Kindern. Die meisten Touristen stolperten trotz der Ballaststiefel, die sie sich ausgeliehen hatten, in der schwachen Mond-Schwerkraft herum. Nach den Katastrophen, die die Erde heimgesucht hatten, gab es offenbar immer noch genug reiche Leute, die die ›Hölle‹ als Ferienort bevorzugten.

Pancho schüttelte wehmütig den Kopf, als sie zum Medizinischen Zentrum ging, und dachte daran, dass das Hotel Luna in Selene praktisch bankrott war. Es genügte nicht, ein Fünf-Sterne-Hotel auf dem Mond anzubieten, wurde sie sich bewusst. Nicht mehr. Heutzutage musste man die Leute mit Spielkasinos, Prostitution und Freizeit-Drogen locken, damit sie die weite Reise auf sich nahmen und ihr Geld ausgaben. Natürlich nahm hier niemand Bargeld. Alle finanziellen Transaktionen wurden per Computer abgewickelt, sodass niemand über die Stränge schlug. Für eine Beteiligung von ein paar Prozent überwachte die Regierung von Selene den Komplex und achtete darauf, dass die Besucher auch das bekamen, wofür sie zahlten. Nicht mehr und nicht weniger. Selbst die Fundamentalisten in Selenes Population begrüßten diese Einkünfte, die die Steuern niedrig hielten — auch wenn sie sich über das Sündenbabel echauffierten.

Als Pancho durch den Eingang des Fossel Centers ging, sah sie sofort, dass die Klientel der Einrichtung fast ausschließlich aus zwei Menschentypen bestand: ältere Bürger mit chronischen Beschwerden und wunderschöne Prostituierte — Männer wie Frauen —, die sich regelmäßig untersuchen lassen mussten. Pancho trug zwar ein maßgeschneidertes Business-Kostüm, doch beim Anblick der herausgeputzten Frauen fühlte sie sich fast schäbig.

Sie ging zur Rezeption, die eigentlich nicht mehr war als ein paar in die Verkleidung der gewölbten Wand integrierte Flachbildschirme. Pancho suchte sich den Bildschirm mit der Kennzeichnung BESUCHER heraus und sagte langsam und deutlich ihren Namen.

»Sie werden in Raum 21-A erwartet«, sagte eine Computer-Stimme, und auf dem Bildschirm erschien ein Grundriss, auf dem Raum 21-A rot blinkte. »Folgen Sie bitte den roten Bodenleuchten.«

Pancho folgte den in den Boden integrierten Lampen und fand 21-A ohne Probleme. Zwei Sicherheitsleute standen im Korridor: ein Mann am einen Ende und eine Frau am anderen. Sie waren beide in schlichte Overalls gekleidet und gaben sich möglichst unauffällig. HSS-Informanten, vermutete Pancho.