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»Das könnte sich aber ändern.«

Humphries tat das mit einem schnaubenden Lachen ab. »Wenn ihre Basis hier auf dem Mond fertig gestellt ist und falls sie sich dann mit dem Gedanken tragen, in den Gürtel zu expandieren, werde ich schon alles in trockenen Tüchern haben. Sie haben verloren, ehe sie auch nur angefangen haben.«

Sie wirkte skeptisch, sagte aber nichts.

Humphries schlug die Hände zusammen. »Okay! Jetzt wird mit harten Bandagen gekämpft. Es sind alle Vorbereitungen getroffen. Wir vertreiben Astro ein für alle Mal aus dem Gürtel.«

Ferrer schien noch immer nicht begeistert. Sie erhob sich vom Stuhl und ging zur Tür.

Doch bevor sie das Büro noch halbwegs durchquert hatte, sagte Humphries: »Richten Sie Grigor aus, dass ich ihn sprechen will. In einer halben Stunde. Nein, sagen wir in einer Stunde.«

Und dann winkte er sie mit gekrümmtem Finger herbei. Pflichtschuldig drehte sie sich um und ging zurück zu ihm.

Er knöpfte ihr die Bluse auf.

Fusionsschiff Starpower III

Wie die meisten Fusionsschiffe hatte auch die Starpower III die Form einer Hantel — bauchige Treibstofftanks am einen Ende eines kilometerlangen Buckninsterfulleren-Kabels, das Wohnmodul am anderen und das Fusionstriebwerk in der Mitte. Das Schiff rotierte träge ums Zentrum und vermittelte der Besatzung und den Passagieren ein Gefühl der Schwerkraft.

Panchos Unterkunft an Bord ihres persönlichen Fusions-Schiffs war komfortabel, aber nicht luxuriös. Das Wohnmodul umfasste die Besatzungsquartiere, die Brücke, Arbeits- und Lagerräume sowie Panchos Privatkabine und noch dazu zwei Gästekabinen.

Pancho befürchtete, dass ihr einziger Gast auf dieser Reise von Ceres nach Selene die Contenance verlieren würde. Levi Levinson hatte sich überaus geschmeichelt gefühlt, als Pancho ihm sagte, dass sie ihn in Selene mit den dortigen Spitzen-Wissenschaftlern zusammenbringen wollte. »Zwei sind sogar im Nobel-Komitee«, hatte Pancho wahrheitsgemäß und mit großer Überzeugungskraft gesagt.

Levinson hatte unverzüglich eine Reisetasche gepackt und sie zum Fusionsschiff begleitet.

Als sie sich nun Selene näherten, brachte Pancho ihm die unangenehme Nachricht bei. Sie lud ihn zum Mittagessen in ihre Privatkabine ein und sah mit heimlicher Belustigung, wie er auf die Speisen starrte, die von zwei Küchenhilfen auf dem Tisch zwischen ihnen serviert wurden.

»Sie haben einen enormen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt«, sagte sie zu Levinson, nachdem die Küchenhilfen verschwunden waren. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Felsenratten auch Gebrauch von ihr machen werden.«

Schon der normale Gesichtsausdruck von Levinson erinnerte Pancho an ein Reh, das von den Scheinwerfern eines Autos gebannt wurde. Und nun wölbte er die Brauen noch höher als üblich.

»Keinen Gebrauch davon machen?«, fragte er und verharrte zitternd mit dem Suppenlöffel auf halbem Weg zwischen dem Teller und dem Mund. »Wie meinen Sie das?«

Pancho hatte die meiste Zeit des Tages damit verbracht, per Bündellaserverbindung mit Big George zu sprechen. George hatte mit dem Regierungsrat der Felsenratten eine Einigung erzielt. Sie würden alles ablehnen, was einen Preisverfall des von ihnen geschürften Erzes verursachen würde.

»Die Preise sind eh schon niedrig genug«, hatte George geknurrt. »Wir werden Pleite gehen, wenn sie noch tiefer fallen.«

Doch beim Blick in Levinsons fragendes Gesicht beschloss Pancho, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. Der Junge hat sich förmlich den Hintern abgearbeitet, um diesen Durchbruch zu erzielen, sagte sie sich, und nun musst du ihm klar machen, dass alles für die Katz war.

»Es ist das Sicherheitsproblem«, wiegelte sie ab. »Die Felsenratten sind wegen des Einsatzes von Nanos besorgt, die durch ultraviolettes Licht nicht unschädlich gemacht werden können.«

Levinson blinzelte, schlürfte seine Suppe und legte den Löffel hin. »Es könnten ein paar weitere Sicherheitsmechanismen ins System eingebaut werden«, sagte er.

»Glauben Sie?«

»Das Problem ist, dass die Nanos in einer Hochstrahlungs-Umgebung arbeiten müssen. Daher müssen sie gehärtet werden.«

»Und das macht sie gefährlich«, sagte Pancho.

»Eigentlich nicht.«

»Die Bergarbeiter glauben das aber.«

Levinson sog besorgt die Luft ein. »Wenn sie die Nanos sachgerecht behandeln, sollte es aber keine Probleme geben.«

Pancho lächelte ihn an wie eine Mutter. »Lev, sie sind Bergarbeiter. Felsenratten. Sicher, die meisten haben eine technische Ausbildung, aber sie sind keine Wissenschaftler wie Sie.«

»Ich könnte Protokolle für sie ausarbeiten«, nuschelte er fast wie im Selbstgespräch. »Sicherheitsprozeduren, an denen sie sich orientieren könnten.«

»Vielleicht könnten Sie das«, sagte Pancho vage.

Er starrte eine Weile in seine Suppe und schaute dann wieder zu ihr auf. »Heißt das, dass ich meine Arbeit nicht veröffentlichen kann?«

»Veröffentlichen?«

»Im The Journal of Nanotechnology. Es wird in Selene verlegt, und ich glaubte, dass ich bei meinem Aufenthalt dort die Redakteure treffen würde.«

Pancho dachte angestrengt nach. Eine wissenschaftliche Zeitschrift. Vielleicht wird sie nur von hundert Menschen im ganzen Sonnensystem gelesen. Aber einer von ihnen wird Humphries die Nachricht überbringen, dessen war sie sich sicher. Teufel, sagte sie sich, der Stecher weiß wahrscheinlich ohnehin schon Bescheid. Es passiert doch kaum etwas, von dem er nichts erfährt.

»Natürlich können Sie es veröffentlichen«, sagte sie leichthin. »Kein Problem.«

Ein jungenhaftes Lächeln erschien auf Levinsons Gesicht. »Oh, dann ist es in Ordnung. Solange ich nur meine Arbeit veröffentlichen kann und dafür Anerkennung bekomme, ist es mir egal, was die dummen Felsenratten tun.«

Pancho starrte ihn an und versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Wie so viele Wissenschaftler war der Junge ein Elitärer. Sie fühlte sich enorm erleichtert.

Dorik Harbin wusste alles über Sucht. Er war schon als Teenager in seinem Heimatdorf auf dem Balkan mit Drogen in Berührung gekommen. Die Erwachsenen verabreichten den Kindern nämlich Haschisch, bevor sie sie auf Missionen zur ethnischen Säuberung schickten. Während er die Leiter des organisierten Mordes und der Vergewaltigung erklomm, wurde sein Bedürfnis nach Drogen — und nach immer stärkeren Drogen — immer größer. Als Söldner im Dienste von Humphries Space Systems hatte er sich schon ein paar Mal einer Entziehungskur unterzogen, nur um dann wieder in die Sucht zurückzufallen. Ironischerweise stellten HSS-Mediziner die Substanzen im Rahmen des ›Incentive-Programms‹ der Firma bereit.

Zumal die HSS-Drogen auch viel besser waren: Designer-Drogen, maßgeschneidert für spezifische Bedürfnisse. Drogen, die einem halfen, wach und aufmerksam zu bleiben, wenn man auf der Suche nach Schiffen, die es zu zerstören galt, tage- und wochenlang allein im Gürtel unterwegs war. Drogen, die die Kampfkraft steigerten und einen wilder, zorniger und blutrünstiger machten, als ein Mensch es von Natur aus ist. Vor allem brauchte Harbin jedoch Drogen, die ihm vergessen halfen und die die Bilder von hilflosen Männern und Frauen ausblendeten, die aus Raumschiffwracks ins All geschleudert wurden, die in Rettungskapseln oder auch nur im Raumanzug dahintrieben wie zappelnde, bettelnde und entsetzte Staubflocken, bis der Tod ihre flehenden Stimmen verstummen ließ und sie in ewigem Schweigen durch den Raum drifteten.

Ein schwächerer Mensch wäre durch die Vergeblichkeit von alldem wohl in den Wahnsinn getrieben worden. Die medizinischen Experten von Humphries bemühten sich, Harbins Körper zu entgiften und den Blutstrom von den Molekülen des Rauschgifts zu reinigen. Dann verabreichten andere Spezialisten von Humphries ihm neue Medikamente, um ihm bei der Ausführung der Morde zu helfen, für die die Firma ihn bezahlte. Harbin lächelte grimmig angesichts der Ironie und erinnerte sich an Khayyams Worte: