Выбрать главу
Obwohl der Wein mich gar zum Sünder machte und mir mein Ehrenkleid geraubt, frag ich mich oft, was wohl die Winzer kaufen; es kann nicht halb so kostbar sein wie ihr Produkt.

Egal, welche und wie viele der im Labor entwickelten Drogen Harbin auch nahm, sie vermochten nicht seine Träume zu unterdrücken, vermochten nicht die Erinnerungen zu löschen, die seinen Schlaf in eine endlose Folter verwandelten. Er sah ihre Gesichter, die Gesichter all jener, die er im Lauf der Jahre getötet hatte: vor Schmerzen und Entsetzen verzerrt und von der plötzlichen Erkenntnis, dass ihr Leben zu Ende war — ohne Gnade, ohne Hoffnung auf Rettung oder Begnadigung oder auch nur auf einen Aufschub. Er hörte ihre Schreie im Schlaf.

Die Rache des Schwachen am Starken, sagte er sich. Aber er fürchtete sich vorm Schlaf, fürchtete sich vor dem flehenden Chor aus Männern und Frauen und Kindern.

Ja, Harbin wusste Bescheid über die Sucht. Er hatte es sich einmal erlaubt, abhängig von einer Frau zu werden, und sie hatte ihn verraten. Also hatte er sie töten müssen. Er hatte ihr vertraut, hatte in der Wachsamkeit nachgelassen und ihr erlaubt, seine tiefste Seele zu berühren. Er hatte sich sogar den Traum eines anderen Lebens gestattet, eines Lebens in Frieden und Sanftheit, in dem es ihm vergönnt war, zu lieben und geliebt zu werden. Und sie hatte ihn verraten. Als er ihr die Zunge aus dem Lügenmund riss, trug sie das Baby eines anderen Mannes.

Er schwor sich, diesen Fehler nie mehr zu begehen. Nie mehr einer Frau zu erlauben, ihm so nahe zu kommen. Niemals. Frauen waren etwas fürs Vergnügen, genauso wie manche Drogen es waren. Nicht mehr.

Und doch fesselte Leeza ihn. Sie zierte sich nicht, wenn Harbin mit ihr ins Bett gehen wollte; sie schien sogar geschmeichelt, dass der Kommandeur der wachsenden Basis auf Vesta überhaupt so viel Notiz von ihr nahm. Sie war anschmiegsam, liebenswert und beim Liebesspiel voller Leidenschaft.

Lass dich nicht mit ihr ein, rief Harbin sich selbst zur Ordnung. Und doch — während die Wochen in den öden und engen unterirdischen Verliesen von Vesta verstrichen, verbrachte er immer mehr Zeit mit ihr. Sie ließ ihn die Vergangenheit wenigstens für die Dauer eines angenehmen gemeinsamen Essens vergessen. Und wenn sie sich liebten, schien es ihr gar zu gelingen, die Zeit stillstehen zu lassen. Und sie vermochte Harbin sogar zum Lachen zu bringen.

Dennoch weigerte er sich, ihr Zugang zu seinen geheimsten Gedanken zu gewähren. Er weigerte sich, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, weigerte sich, überhaupt an eine Zukunft jenseits der Fertigstellung dieser Militärbasis auf Vesta zu glauben und an den Befehl von Martin Humphries, Lars Fuchs aufzuspüren und ihn zu töten.

Doch ersetzten bald neue Anweisungen die alten. Grigor sagte ihm, dass Humphries einen Großangriff auf die Schiffe der Astro Corporation verlangte.

»Vergessen Sie Fuchs für den Augenblick«, sagte Grigor. »Größere Pläne müssen verwirklicht werden.«

Harbin wusste, dass er abhängig von Leeza wurde, als er ihr sagte, dass er mit den neuen Befehlen nicht einverstanden war.

Sie lag neben ihm im Bett und hatte den verwuschelten Kopf auf seine Schulter gelegt; das einzige Licht im Raum war das Glühen des Sternenlichts auf dem Wandbildschirm, der die Kameraperspektive des Weltraums an der Oberfläche von Vesta zeigte.

»Humphries bereitet sich darauf vor, Krieg gegen Astro zu führen?«, fragte Leeza. Ihre Stimme war so sanft wie Seide in der sternenhellen Dunkelheit.

Obwohl Harbin wusste, dass er ihr eigentlich nicht so viel preisgeben sollte, sagte er: »Es sieht so aus.«

»Wird das nicht gefährlich für dich?«

Es war schwer, mit ihrem Kopf auf der Schulter die Achseln zu zucken. »Ich werde schließlich dafür bezahlt, Risiken einzugehen.«

Sie schwieg für einen Moment. Dann sagte sie: »Du könntest viel mehr bekommen.«

»Ja? Und wie?«

»Die Yamagata Corporation würde dir genauso viel zahlen wie HSS«, sagte sie.

»Yamagata?«

»Und gleichzeitig könntest du das Gehalt von Humphries weiter beziehen«, merkte Leeza mit einem leisen schelmischen Kichern an.

Er drehte sich zu ihr um und zog die Brauen zu einem Strich zusammen. »Wovon sprichst du überhaupt?«

»Yamagata will dich anstellen, Dorik.«

»Woher willst du das denn wissen?«

»Weil ich für sie arbeite.«

»Für Yamagata?«

»Ich erledige den Job, den für Humphries zu erledigen ich angestellt wurde, und beziehe dafür mein Gehalt von HSS. Und ich berichte, was hier geschieht, an Yamagata, und man zahlt mir dafür den gleichen Betrag wie HSS. Ist das nicht toll?«, fragte sie mit diebischer Freude.

»Es ist Verrat«, sagte Harbin schroff.

Sie stützte sich auf den Ellbogen. »Verrat? Gegenüber einem Unternehmen?«

»Das ist nicht richtig.«

»Die Loyalität zu einer Firma ist eine Einbahnstraße, Dorik. Humphries kann dich entlassen, wann immer es ihm in den Sinn kommt. Es ist doch nichts dabei, sich ins gemachte Bett fallen zu lassen, wenn man die Gelegenheit dazu hat.«

»Wieso ist Yamagata überhaupt an mir interessiert?«

»Sie wollen wissen, was Humphries tut. Ich stehe in der Hierarchie zu tief, um ihnen das ganze Bild zu vermitteln. Du bist die Quelle, die sie brauchen.«

Harbin legte sich wieder aufs Kissen; seine Gedanken jagten sich.

»Du musst ja nichts gegen HSS unternehmen«, drängte Leeza ihn. »Alles, was Yamagata will, sind Informationen.«

Fürs Erste, sagte Harbin sich. Dann lächelte er in der Dunkelheit. Sie war genauso wie alle anderen. Ein Verräter. Fast war er erleichtert, dass er keine emotionale Bindung zu ihr hatte.

SIEBEN MONATE SPÄTER

Das Humphries-Anwesen

»Wie geht es ihr?«, fragte Martin Humphries mit belegter Stimme, in der Vorfreude und Besorgnis gleichermaßen mitschwangen.

Die Geburtshelferin, die in der holografischen Abbildung auf einem Stuhl vor Humphries' Schreibtisch saß, machte einen entspannten und gelassenen Eindruck.

»Es wird noch ungefähr eine Stunde dauern, Mr. Humphries«, sagte sie. »Vielleicht auch länger. Das Baby wird kommen, wenn es bereit ist, das Licht der Welt zu erblicken.«

Humphries trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Erst ist das Balg drei Wochen zu früh dran, und nun lässt es sich auch noch Zeit mit der Geburt.

»Sie können nichts anderes tun, als zu warten«, sagte die Ärztin. »Mrs. Humphries steht unter dem Einfluss ziemlich starker Beruhigungsmittel.«

»Beruhigungsmittel?«, platzte Humphries alarmiert heraus. »Wieso? Auf wessen Anordnung? Ich wollte eine natürliche Geburt. Ich habe Ihnen doch gesagt …«

»Sir, sie war bereits sediert, als Ihre Leute sie hier einlieferten.«

»Das ist unmöglich!«

Die Geburtshelferin zuckte die Achseln. »Ich war auch überrascht.«

»Ich komme sofort rüber«, sagte Humphries schroff.

Er unterbrach die Verbindung, ehe die Geburtshelferin noch etwas zu erwidern vermochte, und erhob sich vom Bürostuhl. Unten in der Halle hatte er einen Kreißraum für Amanda einrichten lassen. Er war zwar nicht darauf erpicht, einer so enervierenden, blutigen und schmerzhaften Angelegenheit wie einer Geburt beizuwohnen, doch die Behauptung der Geburtshelferin, dass Amanda sediert sei, alarmierte ihn. Sie sollte doch keine Drogen mehr nehmen. Sie hat es mir versprochen, erinnerte Humphries sich, und Zorn stieg in ihm auf. Sie hat mir versprochen, keine Medikamente zu nehmen, solange sie meinen Sohn austrägt.

Humphries rannte das kurze Stück von seinem Büro zum Kreißraum.

Sie hat wieder Drogen genommen, wurde er sich bewusst. Ich habe sie schon drei-, nein, viermal auf eine Entziehungskur geschickt, und sie hat schon wieder welche genommen, obwohl sie schwanger war. Sie schert sich einen Dreck um meinen Sohn oder um mich. Sie und ihre verdammte Sucht. Wenn sie meinem Sohn damit geschadet hat, werde ich sie töten.