Nobuhiko Yamagata hatte Pancho drei militärische Berater empfohlen: einen japanischen Söldner, der in Kleinkriegen von Indonesien bis Chiapas in Mexiko gekämpft hatte; eine Schwedin, der es gelungen war, eine multinationale Streitmacht zu organisieren, die den Aufruhr im südlichen Afrika niederschlug, und Hard-Ass Jake. Die beiden ersteren hatten die Erde noch nie verlassen; Wanamaker hingegen hatte schon ein paar Einsätze an Bord einer Raketenabwehr-Raumstation im Erdorbit hinter sich. Außerdem war Jacob Wanamaker Admiral der US-Marine gewesen, bevor er den Posten bei der IPF annahm, und Pancho glaubte, dass der Kampf im Weltraum eine größere Ähnlichkeit mit einem Seekrieg als mit Bodenoperationen hätte.
Nachdem sie die drei Kandidaten persönlich interviewt hatte, war Jake mit Abstand ihr Favorit. Er war offen und machte kein Hehl aus seiner mangelnden Weltraum-Erfahrung, doch schimmerte hinter seiner Höflichkeit und den guten Umgangsformen die Zähigkeit durch, für die er berühmt war. Pancho hatte Männer wie ihn gesehen, als sie im Westen von Texas aufgewachsen war.
»Es geht vor allem darum«, sagte er ihr mit seiner rauen Stimme, »die Kommunikationswege zu kontrollieren. Und um das zu erreichen, brauchen Sie bewaffnete Schiffe und Stützpunkte, wo sie mit Nachschub versorgt und repariert werden können.«
Pancho nickte. »Hört sich teuer an.«
Wanamakers wettergegerbtes Gesicht kündete von harter und leidvoller Erfahrung. »Kriege sind nie billig, Ms. Lane. Sie kosten viel Blut und viel Geld. Eine Menge Geld.«
»Das muss trotzdem aufregend sein«, sagte sie, um ihn aus der Reserve zu locken.
Wanamaker sah sie prüfend an. »Aufregend? — Wenn Sie es für lustig halten, sich in die Hose zu scheißen, weil Sie schon in der nächsten Millisekunde getötet werden könnten … jawohl, dann könnte man das aufregend nennen.«
In diesem Moment entschied Pancho sich dafür, Jacob Wanamaker anzuheuern.
Und nun saßen sie im ansonsten leeren Sitzungsraum und entwickelten eine Strategie.
»HSS hat eine große Basis auf Vesta«, sagte Pancho. »Was wollen wir diesbezüglich unternehmen — sie angreifen?«
Wanamaker schürzte die Lippen und sagte dann mit seiner Sandpapierstimme: »Es hat wenig Sinn, sie anzugreifen, wo sie sich bereits eingegraben und eine starke Verteidigung aufgebaut haben. Das würde zu hohe Verluste fordern.«
»Aber diese Basis ist das Zentrum ihrer ganzen Operationen im Gürtel.«
»Dann neutralisieren Sie sie. Stationieren Sie einen Schiffsverband in der Nähe — nah genug, um Schiffe nach oder von Vesta abzufangen, aber doch so weit entfernt, dass sie nicht in die Reichweite der stationären Abwehr des Asteroiden geraten.«
Pancho nickte.
Wanamaker war nun wieder ganz in seinem Element; er gestikulierte mit den großen Händen und formte sie zu einer imaginären Sphäre.
»Reden wir Klartext«, sagte er. »Wieso stellen Sie nicht drei oder vier Ihrer bewaffneten Schiffe ab, panzern sie mit Asteroidengestein und stationieren sie in einem sicheren Abstand um Vesta? Sie hätten dadurch mehr Feuerkraft als jedes einzelne HSS-Schiff und obendrein ein strategisches Übergewicht.«
»Es wäre eine Art Blockade, richtig?«, fragte Pancho.
Wanamaker grinste sie schief an. »Sie lernen ziemlich schnell.«
Der Überschwang, den Pancho wegen seines Lobes verspürte, verflog schnell wieder. »Aber dann wird Humphries seine Schiffe doch auch in Gruppen losschicken anstatt einzeln, nicht wahr?«
»Ja, die Bildung von Geleitzügen wäre der Gegenzug.«
»Das würde das Ausmaß der Kämpfe vergrößern.«
»Und verteuern.«
Plötzlich sank ihre Stimmung.
Wanamaker reagierte sofort auf ihren Stimmungsumschwung. »Sehen Sie, Ms. Lane …«
»Pancho«, korrigierte sie abwesend.
»Okay, dann Pancho. Sherman hatte Recht: Der Krieg ist die Hölle. Keine Frage. Er kostet so viel Geld und Blut. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Ihre Differenzen mit Humphries beizulegen — irgendeine Möglichkeit —, dann sollten Sie sie nutzen und das Blutvergießen vermeiden.«
Sie schaute ihm in die ernsten braunen Augen und sagte: »Das versuche ich schon seit über acht Jahren, Jake. Es gibt aber keine Möglichkeit — außer man räumt Humphries die vollständige Kontrolle über den Gürtel ein, was die vollständige Kontrolle über das ganze Sonnensystem bedeuten würde. Das werde ich nicht zulassen. Das kann ich nicht.«
Er blies die Backen zu einem gewichtigen Seufzer auf. »Dann werden wir kämpfen müssen.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Pancho düster.
»Sie wissen, Kriege werden in erster Linie durch die Moral der kämpfenden Truppe gewonnen. Kaum eine Einheit kämpft bis zum letzten Mann oder bis zur letzten Patrone. Schon gar nicht Söldner, wie Sie sie einsetzen. Irgendeiner kommt immer zu dem Schluss, dass es hoffnungslos sei und gibt auf, bevor er noch getötet wird.«
»Oder irgendeine«, sagte Pancho.
Er pflichtete ihr mit einem Kopfnicken bei. »Kämpfe werden im Kopf und im Herzen gewonnen, Pancho. Kriege auch. Der Sieger ist immer derjenige, der sich die Niederlage nicht eingestehen will.«
Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück, streckte die langen Beine aus und starrte auf die glatte weiße Decke des Vorstandszimmers.
»Humphries ist ein sturer Hundesohn«, sagte sie. »Zumal er selbst nie kämpft. Er sitzt sicher und gemütlich in seinem Haus im tiefsten Untergeschoss und gibt die Befehle.«
»Und bezahlt die Rechnungen«, fügte Wanamaker hinzu.
Pancho starrte ihn an.
»Um diesen Krieg zu gewinnen, müssen wir dafür sorgen, dass eine Fortsetzung zu teuer für ihn wird.«
»Das bedeutet, dass er für Astro auch teuer wird, und ich habe einen Vorstand, dem gegenüber ich mich rechtfertigen muss. Humphries hingegen kann sich über seinen Vorstand hinwegsetzen.«
Wanamaker nickte verständnisvoll. »Dann werden Sie sich eben auch mit Ihrem Vorstand auseinander setzen müssen«, erwiderte er. »Nur weil Sie an der Spitze der Befehlskette stehen, heißt das noch lange nicht, dass Sie alles auf Ihre Kappe nehmen müssen, Pancho.«
Sie versuchte zu lächeln. »Ich glaube, der Preis von Rohstoffen aus dem Gürtel wird demnächst steigen.«
George wurde von Panchos Nachricht überrascht.
»Gib Vollgas bei der Nanoverarbeitung«, sagte sie todernst. »Wir müssen die Kosten für die Ausbeutung der Asteroiden unbedingt reduzieren.«
George musterte ihr Bild auf dem Wandbildschirm seines Wohnzimmers und wurde nicht ganz schlau aus ihr. Erst sagt sie, dass Nanoverarbeitung den Markt ruinieren würde, und nun kann es ihr gar nicht schnell genug gehen. Was ist nur los mit ihr?
Panchos nächster Satz erklärte es zumindest teilweise. »Es kommen hohe Kosten auf Astro zu, Georgie. Wir müssen alles tun, um die Kosten zu senken und möglichst viel Gewinn mit dem Bergbaubetrieb zu erzielen, damit wir für die kommenden Herausforderungen gerüstet sind.«
»Vor welchen Herausforderungen stehen wir denn?«, fragte George Panchos Bild.
Sie vermochte natürlich nicht zu antworten — jedenfalls nicht binnen einer Stunde oder so, aber George befürchtete, dass er die Antwort ohnehin schon wusste. Sie werden es auskämpfen, sagte er sich. Keine vereinzelten Scharmützel mehr; sie werden einen totalen Krieg führen. Und sie werden es genau hier im Gürtel tun.
»Noch etwas«, fuhr Pancho fast ohne eine Atempause fort. »Lars ist da draußen in größerer Gefahr als je zuvor. Sag ihm, dass es Zeit für ihn wird, aus der Kälte zu kommen. Ich vermag ihm eine neue Identität zu geben, mit der er hier in Selene leben kann oder auch wieder auf der Erde, wenn er das möchte. Er muss den Gürtel zu seiner eigenen Sicherheit verlassen.«