»Sowohl Astro als auch HSS heuern unsere Leute als Unterstützung bei den Kämpfen an«, fügte Nobu hinzu. »Wir verdienen Geld an ihrem Krieg.«
Der Anflug eines Lächelns erschien in Saitos bisher so ernstem Gesicht.
Ermutigt fuhr Nobu fort: »Ich glaube, dass wir uns allmählich fragen sollten, wie und wann wir losschlagen.«
»Noch nicht.«
»Wenn wir die eine oder andere Seite unterstützen, wird diese Seite den Krieg zweifellos gewinnen.«
»Ja, ich verstehe«, sagte der Alte. »Aber es ist noch zu früh. Sie sollen sich noch weiter abnutzen. Astro und HSS verbuchen jetzt schon riesige Verluste wegen dieses Krieges. Sie sollen noch tiefer in die roten Zahlen kommen, bevor wir unseren Zug machen.«
Nobu pflichtete ihm mit einem Kopfnicken bei. »Was meinst du, wen sollten wir unterstützen?«, fragte er dann. »Wenn die Zeit kommt, natürlich.«
»Keinen.«
»Keinen? Aber ich dachte …«
Saito hob gebieterisch die Hand. »Wenn der richtige Moment kommt, wenn Astro und Hurnphries am Rand des Zusammenbruchs stehen, werden wir zuschlagen und die Kontrolle über den Gürtel übernehmen. Unsere Söldnereinheiten, die ihnen derzeit dienen, werden dann Flagge zeigen. Der Kranich von Yamagata wird seine Schwingen über den ganzen Asteroidengürtel ausbreiten und auch über Selene.«
Nobu staunte über die großartige Vision seines Vaters.
Er hätte eigentlich einen erholsamen Urlaub im Hotel Luna genießen sollen, doch Lars Fuchs erholte sich nicht.
In seiner Verkleidung als Karl Manstein bediente Fuchs sich vom Spesenkonto, das Pancho ihm bereitgestellt hatte, als ob es ein Füllhorn wäre. In Wirklichkeit schrumpfte es wie eine Sandburg, die von der heranrauschenden Flut geschleift wurde. Das Hotel Luna mochte seine besten Zeiten hinter sich haben und durch die paar Touristen am Bankrott vorbeischrammen, aber die Preise hatten noch immer Fünf-Sterne-Niveau. Frischer Fisch aus den hoteleigenen Zuchtteichen, Mietflügel, mit denen man sich durch Muskelkraft wie ein Adler in der Grand Plaza emporschwingen konnte, geführte Wanderungen über den rissigen, narbigen Boden des Alphonsus-Ringwalls, wo das Wrack der primitiven Raumfähre Ranger 9 unter einer Schutzkuppel aus klarem Glasstahl stand — all diese Dinge kosteten Geld, und das nicht zu knapp.
Obwohl Fuchs/Manstein den Touristenattraktionen entsagte und so bescheiden wie möglich speiste, war eine Suite im Hotel Luna unerhört teuer. Er verbrachte jeden wachen Moment damit, den Grundriss von Selene zu studieren, die Tunnels und Wohnräume, die Büros und Werkstätten und die Maschinen und Anlagen, die die unterirdische Stadt mit Atemluft und Trinkwasser versorgten. Insbesondere versuchte er alles über die unterste Ebene von Selene herauszufinden — die große natürliche Felsenhöhle, die Martin Humphries in einen Garten Eden und ein luxuriöses Heim für sich selbst umgestaltet hatte.
Über das Haus vermochte er nichts in Erfahrung zu bringen. Humphries' Sicherheitsdienst hielt den Grundriss und die Daten der Lebenserhaltungssysteme unter Verschluss. Fuchs musste sich damit begnügen, sich jedes Detail der Rohrleitungen und Elektroinstallationen einzuprägen, die zur Grotte führten. Ab dem Punkt, wo sie in Humphries' privates Reservat mündeten, waren keine Informationen über die Rohrleitungen und Kabelstränge mehr verfügbar. Das wird vielleicht schon genügen, sagte Fuchs sich. Vielleicht wird das genügen.
Er widmete sich verbissen seinem Auftrag, füllte den ganzen Tag mit seinen Studien aus und sagte sich hundertmal in der Stunde, dass er einen Weg finden würde, Martin Humphries zu töten.
Des Nachts, wenn er von der Arbeit so erschöpft war, dass ihm schier die Augen zufielen, kehrte die Wut zurück. Er und Amanda waren einmal im Hotel Luna abgestiegen. Sie hatten sich in einem Zimmer wie diesem geliebt, in dem er sich nun befand. In den seltenen Momenten, wo er wirklich Schlaf fand, träumte er von Amanda und erlebte ihre Leidenschaft noch einmal. Und dann wachte er auf, beschämt und klebrig von seinen kurzen Träumen.
Ich bin nur etwa einen Kilometer von Humphries entfernt, sagte Fuchs sich immer wieder. Nah genug, um ihn zu töten. Bald. Sehr bald.
Fusionsschiff Samarkand
»Vierzehn Schiffe, Sir. Bestätigt«, sagte Harbins Pilot. Auf der Brücke der Samarkand drängten sich Pilot, Funktechniker, Waffenmeister, der Erste Offizier und Harbin selbst, der auf dem Kommandantensitz saß. Sie alle steckten in klobigen, unförmigen Raumanzügen. Der Navigationsoffizier war in eine rückwärtige Kabine verbannt worden und stand über Interkom mit der Brücke in Verbindung.
»Eine beachtliche Flotte«, murmelte Harbin.
Seine eigene Streitmacht bestand aus nur drei Schiffen. Obwohl er viel lieber allein gearbeitet hätte, war Harbin sich bewusst, dass der Krieg weit über das Stadium hinaus eskaliert war, wo einzelne Schiffe sich gegenübergestanden hatten. Er war nun der Kommandant eines Trios von Schiffen, ein Yamagata-Angestellter, der unter einem Vertrag zwischen HSS und Yamagata für Humphries arbeitete.
»Sie haben uns entdeckt«, sagte der Funktechniker mit singender Stimme. »Radarkontakt.«
»Leiten Sie einen Azimut von null fünfzehn Grad ein und halten Sie eine konstante Steigung aufrecht. Beschleunigung auf ein Viertel Ge erhöhen.«
»Sie verfolgen uns.«
»Gut.«
Laser waren die Waffen, die Raumschiffe gegeneinander einsetzten. Noch auf eine Distanz von tausend Kilometern vermochten die energiereichen Strahlen binnen einer Sekunde oder noch weniger die ungeschützte Hülle eines Raumschiffs zu perforieren. Panzerung war die Antwort auf Energiewaffen: Die Hüllen der Kriegsschiffe wurden nun mit Asteroiden-Geröll überzogen. Und in Selene wurden Schiffe der neusten Generation aus reinem Diamant gebaut, der von Nanomaschinen aus Kohlenstoff erzeugt wurde.
Harbin wusste aber, dass es auch Waffen gegen gepanzerte Schiffe gab, und lockte die aus vierzehn Schiffen bestehende Armada der Astro Corporation in eine Falle.
Der HSS-Nachrichtendienst hatte Harbin mit ausführlichen Informationen über die Astro-Schiffe, ihren Einsatzplan und — am wichtigsten — ihren Kommandeur versorgt. Harbin war Reid Gormley zwar nie begegnet, wusste jedoch, dass der kleinwüchsige Astro-Befehlshaber gern mit einer deutlichen zahlenmäßigen Überlegenheit in die Schlacht zog.
Vierzehn Schiffe gegen drei, sagte Harbin sich. Deutlich überlegen. Deutlich.
»Lassen Sie sie nicht entkommen!«, blaffte Gormley und beugte sich auf dem Kommandantensitz seines Flaggschiffs, der Antares, angespannt nach vorn.
»Wir gleichen uns ihrem Geschwindigkeitsvektor an, Sir«, sagte sein Navigationsoffizier.
Wie ihre Beute hatten auch Gormleys Leute ihre Raumanzüge angezogen. Es bestand die Möglichkeit, dass ein Schiff im Kampf getroffen wurde und Luft verlor; die Anzüge waren eine notwendige Vorsichtsmaßnahme, auch wenn sie eine Beschwernis darstellten. Gormley fühlte sich im Raumanzug unwohl und hielt ihn im Grunde auch für unnötig. Aber die Vorschrift verlangte diese Vorsichtsmaßnahme, und er befolgte gehorsam jede Vorschrift.
»Ich will sie einholen. Erhöhen Sie die Geschwindigkeit. Geben Sie das auch an die anderen Schiffe weiter.«
»Wir sollten eine Sonde vorausschicken, um zu sehen, ob sich weitere feindliche Schiffe außerhalb des Erfassungsbereichs unseres Radars befinden«, sagte Gormleys Erster Offizier, ein spindeldürrer pechschwarzer Sudanese, der noch nie zuvor im Kampfeinsatz gewesen war.
»Unser Radar vermag sogar Krater auf den Jupitermonden zu erfassen«, sagte Gormley schroff. »Sehen Sie vielleicht was da draußen außer den drei Schiffen, die wir jagen?«
»Nein, Sir«, erwiderte der Sudanese unbehaglich und schaute auf den Radarschirm. »Nur ein paar kleine Felsbrocken.«