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Also musste Wanamaker trotz der rein symbolischen Wachen, die lediglich mit Handfeuerwaffen an der Doppeltür der Kommandozentrale postiert waren, nicht befürchten, hier in Selene angegriffen zu werden. Er ging durch die Tür und den Hauptgang entlang zu seinem Büro, wobei die Leute ihn im Chor mit »Guten Morgen, Admiral« grüßten und salutierten. Wanamaker erwiderte korrekt jeden Gruß: Disziplin beruht auf gegenseitigem Respekt, fand er.

Wanamakers Büro war spartanisch eingerichtet. Das schlachtschiffgraue Metallmobiliar war streng zweckmäßig. Die einzigen Dekorationen auf den Wänden waren Urkunden, die er im Lauf seiner Dienstjahre erworben hatte. Die Monitore an der Wand waren dunkel, während seine Leute sich allmählich einfanden und ihre Plätze am verschrammten alten Konferenztisch einnahmen, der an Wanamakers Schreibtisch stieß. Er hatte das Inventar von einem Führungsschiff für amphibische Landungsoperationen mitgenommen, auf dem er sein letztes Kommando geführt hatte.

Er verbrachte den Morgen damit, Panchos Idee einer Blockade von HSS-Erzfrachtern in einen konkreten Plan umzusetzen.

»Unbemanntes Schiff?« fragte einer seiner Offiziere.

»Ohne Besatzung«, korrigierte Wanamaker ihn. »Wird von hier aus ferngesteuert.«

»Hier in Selene?«, fragte einer der weiblichen Offiziere. »Werden Stavenger und der Regierungsrat damit einverstanden sein?«

»Solange wir keine Gewalt in Selene ausüben«, erwiderte Wanamaker kalt lächelnd. »Und was sie nicht wissen, macht sie auch nicht heiß«, merkte er an.

»Es wird nicht leicht sein, die kleinen Roboter zu bauen und zu starten, ohne dass Stavengers Leute davon erfahren.«

»Wir können sie ohne weiteres in Astros Fabriken an der Oberfläche bauen und dann mit Astro-Boostern starten. Es besteht keine Notwendigkeit, schlafende Hunde in Selene zu wecken.«

Die Offiziere am Konferenztisch wechselten Blicke, während Wanamaker sie hinterm Schreibtisch beobachtete. Allmählich begreifen sie, worum es geht, sagte er sich. Ich frage sie nicht erst nach ihrer Meinung, sondern ich sage ihnen, dass sie den Plan umsetzen müssen.

»Nun«, sagte sein Leitender Ingenieur, »wir können die kleinen Dinger ohne weiteres bauen. Es ist keine große Sache, einen schweren Laser mit einem Kommunikationssystem und einer Lage- und Bahnregelung zu koppeln.«

»Gut«, sagte Wanamaker.

Allmählich freundeten die restlichen Anwesenden sich mit der Idee an.

»Wie lang wird es dauern?«, fragte er schließlich.

»Die ersten könnten schon in zwei Wochen einsatzbereit sein«, sagte der Ingenieur.

Wanamaker verdoppelte die Schätzung insgeheim.

»Einen Moment«, wandte die Nachrichten-Offizierin, eine pummelige Armenierin mit langem dunklen Haar und noch dunkleren Augen, ein. »Jeder dieser Vögel wird Sensoren brauchen, um potenzielle Ziele zu identifizieren und die Laser auszurichten.«

»Keine Sorge«, sagte der australische Elektronik-Offizier. »Das schaffen wir in Nullkommanix. Ein Kinderspiel.«

»Zumal die Vögel von hier aus mit menschlichen Gehirnen in der Schleife bedient werden«, setzte der Ingenieur hinzu.

Die Nachrichten-Offizierin wirkte noch immer skeptisch, erhob aber keine weiteren Einwände.

»In Ordnung«, sagte Wanamaker schließlich. »Machen wir uns an die Arbeit. Fix. Die Zeit läuft uns davon.«

Damit war die Sitzung beendet. Als die Stabsoffiziere zur Tür gingen, rief Wanamaker die Nachrichten-Offizierin noch einmal zu sich an den Schreibtisch.

»Setzen Sie sich, Willie«, sagte er und wies auf den Stuhl auf der linken Seite des Schreibtisches. Er wusste, dass sie es nicht mochte, bei ihrem richtigen Namen — Wilhelmina — genannt zu werden. Was manche Eltern ihren Kindern antun, sagte sich Wanamaker.

Sie setzte sich mit einem neugierigen, etwas beunruhigten Blick.

Wanamaker holte tief Luft und sagte: »Wir werden ein Ablenkungsmanöver brauchen.«

»Sir?«

»Humphries hat uns im Gürtel vernichtend geschlagen, und es wird Monate dauern, bis wir wieder zu einem Gegenschlag in der Lage sind.«

»Aber Jess sagte doch, dass die ersten Roboter schon in zwei Wochen einsatzbereit wären«, erwiderte die Nachrichten-Offizierin.

»Zwei Wochen plus Murphys Gesetz«, sagte Wanamaker.

Ihre dunklen Augen funkelten verstehend. »Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen.«

»Besonders im Krieg. Ich weiß, dass die Leute ihr Bestes geben werden, aber ich glaube nicht, dass wir vor Ablauf eines Monats in der Lage sein werden, diese robotischen Systeme gegen HSS einzusetzen.«

»Ich verstehe«, sagte sie.

»In der Zwischenzeit müssen wir ein Ablenkungsmanöver durchführen. Etwas, das die HSS-Leute etwas aufmischt und wachrüttelt und ihnen zeigt, dass wir uns nicht geschlagen geben.«

»Und was für eins?«

Er grinste sie schief an. »Genau darüber sollen Sie sich Gedanken machen, mein Mädchen.«

Sie lächelte nicht. »Ich werde mein Bestes tun, Sir.«

Asteroid 73-241

Levinson fühlte sich ausgesprochen unwohl im Raumanzug. Es war schon schlimm genug, mit dem schwer gepanzerten Behälter mit Nanomaschinen, die er im HSS-Labor in Selene fabriziert hatte, zu diesem einsamen Felsen mitten im Nichts fliegen zu müssen. Und nun musste er auch noch wie ein Profi-Astronaut das Schiff verlassen und die Mannschaft beaufsichtigen, die ihn begleitete.

»Ich?«, hatte er alarmiert gefragt, als Vickie Ferrer ihm eröffnet hatte, dass Martin Humphries das selbst so angeordnet hätte: Lev sollte das Experiment persönlich beaufsichtigen.

»Sie«, hatte sie mit seidenweicher Stimme geantwortet. »Es ist zu Ihrem Vorteil, den Auftrag selbst auszuführen. Wieso sollte jemand anders die Lorbeeren dafür ernten?«

Während er an der Halteleine, die an der Luftschleuse des Schiffes befestigt war, schwerelos zwischen dem langsam rotierenden Fusionsschiff und dem plumpen dunklen Asteroiden hing, wurde Lev sich bewusst, dass Vickie mit ihm wie mit einer Marionette gespielt hatte. Das verführerische Lächeln, das tiefe Dekolleté, die rauchige Stimme und die vagen Hinweise, was alles möglich wäre, wenn er mit den Nanomaschinen Erfolg haben würde, hatten ihn hierher geführt — in diese dunkle und kalte Leere, von Angesicht zu Angesicht mit einem hässlichen, pockennarbigen Felsbrocken von der Größe eines Fußballfelds.

Wenn ich zurückkomme, wird sie auf mich warten. Das hat sie jedenfalls versichert. Ich werde einen großen Erfolg vermelden, und sie wird dann so beeindruckt sein, dass sie alles tut, was ich will.

Durch Ferrers vage Verheißungen motiviert, hatte Levinson die Laborarbeiten zügig abgeschlossen. Die Produktion von Nanomaschinen, denen ultraviolettes Licht nichts anzuhaben vermochte, war keine große Leistung; man musste sie nur sicher aufbewahren, damit sie sich nicht selbständig machten und alles auffraßen, was ihnen in den Weg kam. Und nachdem er das vollbracht hatte, hatte Ferrer ihm gesagt, dass er in den Gürtel fliegen und das Experiment persönlich überwachen müsse.

Da bin ich nun, sagte er sich und schauderte im Raumanzug. Es ist so völlig leer hier draußen! Obwohl sein Verstand und Wissen ihm sagten, dass der Asteroidengürtel größtenteils leerer Raum war, empfand er die Dunkelheit und Stille als beunruhigend. Als ob man in einem Fußballstadion der einzige Zuschauer wäre, sagte er sich. Als ob man allein in einer leeren Stadt wäre.

Da waren natürlich noch die Sterne, aber durch sie mutete die Szenerie Levinson umso gespenstischer an. Der Himmel war von Myriaden Sternen übersät, sodass die alten, vertrauten Sternbilder, die er von der Erde kannte, in der schieren Menge untergingen. Und sie blinkten nicht einmal. Sie hingen nur dort oben wie stumme Beobachter — wie Augen, die ernst auf ihn herabschauten.