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»Es ist eine Möglichkeit, nicht wahr?«, fragte sie.

»Vermutlich.«

Tashkajian wartete einen Moment und sagte dann: »Ich habe mich mit Ihrem Auftrag für ein Ablenkungsmanöver befasst, Sir.«

»Ist das ein Themenwechsel?«

»Nicht ganz, Sir.«

»Machen Sie weiter«, sagte Wanamaker mit leicht verwirrtem Blick.

»Angenommen, wir greifen die HSS-Basis auf Vesta an«, sagte sie.

»Der größte Teil davon ist unterirdisch«, sagte Wanamaker. »Sie haben sich tief eingegraben und sind gut bewaffnet.«

»Ja, Sir, ich verstehe. Aber sie haben trotzdem bestimmte Anlagen auf der Oberfläche des Asteroiden. Funkantennen. Startrampen. Luftschleusen ins Innere. Sogar ihre Defensiv-Laserwaffen. Sie sind alle an der Oberfläche.«

»Und?«

»Also bestreuen wir die Oberfläche mit Nanomaschinen, die Metalle fressen.«

Wanamakers Augen flackerten. Bei seinem versteinerten Gesicht vermochte sie nicht zu sagen, ob er nun beeindruckt oder angewidert war.

»Die Nanomaschinen würden metallene Strukturen zerstören und sogar den Asteroiden selbst zerfressen. Das würde zwar nicht das Ende der Basis bedeuten, aber es würde den Betrieb sicher stören. Es wäre die Ablenkung, auf die Sie angespielt haben.«

Er schwieg für eine Weile. »Und wie sollen wir ein Schiff nah genug an Vesta heranführen, um diesen Coup zu landen?«, fragte er schließlich. »Sie würden das Schiff atomisieren, ehe es nah genug herankommt, um ihnen irgendwie gefährlich zu werden.«

»Ich glaube, auch dafür habe ich eine Lösung gefunden, Sir.«

Er sah, dass sie todernst war. Sie hätte das nicht zur Sprache gebracht, wenn sie nicht schon einen fertigen Plan hätte, wurde er sich bewusst.

»Fahren Sie fort«, sagte er.

»Wir schicken das Schiff hin, wenn gerade ein Sonnensturm losbricht.«

Wanamaker blinzelte. »Glauben Sie etwa …« Seine Stimme erstarb.

»Ich habe die Zahlen überprüft, Sir.« Mit wachsender Zuversicht fuhr sie fort: »Ein Sonnensturm der Stärke Vier emittiert eine riesige Wolke ionisierter Partikel. Sie stört die Kommunikation auf allen Frequenzen, einschließlich des Radars! Ein Schiff könnte sich in der Wolke verbergen und somit nahe genug an Vesta herankommen, um die Nanomaschinen auszusetzen.«

»Protuberanzen stören aber keine Laserstrahlen«, wandte er sofort ein.

»Ja, Sir, ich weiß. Aber Laserscans werden in der Regel nicht dafür verwendet, Raumfahrzeuge aufzuspüren — es sei denn, das Radar hat ein Ziel aufgefasst. Laserscans werden nur zur Identifikation eines unbekannten Radarechos verwendet.«

»Der Flug in einer Strahlenwolke ist aber ein verdammt großes Risiko.«

»Nicht, wenn das Schiff gut abgeschirmt ist, Sir.«

Er verstummte und dachte noch einmal darüber nach.

»Der Strahlensturm würde das ganze HSS-Personal von Vestas Oberfläche vertreiben. Weil sie dann alle tief im Untergrund wären, würden unsere Nanomaschinen die Oberflächen-Anlagen zerstören, ohne Menschenleben zu fordern.«

Wanamakers Versuch, grimmig zu schauen, misslang. Vielmehr musste er sich ein Lächeln verkneifen. »Ein humaner Angriff gegen den Feind.«

»Ein Ablenkungsmanöver, das die Basis auf Vesta zumindest vorübergehend außer Gefecht setzen und die Dominanz von HSS über den Gürtel schwächen würde, Sir.«

»Falls der Sonnensturm stark genug ist, um Ihnen die benötigte Wolke zu bescheren«, gab er zu bedenken.

»Deshalb bin ich überhaupt erst auf diese Idee gekommen«, sagte sie sichtlich aufgeregt. »Wir sind mitten in einer Periode verstärkter Sonnenaktivitäten. Viele Sonnenflecken und viele Protuberanzen.«

Er nickte knapp. »Ich möchte die Zahlen sehen.«

»Ja, Sir!«

Habitat Chrysallis

Victoria Ferrer fühlte sich ausgesprochen unwohl im Habitat der Felsenratten, das sich in einer Umlaufbahn um den Asteroiden Ceres befand. Obwohl sie so dezent wie möglich gekleidet war, hatte sie trotzdem das Gefühl, dass jede ihrer Bewegungen beobachtet wurde.

Das Habitat selbst war recht bequem. Es herrschte hier die gleiche Schwerkraft wie auf dem Mond oder zumindest fast die gleiche, sodass sie keinen Unterschied bemerkte. Als Gast hatte Ferrer eine kleine, aber gut ausgestattete Kabine für sich allein; und die angrenzende Kabine stand ihr als Büro zur Verfügung. Es gab eine Küche im nächsten Segment des Habitats und sogar ein passables Restaurant auf der anderen Seite der radförmigen Konstruktion. Mit ihrem Spesenkonto konnte sie es sich leisten, die meisten Mahlzeiten im Restaurant einzunehmen.

Ferrer hatte immer geglaubt, dass die Felsenratten schmuddelige, zudringliche Rocker-Typen wären; Prospektoren und Bergleute am Rand der menschlichen Zivilisation, schräge Vögel, die in der riesigen dunklen Leere des Gürtels ihr einsames Dasein fristeten und in einer Welt voller Gefahren überlebten. Zu ihrer Überraschung stellte sie jedoch fest, dass die meisten Einwohner von Chrysallis Ladenbesitzer, Buchhalter und Techniker waren, die im Service-Bereich arbeiteten. Sogar die echten Bergarbeiter und Prospektoren hatten eine technische Ausbildung genossen. Sie bedienten komplizierte Ausrüstung im Gürtel; sie mussten schließlich wissen, wie man ein Raumschiff am Laufen beziehungsweise Fliegen hielt, wenn das nächste Depot oder eine Reparaturwerft Millionen Kilometer entfernt war.

Aber sie starrten sie an. Sogar im schlichten Overall, den sie bis zum Kinn zugeknöpft hatte, spürte sie ihre Blicke auf sich. Frischfleisch, sagte sie sich. Ein neues Gesicht. Ein neuer Körper.

Sie war in doppelter Mission auf Ceres. Einmal rekrutierte sie aus der wachsenden Zahl arbeitsloser Bergarbeiter und Prospektoren Personal für die Söldnerarmee, die für den Krieg benötigt wurde. Und sie wartete auf die Rückkehr von Levinson und seiner Nanotech-Mannschaft, um die Ergebnisse ihres Feldversuchs auf einem realen Asteroiden zu sehen.

Es war ein Kinderspiel gewesen, Levinson bei der Stange zu halten. Bei jedem Treffen starrte er sie hungrig wie ein junger Hund an. Wenn er als strahlender Sieger zurückkehrt, wird er eine Belohnung von mir erwarten, sagte Ferrer sich. Es wird dann nicht mehr so leicht sein, ihn abzuwimmeln. Aber wenn er Erfolg hatte, kann ich ihn freundlich abblitzen lassen und ihm eine andere Frau schmackhaft machen. Es gibt weiß Gott genug Frauen hier auf Ceres, die glücklich wären, mit einem Wissenschaftler anzubandeln der sie zurück zur Erde mitnimmt.

Sie versuchte, die Besorgnis wegen Levinson zu verdrängen und sich auf den arbeitslosen Bergmann zu konzentrieren, der ihr am Schreibtisch gegenübersaß. Der gepflegte junge Mann versuchte zwar krampfhaft, sie nicht anzustarren, doch seine Augen wanderten immer wieder zur Vorderseite ihres formlosen Rundhalspullovers zurück. Mama und ihre verdammte Gentechnik, sagte Ferrer sich. Ich hätte alte Schlabber-Sweatshirts, oder noch besser, einen Raumanzug mitbringen sollen.

Sie hielt das Vorstellungsgespräch auf einer rein geschäftlichen Ebene, ohne andere Aspekte einfließen zu lassen. Humphries hatte sie hierher entsandt, um Leute für HSS-Schiffe zu rekrutieren, und sie war an nichts anderem interessiert.

»Ich verstehe Ihre Bedenken nicht«, sagte sie zu dem Bergmann. »Wir bieten Ihnen ein Spitzengehalt und noch dazu Sozialleistungen.«

Er machte einen guten Eindruck, sagte Ferrer sich: Er war frisch rasiert und mit einer gebügelten Hose und einem kragenlosen Hemd bekleidet. Sein Dossier auf dem Computer-Bildschirm sagte ihr, dass er Diplom-Ingenieur war und die letzten vier Jahre als Bergarbeiter unter Vertrag mit der Astro Corporation gearbeitet hatte. Er war vor einem Monat entlassen worden und hatte noch keinen neuen Job gefunden.

Er rutschte nervös auf dem Stuhl herum und erwiderte: »Sehen Sie, Ms. Ferrer, was hätte ich von dem hohen Gehalt und den Zulagen, wenn ich tot bin?«