Als sie die Doppeltüren des Studios aufstießen und auf den Gang hinaustraten, sagte Wajir: »Wenn es um diesen Unfall mit der Starlight geht …«
»Unfall?«, sagte Elgin schroff. »Das ist eine Tragödie. Sieben unschuldige Menschen wurden getötet, darunter ein Baby.«
»Wir haben die Geschichte gebracht, Edie. Bis ins kleinste Detail.«
»Für einen Tag.«
Wajir war einmal schlank wie ein Langstreckenläufer gewesen, doch in den Jahren am Schreibtisch — oder an einem Restaurant-Tisch — hatte er Fett angesetzt. Dennoch war er ein paar Zentimeter größer als Elgin und richtete sich nun zu seiner vollen Höhe auf.
»Edie«, sagte er, »wir sind im Nachrichtengeschäft, und die Starlight ist Schnee von gestern. Es sei denn, Sie wollen auf die Tränendrüse drücken. Nur dass es keine Verwandten gibt, die Sie zu Tränen rühren könnten. Ein Begräbnis gibt es auch nicht. Die Leichen sind inzwischen weiß Gott wohin abgedriftet.«
Edith war ihr übliches fröhliches Lächeln längst abhanden gekommen. Sie war todernst, als sie durch den Gang an den Glaswänden der Schnitt- und Aufnahmestudios vorbeigingen.
»Es ist auch nicht nur diese eine schreckliche Tragödie, Andy«, sagte sie. »Es findet ein Krieg statt, und wir berichten nicht darüber. Es fällt kaum ein Wort darüber in den Medien.«
»Was erwarten Sie denn? Niemand interessiert sich für einen Krieg zwischen zwei Konzernen.«
»Es interessiert sich niemand dafür, weil wir den Leuten die Nachrichten vorenthalten, die sie brauchten, um sich dafür zu interessieren!«
Sie hatten das Büro von Wajir erreicht. Er öffnete die Tür und bedeutete ihr einzutreten. »Es hat keinen Sinn, sich im Gang zu streiten, wo jeder uns hören kann«, sagte er.
Edith trat ein und setzte sich auf einen der großen Polsterstühle vor seinem repräsentativen Schreibtisch aus gentechnisch erzeugtem Teakholz. Anstatt sich auf seinen Drehstuhl zu setzen, hockte Wajir sich auf die Kante des Schreibtisches — nah genug an Edith, um regelrecht vor ihr zu dräuen.
»Das hatten wir doch schon alles durchgekaut, Edie. Die Nachrichtennetze auf der Erde sind an diesem Krieg einfach nicht interessiert. Er findet am Arsch des Universums im Asteroidengürtel statt und wird von Söldnern ausgetragen, und wen, zum Teufel, juckt das? Niemanden. Niemand auf der Erde kümmert sich darum.«
»Aber wir sollten dafür sorgen, dass man sich darum kümmert«, insistierte sie.
»Wie denn?«, rief er. »Was müssen wir tun, um ihr Interesse zu wecken? Sagen Sie's mir, und ich werde es tun.«
Edith wollte ihm schon eine schroffe Antwort geben, doch dann verkniff sie es sich. Sie schaute zu Wajir auf, der sich über sie gebeugt hatte; sein ebenholzfarbenes Gesicht wurde von einem Stirnrunzeln zerfurcht. Er ist seit langer Zeit ein Freund, sagte sie sich. Mach ihn dir nicht zum Feind.
»Andy« sagte sie leise, »diese Katastrophe der Starlight ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Krieg breitet sich über den Gürtel hinaus aus. Es kommt hierher, ob uns das gefällt oder nicht.«
»Gut. Dann können wir darüber berichten.«
Vor Überraschung klappte ihr die Kinnlade herunter, und die Brauen gingen in die Höhe.
»Ich bin nicht zynisch«, erklärte er schnell. »Es ist uns nur nicht möglich, vom Gürtel zu berichten.«
»Wenn es am Geld liegt, könnte ich vielleicht …«
Wajir schüttelte heftig den Kopf. »Es liegt nicht am Geld. Der Gürtel wird von den Konzernen kontrolliert. Astro und HSS haben ihn unter sich aufgeteilt.«
»Es gibt doch noch die Unabhängigen.«
»Ja, aber es herrscht Krieg zwischen Astro und HSS, und niemand will, dass Berichterstatter dort herumschnüffeln. Sie werden hier nicht mit uns sprechen, und sie werden uns auch nicht zum Gürtel mitnehmen.«
»Dann werde ich eben gehen«, hörte Edith sich sagen.
Wajir wirkte erschüttert. »Sie?«
»Ich war schließlich auch mal Reporter, damals in der Steinzeit«, sagte sie und lächelte zum ersten Mal.
»Man wird nicht mit Ihnen sprechen, Edie.«
»Ich werde ein Schiff der Unabhängigen nehmen«, sagte sie leichthin. »Ich werde nach Chrysallis fliegen und die Felsenratten dort interviewen.«
Er schürzte die Lippen, rieb sich die Nase und schaute zur Decke empor. »Den großen Jungs wird das ganz und gar nicht gefallen.«
»Sie meinen die großen Konzerne?«
Wajir nickte.
»Es ist mir egal, ob ihnen das gefällt oder nicht. Ich werde mit einem Schiff der Unabhängigen dorthin reisen. Vielleicht lässt Sam Gunn mich in einem seiner Schiffe mitfliegen.«
»Falls er überhaupt noch eins hat«, murmelte Wajir. »Er geht durch den Krieg Bankrott.«
»Schon wieder? Er geht doch ständig Bankrott.«
»Im Ernst, Edie«, sagte er, »das könnte gefährlich werden.«
»Niemand wird der Frau von Douglas Stavenger etwas antun. Es hat einige Vorteile, mit einem mächtigen Mann verheiratet zu sein.«
»Vielleicht«, gestand Wajir ihr zu. »Vielleicht. Aber es gefällt mir trotzdem nicht. Ich glaube, dass Sie einen Fehler machen.«
Ich will verdammt sein, wenn das nicht derselbe Kerl ist, der mich damals im Büro besucht hatte, sagte Pancho sich, als sie auf die holografische Abbildung des stattlichen Nairobi-Managers schaute. Sie war im Büro des Kommandanten des Astro-Stützpunkts, das er ihr für die Dauer ihres Besuchs in der südpolaren Anlage zur Verfügung gestellt hatte. Pancho lehnte sich auf dem knarrenden, ungewohnt starren Stuhl zurück und las den Namen des Manns, der unter seinem zufrieden lächelnden Konterfei eingeblendet wurde: Daniel Jorrio Tsavo.
»Ms. Lane«, sagte er und schaute angenehm überrascht, »was für ein unerwartetes Vergnügen.«
Er sah noch so gut aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte; nur dass er anstatt eines konservativen Geschäftsanzugs nun einen abgetragenen Overall trug; die Ecke eines Palmtops lugte aus der Brusttasche hervor. Er macht sich die Hände schmutzig, sagte sich Pancho, was ihn nur noch sympathischer machte.
»Sie sind der Leiter des Nairobi-Stützpunkts?«, fragte Pancho ihn.
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Nach meinem Besuch bei Ihnen erteilten meine Vorgesetzten mir den Auftrag, den Bau unserer hiesigen Einrichtungen zu leiten.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Pancho.
»Sie glaubten wohl, es sei billiger, mich hier zu behalten als wieder zurückzuholen«, sagte er selbstironisch.
»Dann sind Sie also die ganze Zeit hier unten am Südpol gewesen.«
»Ja, das stimmt. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie auch zu den Bergen des Ewigen Lichts gekommen waren«, sagte Tsavo.
»Ich bin runtergekommen, um meinen Leuten auf die Finger zu schauen«, flunkerte sie, »und sagte mir, ich könnte vielleicht auch mal schauen, wie Sie so zurechtkommen.«
»Auf jeden Fall! Es wäre mir eine Ehre, Sie in unserer bescheidenen Einrichtung zu begrüßen, Ms. Lane.«
Sie schaute ihn stirnrunzelnd an. »Finden Sie nicht, dass Sie mich nun Pancho nennen könnten?«
Er gluckste und wandte scheinbar verlegen den Blick von ihr ab. »Ja, ich glaube schon … Pancho.«
»Gut! Wann kann ich rüberkommen, Daniel?«
Für einen Moment wirkte er fast bestürzt, doch er fing sich schnell. »Ähem … unsere Einrichtungen sind nicht eben luxuriös, Pancho. Sehen Sie, wir hatten in nächster Zeit keine so illustren Gäste erwartet, und …«