Und welche Risiken bist du bereit, für deine Rache auf dich zu nehmen, fragte er sich. Du hast drei Menschen bei dir; Humphries hat eine Armee von Sicherheitsleuten da unten in seinem Herrenhaus. Wie kannst du auch nur daran denken, zu ihm zu gelangen? Es gibt niemanden in Selene, der dir helfen würde. Niemand im ganzen Sonnensystem würde einen Finger für dich rühren, außer Pancho — und die ist seine Gefangene oder vielleicht schon tot.
Fuchs unterbrach plötzlich seinen Marsch. Er stand einem großen Wandbildschirm gegenüber, der an der Seite einer großen tuckernden Wasserpumpe aufgestellt war. Der Monitor war auf Gummistoßdämpfern gelagert, um ihn von der unablässig vibrierenden Pumpe zu entkoppeln. Im schwachen Schein einer entfernten Deckenlampe sah Fuchs sein Spiegelbild auf dem dunklen Bildschirm: ein kurzer, stämmiger Mann mit einer Tonnenbrust, kurzen Armen und Beinen, einem schwarzen Zottelbart und tiefliegenden Augen, die wie Zwillings-Laser glühten. Er war mit einer formlosen schwarzen Hose und einem Pullover bekleidet, beide schwarz wie der Tod.
Genug der Überlegungen, sagte er sich. Genug der Planung. Hol Sanja und die anderen und schlag zu. Heute Abend. Entweder stirbt Humphries heute Abend oder ich. Er lächelte fast. Möglicherweise wir beide.
Die Kopfschmerzen verschwanden mit der Ungewissheit.
»Es war wirklich ein ausgezeichnetes Essen«, sagte Pancho, während Tsavo sie den Gang entlangführte. »Sie haben auch hervorragende Mitarbeiter. Es war mir ein großes Vergnügen, mich mit ihnen zu unterhalten.«
Tsavo strahlte bei ihrem Kompliment. »Ich freue mich, dass es Ihnen gefallen hat.«
Beim Essen hatte er schließlich erfahren, dass Nobuhiko Yamagata in letzter Minute vorm Einsetzen des Sonnensturms gelandet war und sofort zu seinem Verhörtrupp gestoßen war. Nun sagte die elektronische Stimme, die in seinem linken Ohr wisperte, dass er Pancho zu ihrer Unterkunft bringen und sie einschlafen lassen solle. Um ihr beim Einschlafen zu helfen, hatten Yamagatas Leute ein starkes Beruhigungsmittel in die Champagnerflasche gespritzt, die auf Panchos Nachttisch stand.
»Es ist wirklich ein erfreulicher Besuch«, sagte Pancho. »Ich bin froh, dass ich gekommen bin.«
»Sie werden natürlich über Nacht bleiben«, sagte Tsavo mit einem gekünstelten Lächeln.
Pancho grinste ihn auch an. Er war etwa einen Zentimeter größer als sie mit ihrer schlaksigen Statur, und sie mochte große Männer.
»Ich würde liebend gern über Nacht bleiben, Dan, aber ich muss zu meinen Leuten zurück, Sie erwarten mich.«
»Aber der Sturm«, sagte er eindringlich. »Die Oberflächen-Aktivitäten sind alle ausgesetzt, bis die Strahlung wieder auf den Normalwert zurückgegangen ist.«
»Sollte das Essen etwa diesen Zweck gehabt haben?«, fragte Pancho launig. »Mich so lang hier zu behalten, bis der Sturm losbricht?«
Er schien betroffen. »Aber nein! Überhaupt nicht. Doch wo er nun losbricht, werden Sie die Nacht über hier bleiben müssen.«
Sie sagte nichts, als er sie noch ein paar Schritte durch den mit Teppichboden ausgelegten Gang führte und an einer nicht markierten Tür anhielt. Er schob sie auf und geleitete sie in ein kleines, aber behagliches Schlafzimmer; in der Ecke stand ein kleiner Schreibtisch, darüber war ein Wandbildschirm, der die Außenansicht der Basis zeigte. Pancho sah ein paar Raumboote, einschließlich des grünen Geräts, mit dem sie eingeflogen war. Und ein Zubringerschiff des Typs, der Personen von Schiffen im Orbit auf Planeten brachte; das war allerdings noch nicht da gewesen, als sie gelandet war. Im hellen Sonnenlicht sah sie, dass das Schiff von himmelblauer Farbe war.
Dann sah sie, dass ihre Reisetasche ungeöffnet auf dem Bett lag. Und da stand eine Flasche in einem Kühler auf dem niedrigen Tisch vorm Sofa.
»Champagner«, bemerkte sie. »Und zwei Gläser.«
Tsavo setzte einen verschämten Blick auf. »Schon bevor der Sturm aufzog, hatte ich gehofft, dass Sie die Nacht bleiben würden.«
»Mir scheint nichts anderes übrig zu bleiben. Ich sollte aber meine Leute in Malapert anrufen und ihnen Bescheid sagen, dass alles in Ordnung ist.«
Er zögerte, als würde er innerlich mit sich ringen. Pancho vermochte die gewisperten Instruktionen nicht zu hören, die er bekam.
»In Ordnung«, sagte er und ließ wieder dieses hinreißende Lächeln aufblitzen. »Ich muss nur das Nachrichtenzentrum anrufen.«
»Bitte.«
Er ging zum Telefon auf dem Schreibtisch, und auf dem Wandbildschirm erschien plötzlich das Bild eines Mannes, der an einer Konsole saß und ein Kopfbügelmikrofon im dichten dunklen Haar hatte.
»Leider stört der Sonnensturm zurzeit den Funkverkehr, Sir.«
Tsavo wirkte ungehalten. »Können Sie denn keine Laser-Verbindung herstellen?«
»Unsere Laserausrüstung funktioniert zurzeit nicht, Sir«, sagte der Kommunikationstechniker ungerührt.
»Dann stellen Sie die Funktionsfähigkeit wieder her«, sagte Tsavo heftig. »Und geben Sie mir sofort Bescheid, wenn sie wieder funktioniert.«
»Ja, Sir.« Der Wandbildschirm wurde dunkel.
Pancho schürzte die Lippen und zuckte die Achseln. »Dann werden meine Leute in Malapert ohne mich auskommen müssen, bis der Sturm abflaut.«
Tsavo wirkte zufrieden. »Möchten Sie ein Glas Champagner?«, fragte er lächelnd.
Flaggschiff Samakand
Harbin flog zur HSS-Basis auf Vesta zurück. Die Samarkand war aus dem einseitigen Kampf gegen den Astro-Frachter auch nicht unbeschadet hervorgegangen. Das gelöste Gestein und der Schutt des Schutzschildes hatten Teile des Rumpfs verbeult, sodass die Samarkand nun ungepanzert und eine leichte Beute für jedes Kampfschiff war, das ihr begegnete.
Er war auch wegen der Strahlenabschirmung des Schiffes besorgt. Die Diagnosesysteme zeigten zwar an, dass das System ordnungsgemäß funktionierte. Dennoch zog er es in Anbetracht des aufziehenden Sonnensturms vor, im sicheren Untergrund von Vesta zu sein, wenn er losbrach.
Trotzdem ließ er seine zwei anderen Schiffe die Jagd durch diese Region des Gürtels fortsetzen, während er zwecks Überholung nach Vesta zurückflog.
Ein paar Tage Instandsetzung und Wartung sind jetzt genau das Richtige, sagte Harbin sich. Außerdem geht mir der Stoff aus. Ich werde bei der Apotheke Nachschub anfordern müssen.
Er übergab das Kommando an seinen Ersten Offizier und verließ die Brücke, schlüpfte durch die Luke und ging den kurzen Gang zu seinem Privatquartier. Er öffnete den Arzneischrank und ließ den Blick über die Ampullen und Spritzen schweifen. Der Bestand geht zur Neige, sagte er sich. Aber er reicht noch, um mich über die nächsten Nächte zu retten. Genug, um mich schlafen zu lassen, wenn es sein muss.
Er griff nach einem Fläschchen, doch bevor er es zu fassen bekam, summte das Interkom.
»Sir, wir haben ein Ziel«, sagte die Stimme des Ersten Offiziers. »Glaube ich zumindest«, fügte sie hinzu.
Harbin schlug die Tür des Medizinschranks zu. »Glauben Sie?«, schrie er ins Mikrofon, das in die Decke integriert war.
»Es hat eine seltsame Signatur, Sir.«
Blöde Gans, sagte Harbin sich. »Ich komme sofort«, sagte er laut.
Kochend vor Wut ging er zur Brücke. Ich kann mich nicht auf diese Mannschaft verlassen. Ohne mich kriegen die nichts geregelt. Sie sind sogar zu blöd, allein aufs Klo zu gehen.
Als er jedoch auf den Kommandantensitz glitt, sah er, dass die Abbildung auf dem Hauptschirm tatsächlich verschwommen und undeutlich war.
»Maximale Vergrößerung«, befahl er.
»Ist schon maximale Vergrößerung«, erwiderte die Funk-Technikerin. Sie starrte ebenfalls auf den Bildschirm, wobei ein verwirrtes Stirnrunzeln ihren blassen nordischen Teint zerfurchte.