»Lars Fuchs«, sagte Harbin unversöhnlich. Dieser sture Hund bringt mich noch zur Weißglut, sagte er sich. Er spürte, wie die Wut im tiefsten Innern aufkeimte wie heiße Magma, die sich einen Weg an die Oberfläche bahnte.
»Lars ist nicht hier!«, beteuerte Ambrose. »Er ist nicht einmal in der Nähe! Wir haben den armen, verdammten Bastard vor Jahren verbannt. Er ist hier eine Persona non grata.«
Harbin beugte sich auf dem Sitz vor; die Augen verengten sich zu Schlitzen, und die Hände ballten sich zu Fäusten. »Sie haben eine halbe Stunde, um Fuchs auszuliefern. Wenn Sie ihn mir bis dahin nicht überstellt haben, werde ich Ihr schönes Habitat und jeden darin vernichten.«
Selene: Douglas Stavengers Quartier
Doug Stavenger saß angespannt im Sessel am einen Ende des Wohnzimmersofas. Im dazu passenden Sessel am anderen Ende saß Pancho Lane. Zwischen ihnen saß Martin Humphries auf dem Sofa, unter einem echten Bonestell-Gemälde einer schlanken Rakete auf der zerklüfteten Oberfläche des Mondes.
Pancho wirkt müde, sagte Stavenger sich — wie eine Gazelle in der Falle. Die Hose ihres türkisfarbenen Kostüms verbarg den Verband um den linken Knöchel.
Humphries schaut auch besorgt, wurde er sich bewusst. Ich habe ihn noch nie so verspannt gesehen. Vielleicht ist er, nachdem er dem Tod von der Schippe gesprungen ist, endlich zur Besinnung gekommen.
»Dieser Krieg ist nun weit genug gegangen«, sagte Doug Stavenger und beugte sich ernst nach vorn. »Eigentlich schon zu weit. Er muss aufhören. Sofort.«
Weder Pancho noch Humphries sagten ein Wort. Sie sehen wie zwei Schulkinder aus, die wegen eines Verweises ins Büro des Rektors bestellt wurden, sagte Stavenger sich.
Er konzentrierte sich auf Pancho. »Trotz der Verbote von Selene und meiner persönlichen Bitte an Sie hat Astro seine hiesigen Einrichtungen genutzt, um militärische Operationen zu leiten.«
Sie nickte verkniffen. »Ja, das ist wahr.«
»Und Sie haben eine Katastrophe ausgelöst.«
Pancho nickte wieder.
»Und das Feuer in Ihrem persönlichen Reservat hätte ganz Selene vernichten können«, sagte er an Humphries gewandt.
»Ich habe das Feuer nicht gelegt«, blaffte Humphries. »Es war dieser Hurensohn und Mörder Fuchs.«
»Und wieso hatte er es auf Sie abgesehen?«, warf Pancho ein.
»Er ist ein Mörder! Sie wissen das. Jeder weiß es. Er hat meine persönliche Assistentin getötet, Victoria Ferrer!«
»Und wie viele haben Sie getötet?«, entgegnete Pancho. »Sie haben mehr als einmal versucht, Lars zu ermorden.«
Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wurde Stavenger zornig. Richtig zornig. Diese zwei sturen Idioten bedrohten Selene und jeden, der dort lebte.
»Es ist mir egal, wer das Feuer gelegt hat«, sagte er kalt. »Tatsache ist, dass Sie Ihren Krieg von hier aus führen. Es war unvermeidlich, dass die Kampfhandlungen nach Selene übergreifen würden.«
»Ich bedaure das«, sagte Pancho. »Es tut mir aufrichtig Leid. Aber ich hatte nichts mit Fuchs' Angriff auf das Anwesen zu tun.«
Humphries funkelte sie an. »Wirklich nicht? Sie haben Fuchs doch in Selene eingeschleust, oder nicht? Sie haben ihn gedeckt, während er das Mordkomplott gegen mich geschmiedet hat!«
»Ich hatte ihn zur Erde gebracht, um ihn vor Ihren Killern zu schützen«, entgegnete Pancho hitzig.
»Genug!«, sagte Stavenger unwirsch. »Wenn Sie unbedingt Krieg führen wollen, dann führen Sie ihn woanders. Sie beide werden Selene verlassen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Humphries.
»Humphries Space Systems und die Astro Corporation werden von Selene abziehen. Das schließt Sie beide, alle Ihre Angestellten sowie Ihre komplette Ausrüstung ein. Ich will, dass Sie beide mit Sack und Pack hier verschwinden. Binnen einer Woche.«
»Das können Sie nicht tun!«
»Kann ich nicht?«, sagte Stavenger und erwiderte Humphries' bösen Blick. »Der Regierungsrat von Selene wird Ihre beiden Konzerne formell zu kriminellen Vereinigungen erklären. Wenn Sie diese Frist verstreichen lassen, wird Ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt und alle noch verbliebenen Firmenangehörigen gewaltsam ausgewiesen.«
»Das ist illegal«, platzte Pancho heraus.
»Morgen um diese Zeit wird es das nicht mehr sein«, sagte Stavenger. »Das garantiere ich.«
Humphries wies anklagend mit dem Finger auf ihn. »Sie können … nicht von mir erwarten …«
»Ich erwarte, dass Sie Selene verlassen. Jetzt gleich. Es ist mir egal, wohin Sie gehen. Es ist mir egal, ob Sie sich draußen im Gürtel oder in der Hölle abschlachten. Aber Sie werden nicht Selene in diesen Krieg hineinziehen. Und Sie werden diese Gemeinschaft nicht gefährden. Ist das klar?«
Humphries schaute ihn für einen Moment finster an; dann schien er sich zu entspannen und lehnte sich in die weichen Kissen zurück.
»Dann werde ich zum Höllenkrater gehen«, sagte er mit einem Grinsen.
Stavenger wandte sich an Pancho. »Und Sie?«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht Malapert. Vielleicht werden wir uns auch in einem der Habitats an L-4 oder L-5 einrichten.«
»Gute Idee«, sagte Humphries spöttisch. »Da kann ich Sie mit einer einzigen Atomrakete wegputzen.«
Stavenger sprang plötzlich vom Sessel auf, packte Humphries am Schlafittchen und riss ihn auf die Füße.
»Wieso drehe ich Ihnen nicht hier und jetzt den verdammten Hals um und mache dem Krieg ein Ende?«, knurrte er.
Humphries wurde blass. Er hing schlaff in Stavengers Griff und war nicht einmal imstande, die Hände zu erheben und sich zu wehren.
Stavenger stieß ihn auf die Couch zurück. »Martin, ich sehe, dass Sie diesen Krieg nicht freiwillig beenden werden. Er wird erst dann aufhören, wenn Sie gestoppt werden.«
Etwas Farbe kehrte in Humphries' Gesicht zurück. Mit einer zitternden Hand wies er auf Pancho. »Und was ist mit ihr? Sie hat doch angefangen!«
»Ich habe angefangen?«, japste Pancho. »Das ist die größte und dreckigste Lüge, die mir je untergekommen ist.«
»Sie haben Ihre Schiffe zuerst bewaffnet!«
»Sie haben versucht, mich zu ermorden!«
»Habe ich nicht!«
»Die Seilbahn im Höllenkrater, erinnern Sie sich? Sie behaupten, Sie hätten das nicht getan?«
»Ich war es nicht!«
»Lügner.«
»Ich war es wirklich nicht!«
»Wer, zum Teufel, war es dann?«
»Jedenfalls nicht ich!«
Stavengers Telefon läutete und unterbrach dieses Hick-hack.
»Anruf annehmen«, rief Stavenger.
Das Gesicht von Edith Elgin erschien auf dem Monitor. Sie wirkte angespannt, beunruhigt, fast ängstlich. »Doug, ich weiß, dass du es sowieso erfahren wirst. Das Felsenratten-Habitat bei Ceres wird von jemandem bedroht, der Lars Fuchs haben will. Es muss eine Humphries-Operation sein. Ich bin auf der Elsinore bislang sicher, aber wir wissen nicht, was noch geschehen wird. Die Situation könnte eskalieren.«
Der Bildschirm wurde dunkel.
»Edith!«, rief Stavenger.
Der Monitor blieb grau. Dafür sagte eine synthetische Stimme: ›Die Übertragung wurde vom Sender unterbrochen. Das System wird versuchen, die Verbindung wiederherzustellen.‹
Stavenger wirbelte zu Humphries herum. »Wenn meiner Frau etwas zustößt, werde ich Sie töten. Haben Sie verstanden? Ich werde Sie töten!«
Flaggschiff Elsinore
»Lassen Sie mich wenigstens nach Chrysallis zurückkehren«, sagte Big George zum Bild auf dem Monitor, »und Ihnen zeigen, dass Fuchs nicht dort ist.«
Der grimmige, dunkelbärtige Mann schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Niemand wird vom Schiff ins Habitat überwechseln. Woher soll ich wissen, dass Sie Fuchs nicht rausschmuggeln wollen?«