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»Weil Fuchs nicht hier ist!«, erwiderte George sichtlich ungehalten. »Kommen Sie und überzeugen Sie sich, verdammt noch mal, selbst davon!«

»Ich verlasse mein Schiff nicht«, sagte der Aggressor. »Sie werden Lars Fuchs ausliefern oder die Konsequenzen tragen.«

Big George und Edith waren in ihren Kabinen an Bord der Elsinore und versuchten, mit dem finsteren Gesicht auf dem Bildschirm vernünftig zu reden. Während George wutschäumend versuchte, dem Aggressor die Situation zu erklären, schlich Edith sich zur Reisetasche, die auf dem Regal über ihrer Koje stand. Im Vertrauen darauf, dass sie sich außerhalb des Erfassungsbereichs der Bildschirm-Videokamera befand, nahm sie eine der Microcams, die sie mitgebracht hatte, aus der Tasche und befestigte sie am Gürtel ihres Kleids. Es sah aus wie eine Zierschnalle oder Modeschmuck.

»Ich weiß, dass Fuchs bei Ihnen ist«, sagte der dunkelbärtige Mann mit monotoner und harter Stimme. »Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen.«

»Aber er ist nicht hier«, erwiderte George zum x-ten Mal. »Schicken Sie eine Mannschaft rüber und untersuchen Sie das Schiff.«

»Damit Sie sie überwältigen und meine Kräfte reduzieren können?« Der Mann schüttelte den Kopf.

Er ist paranoid, sagte Edith sich und stellte sich neben George. Sie hoffte, dass die Microcam auf den Wandbildschirm ausgerichtet war.

»Schauen Sie«, sagte George mühsam beherrscht, »dieses Schiff ist nicht bewaffnet. Das Habitat ist ebenfalls nicht bewaffnet …«

»Sie liefern Waffen an die Felsenratten«, sagte der Aggressor.

»Nein«, antwortete George. »Wir liefern Bergwerks-Ausrüstung. Wenn die Ratten Waffen bekommen, dann höchstens von den Versorgungsschiffen, die die Konzerne in den Gürtel schicken.«

»Das ist eine Lüge. Wo ist Fuchs? Ich bin mit der Geduld am Ende.«

»Er ist nicht hier!«, brüllte George.

In Wirklichkeit war Lars Fuchs an Bord der Halsey und querte gerade die Marsumlaufbahn, fast 200 Millionen Kilometer von Ceres entfernt. Bei der jetzigen Beschleunigung des Schiffes würde er das Habitat Chrysallis in etwas mehr als drei Tagen erreichen.

Er wusste nichts von der Lage, die sich um Ceres entfaltete. Während das Schiff durch die dunkle Leere zum Gürtel reiste, hatte Fuchs viel Zeit zum Nachdenken, für Erinnerungen und Reue.

Ein Misserfolg. Ein totaler Misserfolg, schalt er sich. Humphries hat meine Frau getötet, mein Leben ruiniert und mich zu einem heimatlosen Vagabunden gemacht. Ich bin dazu verurteilt, wie der Fliegende Holländer für den Rest meines Lebens in dieser ewigen Nacht zu treiben und von den Resten zu leben, die ich erbettle oder von anderen stehle. Ich spreche von Rache, ich fülle meine Träume mit Visionen aus, Humphries immer wieder zu treffen. Aber es ist sinnlos. Alles vergebens. Ich bin ein geschlagener Mann.

Amanda, sagte er sich. Meine wunderschöne Frau. Ich liebe dich noch immer, Amanda. Ich wünschte, alles wäre anders gekommen. Ich wünschte …

Er drückte die Augen zu und versuchte mit aller Macht, ihr Bild aus seinen Gedanken zu vertreiben. Ich lebe noch, sagte er sich trotzig. Ich existiere noch — trotz allem, was er mir angetan hat. Humphries hat mir ein Leben als Pirat aufgezwungen. Er hat mich zu einem Ausgestoßenen gemacht.

Aber ich lebe noch. Das ist meine einzige wahre Rache an ihm. Trotz allem, was er getan hat; trotz allem, was er tun kann — ich lebe noch!

An Bord der Samarkand starrte Harbin mit geweiteten Augen aufs Bild des zornigen rotbärtigen George Ambrose.

»Sie werden mir diesen Fuchs ausliefern«, sagte Harbin gepresst, »oder die Konsequenzen tragen. Sie haben keine fünfzehn Minuten mehr.«

Er unterbrach die Verbindung zur Elsinore. »Status der Laser?«, wandte er sich an den Waffentechniker, der an der Konsole rechts von Harbin saß.

»Sir, wir haben maximale Leistung für alle drei.«

»Bereit, auf mein Kommando zu feuern?«

»Ja, Sir.«

»Gut«, sagte Harbin.

»Vielleicht sollten wir doch eine Entermannschaft zu den ums Habitat geparkten Schiffen schicken«, schlug der Erste Offizier, eine gertenschlanke Japanerin, vor.

»Um nach Fuchs zu suchen?«, fragte Harbin träge. Er verspürte inzwischen eine tiefe Ruhe, fast ein Gefühl der Trance. Die Wirkung der Injektion lässt nach, sagte er sich. Zu viel Stress neutralisiert die Droge. Ich brauche wieder einen Schuss.

»Falls er an Bord eines dieser Schiffe ist, werden wir ihn sicher finden«, sagte der Erste Offizier.

»Was meinen Sie, wie viele Leute wir losschicken könnten? Sechs? Zehn? Ein Dutzend?«

»Zehn auf jeden Fall. Mit Handfeuerwaffen und Minigranaten bewaffnet. Die Zivilisten in den Schiffen würden es nicht wagen, sich ihnen entgegenzustellen.«

Harbin verspürte einen Anflug von Müdigkeit, die ihm ins Gebein fuhr. Es wäre gut, mal eine Nacht durchzuschlafen, sagte er sich. Ohne Träume.

»Und was veranlasst Sie zu der Annahme, dass in diesen Schiffen nur Zivilisten sind?«, fragte er laut.

Der Erste Offizier blinzelte hektisch und sagte nach kurzer Überlegung: »Ihre Manifeste zeigen …«

»Glauben Sie wirklich, dass, wenn beispielsweise die Elsinore eine Kompanie Söldner an Bord hätte, das im Manifest verzeichnet wäre?«

Sie schaute Harbin befremdet an, sagte aber nichts.

»Was glauben Sie wohl, weshalb dieser Rotbart uns eine Durchsuchung seines Schiffs förmlich aufdrängt?«, fuhr er fort. »Das ist offensichtlich eine Falle. Er muss Soldaten haben, die nur darauf warten, sich auf uns zu stürzen.«

»Das …« Der Erste Offizier hielt inne. »Das ist eher unwahrscheinlich, Sir«, sagte sie dann.

»Ja, völlig unwahrscheinlich«, sagte Harbin und grinste sie schief an. »Sie wären Hannibal ein ebenbürtiger Gegner gewesen.«

»Sir?«

Harbin erhob sich vom Kommandantensitz. »Ich bin für ein paar Minuten in meiner Kabine. Rufen Sie mich fünf Minuten, bevor ihre Zeit um ist.«

»Ja, Sir«, sagte der Erste Offizier.

Harbin wusste, dass etwas nicht stimmte. Wenn die Wirkung der Droge verpufft, müsste ich Entzugserscheinungen spüren, sagte er sich. Aber ich bin nur müde. Schläfrig. Habe ich überhaupt den richtigen Stoff genommen? In diesem Zustand kann ich jedenfalls kein Gefecht leiten.

Er ließ den Medizinschrank aufschnappen und überflog mit trübem Blick die restlichen Ampullen, die ordentlich in den Türborden aufgereiht waren. Vielleicht nehme ich auch zu viel, sagte er sich. Überdosierung. Aber ich kann jetzt nicht damit aufhören. Nicht bevor ich Fuchs erwischt habe. Ich muss ihn unbedingt erwischen.

Er strich mit den Fingerspitzen über die glatten Plastik-Zylinder der Präparate. Etwas Stärkeres. Nur für die nächste halbe Stunde oder so. Dann kann ich mich entspannen und endlich einmal richtig ausschlafen. Im Moment brauche ich aber etwas Stärkeres. Etwas viel Stärkeres.

Habitat Chrysallis

Yanni Ritsos war der Letzte in einer langen Linie von Rebellen und Dichtern. Der nach einem berühmten griechischen Vorfahren benannte Yanni war in Zypern geboren und erlebte den tödlichen Biokrieg mit, der die ohnehin geschundene Insel heimsuchte, überlebte den radioaktiven Niederschlag durch die nukleare Verwüstung Israels und reiste übers Mittelmeer nach Spanien, wo er wie ein anderer griechischer Künstler seinen Lebensunterhalt verdiente. Anders als El Greco befasste Yanni sich jedoch mit Computersystemen, die Sprachen übersetzten. Er gab sogar etwas von seiner eigenen Dichtkunst in den Computer ein und ließ sie aus dem Griechischen ins Spanische, Deutsche und Englische übersetzen. Aber er war mit den Ergebnissen nicht zufrieden.