Выбрать главу

»Wir sind noch nicht vollzählig«, sagte sie schließlich.

Stavenger fror die Abbildung auf dem Wandbildschirm ein und drehte sich zu ihr um. Er war offensichtlich ungehalten wegen der Unterbrechung.

»Yamagata«, fuhr Pancho trotz seiner Verärgerung fort. »Nobuhiko Yamagata sollte hier sein, wenn Sie diesen Krieg beenden wollen.«

Humphries rührte sich wieder. »Nur weil sein Konzern Söldner bereitstellt …«

»Er steckt hinter der ganzen Sache«, sagte Pancho mit Nachdruck.

Stavenger widmete ihr nun seine volle Aufmerksamkeit. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Yamagata ist der Finanzier des Nairobi-Stützpunkts am Südpol«, sagte Pancho. »Er vermietet Söldner sowohl an Astro als auch an HSS.«

»Ja?«

Sie wies mit einem spitzen Finger auf Humphries. »Sie sagen, dass Sie mit diesem Seilbahnunfall nichts zu tun hätten?«

»Habe ich nicht«, sagte Humphries.

»Wer sonst hätte es dann tun sollen? Wer ist der lachende Dritte, während Sie und ich uns gegenseitig fertig machen? Wer steht zur Übernahme bereit, wenn Astro und HSS schließlich bankrott sind?«

»Yamagata«, sagte Humphries atemlos.

»Yamagata?«, fragte Stavenger, als hätte er sich verhört. Er wollte es noch immer nicht glauben.

»Yamagata«, bekräftigte Pancho.

Stavenger drehte sich wieder zum Wandbildschirm um. »Telefon, verbinde mich mit Nobuhiko Yamagata. Höchste Priorität.«

Leeza Chaptal steckte wieder im Raumanzug, doch diesmal war er gut eingeölt. Dennoch zitterte sie, als die l.uftschleusenluke aufschwang.

Die metallene Auskleidung des kreisförmigen Schachts war offenbar fast bis auf Augenhöhe zerfressen. Aber nicht weiter, wie sie sah. In den zwölf Stunden, seit sie zuletzt im Schacht gewesen war, hatten die Nanomaschinen sich nur einen Meter oder so tiefer heruntergefressen.

»Ich glaube, dass sie angehalten haben«, sagte sie ins Helmmikrofon.

»Woher wollen Sie das so genau wissen?«, ertönte die Antwort in den Ohrhörern.

Leeza machte den Handlaser vom Koppelgürtel los. »Ich werde eine Markierungslinie ziehen«, sagte sie und betätigte den Schalter des Lasers. Ein dünner, ungleichmäßiger Strich brannte sich in den Stahlüberzug. Sie wurde sich bewusst, dass ihre Hände stark zitterten.

»Okay«, sagte sie, zog sich rückwärts durch die Luke zurück und schob sie zu. »Ich werde in einer Stunde wieder herkommen und schauen, ob sie sich an der Markierung vorbeigefressen haben.«

Sie stapfte im klobigen Anzug zur nächsten Luke zurück und schlug dagegen. »Den Tunnel mit Luft füllen und öffnen«, befahl sie. »Ich muss mal für kleine Mädchen.«

»Sie ziehen ab«, sagte Edith.

Sie stand noch immer mit dem Kapitän und Big George auf der Brücke der Elsinore und sah, wie das Schiff, das das Habitat zerstört hatte, sich mit hoher Beschleunigung aus diesem Gebiet zurückzog und mit weiß glühenden Raketendüsen in der ewigen Dunkelheit untertauchte.

»Sie verschwinden vom Schauplatz des Verbrechens«, sagte der Kapitän.

George sagte nichts, doch Edith sah den lodernden Zorn in seinen Augen. Plötzlich schüttelte er sich wie jemand, der aus einer Trance erwachte. Oder aus einem Albtraum.

Er ging zur Luke.

»Wohin gehen Sie?«, fragte der Kapitän.

»Zur Luftschleuse«, erwiderte George über die Schulter und quetschte seinen massigen Körper durch die Luke. »Ich brauche einen Raumanzug. Muss nachschauen, ob in Chrysallis noch jemand am Leben ist.«

Edith wusste, dass es keine Überlebenden geben konnte. Aber George hat Recht, sagte sie sich. Wir müssen uns zumindest vergewissern.

Und dann wandte sie sich auch zum Gehen. Sie begriff, dass sie diese Katastrophe, dieses Massaker dokumentieren musste. Ich muss alles aufnehmen, damit die ganze menschliche Rasse sieht, was hier geschehen ist.

Selene: Friedenskonferenz

Drei Tage nach dem Chrysallis-Massaker fand eine Konferenz in Doug Stavengers persönlichem Büro statt — oben in der Turmsuite, in der Selenes Regierungsmitglieder und Bürokraten residierten. Das kleine, private Büro glich nun einem Hochsicherheitstrakt.

Es saßen nur vier Menschen am runden Tisch in der Mitte des Büros: Pancho, Humphries, Nobuhiko Yamagata und Douglas Stavenger. Keine Adjutanten, keine Assistenten, keine Nachrichtenreporter oder sonst jemand. Sicherheitsbeamte von Selene waren vor der Tür postiert und patrouillierten in den Korridoren. Der ganze Trakt war nach Abhörgeräten untersucht worden.

Nachdem die vier Platz genommen hatten, eröffnete Stavenger die Sitzung: »Diese Unterredung unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe. Nur wir vier werden wissen, was hier gesprochen wurde.«

Die anderen nickten.

»Niemand von uns wird diesen Raum verlassen, bis wir eine Vereinbarung zur Beendigung dieses Kriegs getroffen haben«, ergänzte Stavenger mit todernstem Gesicht. »Es werden keine Sonderkonditionen gewährt und keine Ausflüchte akzeptiert. Hinter dieser Tür ist eine Toilette«, sagte er und wies in die entsprechende Richtung, »aber der einzige Weg nach draußen ist durch die Tür zum Gang. Und es wird niemand gehen, bis ich mir sicher bin, dass wir eine verbindliche Übereinkunft erzielt haben.«

»Was gibt Ihnen eigentlich das Recht …«, echauffierte Humphries sich.

»Mehrere tausend Tote, die im Asteroidengürtel verstreut sind«, sagte Stavenger schroff. »Ich bin ihr Sachwalter. Sie werden entweder mit diesem verdammten Krieg aufhören, oder Sie werden hier an diesem Tisch verhungern. Es gibt keine dritte Option.«

Yamagata lächelte unbehaglich. »Ich bin auf Ihr Ersuchen und aus freien Stücken hier erschienen, Mr. Stavenger. Das ist keine Art und Weise, einen Gast zu behandeln.«

Stavenger wies in Panchos Richtung und erwiderte: »Ms. Lane war doch auch Ihr Gast in der Nairobi-Basis im Shackleton-Krater, nicht wahr? Und Sie hätten sie, verdammt noch mal, fast getötet.«

Nobuhikos Brauen zogen sich kurz zu einem Strich zusammen. »Ich könnte auch um Hilfe rufen, wissen Sie.«

»Nur dass keine Möglichkeit besteht, eine Nachricht aus diesem Raum zu senden«, sagte Stavenger mit unveränderter Miene. »Die Signale Ihrer Mobiltelefone werden diese Wände nicht durchdringen.«

Pancho lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte die Beine unterm Tisch aus. »Also gut. Reden wir.«

Harbin hatte die drei Tage seit dem Angriff auf Chrysallis in einem stetig an- und abschwellenden Drogenrausch zugebracht. Sein Erster Offizier führte das Schiff, während er schlief und von bizarren Albträumen heimgesucht wurde, die jedes Mal in Mord und Totschlag endeten.

Als sie Vesta erreichten, gingen ihm die Drogen aus, und er kam allmählich wieder zur Besinnung.

Er wusch sich gerade die verquollenen Augen, als es an der Tür klopfte.

»Herein«, rief er und trocknete sich das Gesicht mit einem Handtuch ab. Der Erste Offizier schob die Tür auf und betrat seine Kabine. Harbin wurde sich bewusst, dass das Bett von Schweiß getränkt und völlig zerwühlt war und die enge Kabine roch wie ein stinkiger Turnschuh.

»Wir gehen gleich in einen Park-Orbit um Vesta, Sir«, sagte sie steif.

»Die Basis ist wieder einsatzbereit?«, fragte er. Doch während er die Worte noch sprach, wurde er sich bewusst, dass es ihm egal war, ob die Basis wieder arbeitete. Es bedeutete ihm nichts, weder auf die eine noch die andere Art.

»Ja, Sir. Die Nanomaschinen-Attacke war hauptsächlich auf die Oberflächen-Installationen beschränkt. Es wurde niemand getötet und nicht einmal jemand verletzt.«