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Carlos Rasch

Asteroidenjäger

Verlag: Neues Leben, Berlin

Erscheinungsjahr: 1961

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

Der 520. Sonnenkreis

Alle siebenunddreißig Mitglieder der Besatzung hatten sich im Zentralposten, der Kommandozentrale im Vorderteil des Raumschiffes, versammelt. Auf den Gesichtern lag der Ausdruck gespannter Erwartung. Der erste Höhepunkt der Raumreise stand bevor: das Eintreffen bei den Asteroidenjägern.

Als letzter betrat Kommandant Axel Kerulen, ein kräftiger, nicht allzu großer Mann, den hohen, leicht gewölbten Raum. Er warf einen kurzen prüfenden Blick auf die wichtigsten Kontrollinstrumente des Pilotrons, des automatischen Astropiloten. Der Flug verlief planmäßig. Zufrieden ging der Kommandant zum Funk- und Radarpult. „Unser Raumschiff wird in vierzig Minuten seine Einsatzposition erreichen“, sagte er halblaut zu Norbert Franken, dem Funkoffizier. „Senden Sie unser Rufzeichen und stellen Sie die Verbindung mit der Leitrakete her.“

Franken richtete sich rasch in seinem Arbeitssessel auf. Seine langen, schlanken Finger bedienten schnell und sicher eine Anzahl Knöpfe und Tasten.

Aus den in Gruppen beisammenstehenden Besatzungsangehörigen, Männern und Frauen, hatten sich beim Erscheinen des Kommandanten der Ingenieur für die Triebwerke und der Navigator gelöst, um ihre Plätze am Triebwerkspult und am Navigationspult einzunehmen. Die leisen Gespräche verstummten. Stille breitete sich in der Kommandozentrale aus. Norbert Franken konzentrierte sich auf seine Geräte. Er wußte, aus dem Rumpf der Rakete waren soeben kleine Richtantennen automatisch ausgefahren worden. Sie kreisten langsam und suchten, entsprechend den Angaben, die er der Funkautomatik erteilt hatte, ihr Zieclass="underline" den Sender der Leitrakete AJ-401.

Auf dem Suchschirm erschien links unten ein helles Fünkchen, das in einem steilen Bogen zur Mitte wanderte. Dort verharrte es. Die gesuchte Funkquelle war gefunden. Sofort schaltete sich der Verstärker ein. Das Fünkchen wuchs schnell an und löste sich in die scharfgezeichneten Buchstaben „AJ-401“ auf. Dabei meldete sich gleichzeitig eine zunächst noch schwache und undeutliche Stimme, die aber zusehends klar und laut wurde:

„Hier AJ-401, Leitrakete der vierten kosmischen Flottille!“ Die Stimme wiederholte einige Male diesen Satz, bis über dem Suchschirm ein gedämpftes grünes Licht aufleuchtete. Die Verbindung war hergestellt. Die Funkautomatik der viele Millionen Kilometer entfernt fliegenden Leitrakete hatte den Anrufer gefunden und sich auf ihn eingestellt.

„Hier AJ-408“, meldete sich der Funkoffizier. „Hier AJ- 408! Meldung an den Leiter der Flottille: AJ-408 erreicht Operationsgebiet. Wir erbitten Einweisung in den Verband.“

„Hier AJ-401. Der Kommodore der Flottille bittet Kommandant Kerulen um die Fluginformation“, antwortete die Leitrakete. Die fast gedrungene Gestalt des Kommandanten beugte sich leicht über das Mikrophon. Sein Blick verriet innere Sammlung und Konzentration.

„Hier AJ-408, Kommandant Kerulen. Ich melde Ihnen, Genosse Astro-Kommodore, unser Eintreffen im Operationsgebiet. Die Besatzung ist wohlauf. Das Schiff ist einsatzbereit, die technischen Einrichtungen funktionieren einwandfrei. An Bord befinden sich die befohlenen Sonderausrüstungen zur Vernichtung von Meteoriten sowie montagefertige Apparaturen zur Errichtung von Funkwarnfeuern auf Asteroiden und Planetoiden. Besatzung und Schiff sind für die Dauer von zehn Monaten Ihrem Kommando unterstellt. Die für diese Zeit notwendigen Vorräte an Wasser, Luft und Lebensmitteln sind entsprechend den kosmischen Sicherheitsvorschriften in doppelter Menge vorhanden. Die Vorräte an spaltbarem Material zur Erzeugung von Energie für die Triebwerke und die Gravitationsmaschinen sind in dreifacher Menge eingelagert. Unsere gegenwärtige Geschwindigkeit beträgt, auf die Sonne bezogen, genau 45 Kilometer in der Sekunde. AJ-408 hat zum festgesetzten Zeitpunkt die Basis auf dem Mars in Richtung Jupiterbahn verlassen. Der Anflug zu unserem Operationsgebiet zwischen Mars- und Jupiterbahn verlief ohne besondere Vorfälle. Anschließend wird Ihnen, Kommodore, unsere Besatzungsliste mitgeteilt. Sie werden auf ihr bewährte Mitarbeiter vorfinden, die bereits das zweite und dritte Mal im Kosmos an der Lösung unserer gemeinsamen Aufgabe teilnehmen.“

Der Kommandant machte eine kleine Pause. Er wandte sich nach den im Hintergrund des Raumes wartenden Besatzungsmitgliedern um und lächelte einigen von ihnen ermutigend zu, bevor er in seinem Bericht fortfuhr: „Ich möchte jetzt aber vor allem vier Besatzungsmitglieder nennen, die zum erstenmal in ihrem Leben unseren Heimatplaneten, die Erde, verlassen haben. Es sind dies die Chemikerin Filitra Goma aus dem südamerikanischen Kulturbereich, der Elektroneningenieur für die Steuer- und Regeltechnik Rai Raipur aus dem indischen Kulturbereich, der Japaner Kioto Yokohata, Pilot für die kleine Aufklärungsrakete, aus dem fernöstlich-asiatischen Kulturbereich, und der Mathematiker Oulu Nikeria aus dem zentralafrikanischen Kulturbereich. Besonders diese jungen Kosmonauten sehen mit großer Ungeduld der ersten Begegnung mit Meteoriten und ihrer Bekämpfung entgegen. Ich schließe damit meinen Bericht und erwarte Ihre Angaben.“

Während der Funkoffizier das Elektronenband mit der Besatzungsliste aus dem Funkspeicher zur Leitrakete überspielte, machte sich im Zentralposten eine steigende Spannung bemerkbar. Alle Kosmonauten ersehnten nach Jahren der Vorbereitung und nach Monaten des Anfluges von der Erde bis zum Mars und dann weiter darüber hinaus einen Auftrag, der der aufgespeicherten Tatkraft freien Spielraum gab. Sie alle wußten, daß solch ein Auftrag, so feierlich er ihnen auch diesmal übergeben werden würde, im Grunde genommen nur in wenigen sachlichen Worten bestand; denn unter den Weltraumfahrern war es selbstverständlich und oft geradezu lebensnotwendig geworden, nur kurze und präzise Hinweise und Mitteilungen auszutauschen.

„Gruß unserer Erde!“ klang es ernst und feierlich aus unsichtbaren, geschickt verborgenen Tonträgern. Das war der Gruß der Kosmosfahrer, den der Kommodore von seiner Leitrakete aus mit ruhiger fester Stimme der Besatzung des Raumschiffes entbot. „Gruß unserer Erde“ — diese drei Worte enthielten die ganze Sehnsucht und Liebe der Menschen im Kosmos zu ihrem schönen, fernen Heimatplaneten. „Ich heiße euch, Ingenieure und Wissenschaftler des Asteroidenjägers AJ-408, im Namen aller Angehörigen unserer Raketenflottille im Operationsgebiet herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den vier jungen Kosmonauten, die sich nach reiflicher Überlegung sicher nicht ohne Grund unserer schwierigen Expedition angeschlossen haben.

Wir erfüllen hier im Kosmos, fern von unserem Heimatplaneten, als Teil eines großen umfassenden Weltraumsicherungsdienstes eine wichtige Pflicht. Indem wir im Bereich der Meteoritenströme zwischen Mars und Jupiter den interplanetaren Raum nach besten Kräften von den Trümmern eines vor undenklichen Zeiten geborstenen Planeten säubern, helfen wir die Meteoritengefahr, die schrecklichste aller Gefahren der Raumfahrt, vermindern. Unsere Hauptaufgabe ist es, Asteroiden, vom Felsbrocken bis zum Planetoiden, aufzuspüren und sie mit Funkwarnfeuern auszustatten. Nebenbei vernichten wir alle Meteoriten, vom Sandkorn bis zum feldsteingroßen Raumgeschoß, soweit sie uns zufällig begegnen.

Unsere Flottille besteht gegenwärtig aus einundzwanzig Raketen. Wir haben zwischen dem 480. und dem 520. Sonnenkreis eine Suchkette gebildet. Der Abstand von Rakete zu Rakete beträgt 2 Millionen Kilometer. Die Geschwindigkeit der Flottille liegt im Mittel bei 15 Kilometer pro Sekunde. AJ-408 wird AJ-417 auf dem äußersten erdfernsten Kreis ablösen. AJ-417 ist von eurem Eintreffen unterrichtet. Die Flottille sendet ihr nächstes gemeinsames Peilzeichen für Erde und Mars zur nächsten kosmischen Zeit, das ist übermorgen von 0.00 Uhr bis 0.15 Uhr. — Bestätigen Sie die Einnahme der neuen Position auf dem 520. Kreis und damit Ihre Ankunft bei der vierten kosmischen Flottille auch dem B. d. A. — Ich wünsche meinen Kameraden von AJ-408 einen vollen Erfolg.“