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Sagitta ging den langen zentralen Gang entlang, bis sie vor der Tür El Durhams stand. Sie drückte auf den großen Schaltknopf des Türmechanismus. Die Tür öffnete sich, und das Licht flammte auf. Die Ärztin trat ein. Hinter ihr schnappte die Tür wieder zu. Sie erblickte den Araber, der in voller Kleidung, mit dem Gesicht nach unten, quer über seinem Bett lag. Sie trat heran, beugte sich über ihn und erkannte, daß er fest schlief. Das war ein gutes Zeichen. Sagitta dämpfte das Licht und begann dann leise auf den Schlafenden einzusprechen.

Sie hatte sich einen Sessel herbeigezogen und saß unbeweglich. Es war, als sei niemand da. Nur ihre Stimme hing im Raum, und diese Stimme erzählte vom Fest der Astronauten. Sorgsam beobachtete sie dabei den Schläfer. Nach etwa zehn Minuten bemerkte sie, wie er allmählich erwachte. Als sie sicher war, daß er sie hörte und verstehen konnte, begann sie das Märchen zu erzählen, das Märchen von den drei Zauberern und ihrem Zyklopen:

„Es waren einmal drei große Zauberer. Sie wohnten hinter hohen Bergen in drei gläsernen Hallen. Der erste Zauberer, der klügste, hatte stets weiße gewänder an. Er bewohnte die kleinste Halle. Der zweite trug nur eine schwarze Hose und war sonst nackt vom gürtel an. Sein Haus war dreimal größer. Er war der stärkste, und er verstand es, zu den klugen Ideen des ersten die Zauberinstrumente aus dem Gestein der Berge zu erschaffen. Der dritte Zauberer, von gestalt der größte, war von den dreien der wichtigste, denn er trug die blauen Gewänder. Sein reich war die größte der drei Hallen aus Glas, die dreiunddreißigmal größer war als die des ersten Zauberers.

Eines tages beschlossen diese drei großen Zauberer, eine Zaubermaschine zu bauen, die ihnen das tägliche einfache zaubern abnahm, denn die alltägliche einfache Zauberei nahm ihnen viel Zeit, so daß sie nicht genug Stunden hatten, um die geheimnisse der großen Zauberei zu enträtseln.

So setzte sich der erste Zauberer, der im weißen Kittel, hin und sann über diese schwere Aufgabe nach. Schließlich nahm er seinen kleinen Zauberstift und schrieb Zaubersprüche und Zauberformeln auf viele kleine blätter weißen Papiers. Dann endlich ergriff er seinen großen Zauberstab und ging zu einem großen Blatt Papier von noch weißerer und reinerer Färbe, das auf einem großen Tisch befestigt war. Da erschienen auf diesem großen Blatt Papier auf geheimnisvolle weise Kreise, Linien und Kurven, mit vielen Ziffern versehen.

Oft warf der Zauberer bei seiner Arbeit durch das gläserne Dach seines gläsernen Hauses einen langen, nachdenklichen Blick zu den hohen, mit grünen Nadelwäldern bewachsenen Bergen und zu den noch höheren mit Eis und Schnee bedeckten Gipfeln, die von fern das tal der drei Zauberer bewachten. Und jedesmal, wenn ein großer bogen Papier mit Kreisen und Kurven bedeckt war, erschien die Sonne hinter einer Wölke. Sie schaute sich das werk des weißen Zauberers an und malte dann und wann noch einen goldenen Kringel oder eine goldene Linie mit goldenen Ziffern hinzu. Auf diese weise war bald viel kleines und großes Papier mit magischen kreisen, Linien und formeln bedeckt.

Als der erste Zauberer seine Arbeit getan hatte, kam der zweite, der in den schwarzen hosen und nackt vom gürtel an. Er nahm das ganze Papier mit. Zu hause in seiner dreimal größeren Halle begann er nach den zauberzeichen auf dem Papier die Zaubermaschine zu bauen, wobei er immer wieder die klugen Ideen des ersten Zauberers bewunderte.

Oft sah er mit angestrengtem Blick durch den gläsernen Fußboden seiner gläsernen Halle, um in der dunklen Tiefe der Erde das richtige gestein zu entdecken. Er grub es aus und verwandelte es unter viel mühe in die großen und kleinen Teile, aus denen er dann die Zaubermaschine zusammensetzte. Sein wichtigster Helfer war das Feuer, das er gebändigt hatte und das in einer ecke der Halle unter rauschen und prasseln in hohen Flammen loderte. Zum schluß seiner Arbeit, am 333. tag, hüllte er die Zaubermaschine in ein riesiges Tuch ein.

Endlich kam der dritte Zauberer, der größte und wichtigste, der in den blauen Kleidern. Er schaffte die Zaubermaschine in seine dreiunddreißigmal größere Halle. Und als das Tuch zu boden sank und die geheimnisvolle Zaubermaschine enthüllte, da stand in der weiten Halle ein gigantischer, stählerner Zyklop. Der Zauberer im blauen gewand ergriff seinen Zauberstab, schwang ihn und rief, wobei er den Finger auf den elektrischen Einschaltknopf drückte, mit lauter stimme die Zauberworte: zir-ku-bal va-ku-zon!

Da erwachte der Zyklop.

Die Signallampen des riesen glommen wie Augen rot auf, und auf seiner Stirn begannen die Zeiger der Meßinstrumente zu zittern und zu pendeln. Auf Meßschirmen schlängelten grünliche Linien hin und her. Ein leises summen schwoll zu einem tosen, brausen und dröhnen an. Durch die feinen nervenstränge des Zyklopen blitzten fünkchen mit befehlen hin und her. Durch seine Muskeln begannen mächtige Ströme von Energien zu kreisen, und durch seine adern ergossen sich Kaskaden von Öl. In seinen eingeweiden verdaute der Zyklop gewaltige mengen an gestein, Erde und Kohle, und zwischen seinen stählernen Zahnen zermalmte er mit gräßlichem knirschen zahllose Stangen aus Metallen und Kunststoffen.

Der Zauberer in den blauen Kleidern ging am Zyklopen auf und ab. Er beobachtete ihn sorgsam und zog hier eine Schraube und dort eine fest. Er kühlte heiße stellen und beseitigte Verstopfungen, stellte Hebel und drückte auf Knöpfe. Dabei murmelte der blaue Zauberer hin und wieder ein Zauberwort. Dann ging er fort, um sich zusammen mit den anderen zauberem der großen Zauberei zu widmen. Nur ab und zu kam er wieder, um nach dem rechten zu sehen und nach dem dröhnenden puls des Zyklopen zu horchen.

Der Zyklop arbeitete viele tage und jahre. Er schuf den drei Zauberern viele brauchbare und nützliche Dinge, darunter manche Wunderwerke. So konnten die Zauberer fortan nach getaner Arbeit täglich andere Kleider tragen, bunt, warm und leicht. Sie hatten in Hülle und Fülle zu essen und zu trinken. Ihr Zyklop spie Apparate aus, mit denen sie in die Ferne sehen, hören und sprechen konnten, und er zauberte gerate, auf denen die Zauberer unter und über der Erde, in der luft und auf dem Wasser schnell und sicher über Meere zu den anderen ländern und auch zu anderen Sternen eilen konnten.

Schließlich aber waren die Zauberer alt geworden, und kein Zauberwort konnte sie vor dem nahen tod bewahren. Da tat es ihnen leid, daß all ihre Zauberformeln und ihre Zauberinstrumente vergessen werden sollten und niemandem mehr Nutzen bringen würden. Sie luden deshalb die menschen zu sich ein, um diese das zaubern zu lehren. Und die Menschen kamen und lernten. Sie waren gelehrige Schüler. Nur den Zyklopen, den riesen, durften sie nicht sehen.

Bald darauf starb der dritte Zauberer, der in den blauen Gewändern, der, der den Zyklopen beherrschte. Die Herrschaft über den Zyklopen hatte seine Kräfte am schnellsten verbraucht. Nur kurze zeit verging, als auch der zweite Zauberer, der, der aus den Gesteinen der Berge die Zauberinstrumente zu erschaffen wußte, zu Grabe getragen wurde. Nach einiger Zeit zählte auch der erste, der klügste, der die weißen Gewänder trug und der die kleinste der drei gläsernen Hallen bewohnte, nicht mehr zu den lebenden. In seiner letzten Stunde übergab er den menschen den Schlüssel zu der dreiunddreißigmal größeren Halle des Zyklopen.

Als tags darauf die Menschen in die riesige Halle traten, erstarrten sie vor Schreck und Staunen. Vor ihnen stand in dem dämmrigen weiten rund der Halle ein schreckliches Ungetüm, das sie nun beherrschen sollten. Einige von ihnen wollten in ihrer angst das Ungetüm zerschlagen. Sie wurden von denen gehindert, für die der Zyklop ein Gott war. Sie wurden aber auch von denen zurückgehalten, für die das Monstrum vorerst noch ein häßliches Untier, eine gierige Echse war, die gnadenlos ihre stählernen Zähne in die Glieder derjenigen menschen schlug, die unvorsichtig waren und ihr zu Nahe kamen.