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„So ist es“, nickte Kerulen. Abermals knackte der Schalter. Das Fernsehbild mit den unzähligen Sternen zerging, und nur die Radarwiedergabe blieb auf dem Schirm sichtbar. Der milchige Fleck des Meteoritenschwarms hatte sich inzwischen weiter vergrößert. „Wenn sich also unser Meteoritenschwarm, der morgen um diese Zeit schon nicht mehr existieren wird, weil wir ihn ausgelöscht haben werden, jetzt noch nicht als eine Ansammlung nadelstichfeiner Lichtpunkte zeigt, so kann das daran liegen, daß unser Raumschiff noch zu weit weg ist oder daß die Meteoriten äußerst klein sind“, schloß Kerulen seine Erklärung. „Wir müssen uns selbstverständlich, bevor wir mit der Bekämpfung der Meteoriten beginnen, über den Aufbau und die Gliederung des Schwarmes, über seine Größe und seinen Umfang, seine Zusammensetzung und Dichte vergewissern.“ Damit wollte Kerulen eigentlich seinen kleinen Vortrag für die Jungkosmonauten beenden. Aber die vier gaben sich noch nicht zufrieden.

„Dann muß ich also mit meiner Aufklärungsrakete einen Ausflug machen?“ erkundigte sich der Pilot Kioto Yokohata erfreut. „Da werde ich in den Meteoritenschwarm hineinfliegen müssen.“

„Ja und nein“, sagte der Kommandant nach einigem überlegen. „Ausfliegen mußt du zwar, aber nicht in den Schwarm hinein, was übrigens mit kleinen Raumfahrzeugen bei angepaßten Geschwindigkeiten gar nicht allzu gefährlich ist. Du sollst nur seine räumliche Ausdehnung feststellen. Die flächenmäßige Ausdehnung aus unserer Anflugperspektive kennen wir ja schon, sie wird vom Radar aufgezeichnet. Du mußt also nur die Ausdehnung in der Tiefe erkunden. Die innere Struktur des Meteoritenfeldes stellen wir dann mit Hilfe von Testgeschossen fest.“

„Sollen wir bloß den Schirm beobachten, oder können wir uns auch an anderen Vorbereitungen beteiligen?“ erkundigte sich Rai Raipur, der Elektroniker aus Indien.

„Ich werde euch Aufgaben übertragen“, entgegnete Kerulen. „Nikeria, für uns ist das schon klar. Wir werden am Formax einen kleinen Rechenwirbel veranstalten. Kioto Yokohata, deine Aufgabe ist dir ja bereits gestellt worden. Du wirst jetzt gehen und die Kolibri-Rakete startklar machen. Du mußt eine Kamera mitnehmen. Wir brauchen fotografische Aufnahmen von einer zweiten Seite des Schwarmes.“

„Wie soll ich denn den Schwarm fotografieren? Er leuchtet doch weder mit eigenem noch durch reflektiertes Licht. Die Fotografie bleibt bestimmt schwarz“, sagte der Pilot.

„Stimmt genau“, lächelte Kerulen. „Du sollst auch lediglich das Bild fotografisch konservieren, das dir das Radargerät der Kolibri-Rakete auf den Schirm wirft.“

„Ach so, natürlich.“ Zu dumm, dachte Kioto. Wie hatte er bloß so eine unüberlegte Frage stellen können. Er hatte es doch während seiner Spezialausbildung auf der Erde gelernt, wie man in solchen Fällen Bilder vom Radar fotografiert.

„Filitra, du unterstützt bitte den Funker bei seinen verschiedenen Funkmessungen.“

„Halt, halt!“ mischte sich der Physiker Paro Bacos ein. „Für uns, die wir schon viele Jahre auf Meteoritenjagd mitgeflogen sind und die wir schon nicht mehr so ganz neu sind, bleibt ja rein gar nichts zu tun übrig. Wir wollen doch auch noch einen Auftrag abbekommen, Herr Kommandant!“

„Aber selbstverständlich, Herr Atomphysiker“, ging Kerulen auf den spaßhaften Ton des Ungarn ein. „Sie gehen jetzt unverzüglich schlafen.“

Paro Bacos machte ein betroffenes Gesicht. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Kommandant“, klagte er.

„Doch, doch, Herr Atomphysiker. Das ist mein voller Ernst. Ich erteile Ihnen den Befehl, schlafen zu gehen. Warum? Ganz einfach. Der Herr Atomphysiker wird den Helicon bedienen, aber erst in einigen Stunden, wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind und die Bekämpfung des Schwarmes beginnt. Bis dahin müssen Sie gut ausgeruht sein! Verstanden?“

„Jawohl, Herr Kommandant!“

Paro Bacos salutierte. „Für Sie, Salamah El Durham, habe ich auch etwas zu tun. Machen Sie bitte zwei Testgeschosse abschußfertig. Versehen Sie die automatischen Kundschafter mit einer kleinen Stoppladung aus pulverförmigem Raketentreibstoff.“

„Jawohl. Sollen die Testgeschosse außerdem noch eine Plutoniumladung erhalten?“

„Wieso? — Ach so. Ja. Für den Fall, daß wir die Testgeschosse nicht wieder einfangen können und durch Fernzündung zerstören müssen, könnten wir Plutonium einsetzen. Das ist richtig. Davon haben wir aus eigener Produktion genug. Der Gravitationsreaktor liefert davon eine ganze Menge. Gut, daß Sie mich daran erinnert haben.“

Kommandant Axel Kerulen setzte seine Anweisungen fort. Auch die anderen Besatzungsmitglieder erhielten Aufträge. Jeder ging danach an seine Arbeit.

Filitra Goma trat zum Funk- und Radarpult, um es näher in Augenschein zu nehmen. Da sah sie in einem der Sessel ein Buch liegen. Sie blieb stehen und nahm es in die Hand. Auf dem Einband stand in großen Buchstaben:

Meteoritenfelder Radar registriert General-Catalogue

Das war also der General-Katalog für radarregistrierte Meteoritenfelder. Interessiert blätterte sie in dem dicken Band. Es war unglaublich, wieviel Meteoritenfelder es gab. Eine ganze Anzahl hatte vor ihrer Registriernummer ein dickes, fettgedrucktes Minuszeichen. Das bedeutete, daß sie beseitigt worden waren und keine Gefahr mehr für die Raumfahrt bedeuteten. Die Mehrheit der Nummern hatte aber noch immer ein warnendes rotes Pluszeichen davor.

Filitra nahm sich vor, demnächst einmal in diesem General-Katalog zu lesen. Sie legte ihn wieder hin. Jetzt mußte sie ihren Auftrag ausführen und Norbert Franken bei einigen Funkmessungen helfen.

Henry Lorcester war einer derjenigen, die bei der Verteilung der Aufgaben leer ausgegangen waren. Das tat ihm aber nicht leid, denn er kannte den Arbeitsablauf, der jetzt einsetzen würde, nur zu gut. Er hatte ja schon zehn Monate Dienst auf dem Raumschiff der jungen Generation, auf AJ-417, hinter sich. Er begnügte sich damit, zuzusehen, wie Filitra an den Geräten hantierte.

Auf dem zentralen Bildschirm war der milchige Nebelfleck der Radarreflexion inzwischen beträchtlich angewachsen. Er hatte sich zu einem unregelmäßigen Gebilde von etwa eineinhalb Meter Durchmesser entwickelt. Dieses großflächige Radarbild wurde von Minute zu Minute größer. Hier und da begannen sich schon einzelne Fünkchen zu zeigen. Das waren die größten Meteoriten des Schwarmes.

Norbert Franken trat an Henry Lorcester heran. „Würdest du mich ein wenig unterstützen?“ fragte er. „Ich könnte noch einen Helfer brauchen.“

„Aber selbstverständlich“, antwortete Lorcester. „Was kann ich tun?“

„Sei so gut und nimm ein Radargerät zusätzlich in Betrieb. Je näher wir dem Feld kommen, desto mehr sind wir der Gefahr ausgesetzt, mit Außenseitern des Schwarmes zusammenzustoßen. Diese abseitsfliegenden Meteoriten könnten durch unser künstliches Gravitationsfeld angezogen und auf das Raumschiff abgelenkt werden.“

Franken hatte kaum diesen Satz ausgesprochen, als seine Befürchtung auch schon wahr wurde.

Henry Lorcester fühlte plötzlich, wie sein Körpergewicht aufhörte zu existieren. Ihm wurde ganz wunderlich und leicht zumute. Er hatte kein Gefühl mehr dafür, wo unten oder oben war. Alles schien sich um ihn zu drehen und durcheinanderzufallen. Schließlich nahm er wahr, daß er schwebte. Vorsichtig, jede ruckartige Bewegung vermeidend, griff er nach der Lehne eines Sessels. Er wollte sich hineinziehen und festschnallen. Man konnte nicht wissen, was jetzt alles passieren würde. Es gelang ihm aber nicht mehr.

Gleichzeitig mit dem Schwinden der Schwere durchdrang ein tiefer Brummton das ganze Schiff. Das war das akustische Signal dafür, daß das künstliche Gravitationsfeld vom Pilotron vorübergehend abgeschaltet worden war. Für einen kurzen Augenblick schlug die Radarklingel an.