Während der ganzen Zeit, in der das künstliche Gravitationsfeld abgeschaltet war und Schwerelosigkeit im Raumschiff herrschte, machte Sagitta Rundgänge. Das Laufen mit den Haftschuhen, an denen Magnetsohlen befestigt waren, war sehr anstrengend. Es war Aufgabe der Ärztin, jetzt ständig über den Gesundheitszustand der Besatzung zu wachen. Bei längerandauernder Schwerelosigkeit konnte es vorkommen, daß bei dem einen oder anderen Menschen funktionelle Störungen eintraten und ärztliche Hilfe notwendig wurde. Wenn Sagitta bei ihren Rundgängen durch das Raumschiff in den zentralen Steuerraum kam, verweilte sie etwas und ruhte sich aus. Zuerst überzeugte sie sich aber davon, daß noch alle im Zentralposten anwesenden Kosmonauten wohlauf waren. Erst danach gönnte sie sich etwas Zeit. Dabei verfolgte sie den Ablauf der Vernichtung des Meteoritenschwarmes.
Auf einen solchen stillen Betrachter, wie es die Ärztin war, wirkte der Anblick des Fernsehbildes des immer enger und enger werdenden Ringes der dunkelrot glühenden Gase so, als rase das Raumschiff Stunde um Stunde durch einen immer kleiner und schmaler werdenden, nie endenden Tunnel, dessen Wände kirschrot wie erhitztes Eisen glühten.
Nach etwa vier Stunden, als sich der Flammenkranz bis zu einem Durchmesser von 70 Kilometern verengt hatte, ergab sich durch die Radarkontrolle, daß der Helicon den dichter werdenden Vorhang der Meteoriten nicht mehr bis zur Spitze des Schwarmes zu durchdringen vermochte. Kerulen steuerte den Raumjäger näher an den Schwarm heran.
Die Distanz verringerte sich von 320 auf 130 Kilometer. Die Durchschlagskraft des Strahlenwerfers erhöhte sich damit.
Kioto Yokohata, der nach seinem Aufklärungsflug noch einmal zu Beginn der Aktion zusammen mit dem Navigator in den Weltraum gestartet war, um von einer zweiten Seite die Radarkontrolle auszuüben, meldete, der Meteoritenschwarm beginne sich pilzförmig umzubilden. Der Stiel des Pilzes, das Ende des Schwarmes, weise auf das Raumschiff. Und der Schirm, der dem Stiel voranfliege, beginne zu zerblättern.
Paro Bacos vergrößerte noch einmal den Kreis, den der Helicon um die Meteoriten zog, auf einen Durchmesser von 150 Kilometern. Nach weiteren zwei Stunden hatte er auch den Schirm, die Spitze des Schwarmes, auf 70 Kilometer begrenzt. Das Meteoritenfeld hatte damit gewissermaßen die Form eines langen, dicken Wurmes angenommen.
Kommandant Kerulen entschloß sich, den Meteoritenschwarm durch einen Eingriff so zu verformen, daß er dem Helicon mehr Angriffsfläche bot. Der Schwarm konnte dadurch schneller beseitigt werden. Er erteilte der Kolibri-Rakete über Funk den Auftrag, dem Schwarm eine Plutoniumbombe in den Weg zu werfen. Wenige Minuten später glühte etwa eintausend Kilometer vor dem Raumschiff mit gleißendem Schein eine Kernexplosion auf. Schnell dehnten sich die Explosionsgase nach allen Seiten aus. Die vorderen Meteoriten wurden stark abgebremst. Die letzten Raumsplitter des Schwarmes dagegen verloren kaum noch an Gechwindigkeit, weil die Gaswolke sehr schnell an Dichte verlor und dem Flug der Meteoriten kaum noch Widerstand bot. Die letzten Meteoriten des Feldes flogen jetzt also schneller als die ersten. Der Schwarm wurde kürzer und strebte dafür mehr und mehr in die Breite. Die Kraft des Helicons reichte nun aus, den Schwarm zu durchdringen.
Die Bekämpfung der Meteoriten und ihre vollständige Vernichtung näherte sich damit ihrem Abschluß. Der Strahlenwerfer arbeitete mit äußerster Energie. Der tunnelartige Feuerschlauch, durch den das Raumschiff zu fahren schien, verengte sich zusehends. Nach einer weiteren Stunde waren es nur noch 20 Kilometer Durchmesser und schließlich nur noch 10.
Dann kam der Augenblick, wo der letzte Meteorit verglühte. Das mächtige Strahlenbündel des Helicons stieß ins Leere. Vergebens tastete Paro Bacos nach Resten des Schwarmes. Auch die Radargeräte bestätigten, daß keine Meteoriten mehr vorhanden waren. Selbst die Dichte der Partikel sank für einige Zeit auf Null ab.
MRGC 763 (F 12) existierte nicht mehr. Im Katalog würde fortan vor den Symbolen dieses Schwarmes statt des warnenden roten Pluszeichens ein schwarzes Minuszeichen vermerkt sein. Die Weltraumfahrer der Erde hatten einen Feind weniger. AJ-408 konnte zum 520. Sonnenkreis zurückkehren.
Kommandant Kerulen schickte nun einen kurzen Bericht über den Bordfunk:
„Achtung! Achtung! — Die Bekämpfung des Meteoritenfeldes ist beendet. Es wurde die Vernichtung von 376 Meteoriten registriert. Die Anzahl der beseitigten sandkorngroßen Kleinstmeteoriten wird auf mehrere tausend geschätzt — Achtung! Das Gravitationsfeld wird eingeschaltet! Die Schwerkraft kehrt wieder. — Ende.“
Seit der Entdeckung des Schwarmes am Mittag waren vierzehn Stunden vergangen. Nach irdischer Zeit war es weit nach Mitternacht. Trotz dieses langen Arbeitstages herrschte eine großartige Stimmung unter den Astronauten; die hohe Abschußziffer ließ alle, auch die übermüdetsten Gesichter, freudig strahlen.
Das künstliche Schwerefeld kehrte langsam zurück. Die Astronauten legten ihre Schutzanzüge und Haftschuhe ab. überall im Schiff, auf allen Stationen und in allen Sektionen des Rumpfes, warfen die Astronauten einen letzten prüfenden Blick auf Skalen, Uhren und Instrumente. Dann verließen sie ihre Arbeitsplätze. Alle waren sie müde und hungrig. Das erste große Gefecht zwischen den Sternen war erfolgreich beendet.
Das Experiment im Weltall
Das Raumschiff AJ-408 war nun schon zwei Monate den gefährlichen Asteroiden und Meteoriten auf der Spur. Es war nicht bei den ersten Jagderfolgen, bei dem „Faustkeil“ und dem MRGC-Schwarm, geblieben. Der Raumjäger 408 hatte seitdem etliche Male Meteoriten aufgespürt und vernichtet. Die weitreichenden Radarfühler des Schiffes suchten unermüdlich in weitem Umkreis den Weltraum ab. So kam es, daß die Astronauten dieses Raumschiffes weitaus häufiger eine Begegnung mit Meteoriten hatten, als das normalerweise für die Weltraumforscher anderer Weltraumraketen möglich war. Es war ja schließlich die Aufgabe der Männer und Frauen auf AJ-408, solche Begegnungen zu Suchen, um die Meteoritengefahr im interplanetaren Raum systematisch zu verringern. Für die Besatzung des Raumjägers war die schrille Alarmklingel des Radars gewissermaßen schon etwas Gewohntes geworden.
Viel schwieriger gestaltete sich dagegen die Suche nach Asteroiden. Denn die wichtigste, die Hauptaufgabe der Asteroidenjäger, das sagte schon ihr Name, war es, noch nicht entdeckte Asteroiden ausfindig zu machen und sie, da sie für die Beseitigung zu groß waren, mit Funkwarnfeuern auszustatten. AJ-408 hatte bisher in dieser Beziehung keinen Erfolg gehabt.
Dafür waren aber Mirsanow und Lorcester bei der Erforschung der Antiteilchen erfolgreich. Sie hatten beide nach mühevollen Experimenten im Laboratorium eine Lösung für das Einfangen von Antiteilchen gefunden. Die beiden Wissenschaftler hatten sich eine Theorie für eine Anti-Falle erarbeitet.
Der Bau einer solchen Anti-Falle würde die Arbeit von nur wenigen Tagen sein. Es fehlte lediglich ein geeigneter Platz im Weltraum. Dieser Platz könnte ein größerer Meteorit, ein Asteroid oder ein Planetoid sein. Wenn das Raumschiff bald einem solchen Weltraumkörper begegnen würde, könnte Mirsanow einen Großversuch machen.
Unerwartet schnell wurde den beiden Forschern eine Gelegenheit dazu geboten.
Eines Tages wurde eines der Radargeräte defekt. Das Lager einer Radarantenne hatte sich verklemmt. Die Antenne hörte auf zu kreisen und blickte starr in eine Richtung. Durch den plötzlichen Ruck, mit dem sie stehenblieb, entstand ein Kabelschaden, der wiederum einen Schaltfehler verursachte. Dieser Schaltfehler erhöhte die Leistung des Radargerätes ganz bedeutend.
Die Störung wurde nach wenigen Minuten bemerkt, und drei der Besatzungsmitglieder machten sich bereit, das Raumschiff zu verlassen. Darüber vergingen zwanzig Minuten, denn die schweren Raumanzüge konnten nicht im Handumdrehen angelegt werden. Außerdem mußten die erforderlichen Ersatzteile und Werkzeuge eingepackt werden.