Nur Filitra Goma erschauerte bei dem Gedanken an einen eventuell unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß des Schiffes mit einem im All umherirrenden Gesteinsbrocken. Um sich zu beruhigen, wandte sie sich an den Kernphysiker Paro Bacos, ihn nach seiner Meinung über den Zeitpunkt des ersten Zusammentreffens mit einem Asteroiden oder einem Meteoriten fragend.
Paro Bacos, dessen Familie im südeuropäischen Kulturbereich, auf der Balkanhalbinsel, wohnte — seine Vorfahren waren Ungarn —, gehörte zu den alten Hasen. Er flog schon zum drittenmal mit auf Jagd nach Meteoriten. Seit vor acht Jahren sein bester Freund durch ein solches heimtückisches Geschoß aus dem Weltraum zusammen mit der Besatzung einer Forschungsrakete ums Leben gekommen war, stellte er seine Arbeitskraft völlig dem Weltraumsicherungsdienst zur Verfügung.
Der erfahrene und besonnene Raumfahrer spürte die Furcht des Mädchens. Er nahm sich vor, wahrheitsgetreu zu antworten und dennoch sowohl die ängstliche Filitra zu beruhigen als auch den tatendurstigen Kioto nicht zu enttäuschen. „Wir werden uns nicht zu langweilen brauchen“, sagte der Kernphysiker. „Schließlich zirkulieren viele Millionen kleiner und großer Gesteinsbrocken um die Sonne. Fast alle passieren auf dem sonnenfernsten Teil ihrer Bahn den Raum zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Außerdem gibt es mindestens 30000 Asteroiden, von denen erst rund 8000 gefunden und mit Funkwarnfeuern versehen worden sind. Unsere Raketenkette durchforscht den Weltraum zwischen Mars und Jupiter zur Zeit in einer Breite von rund 40 Millionen Kilometern. Das hat uns der Funkspruch von AJ-401 deutlich verraten. Die jeweils 2 Millionen Kilometer zwischen den einzelnen Raketen werden vom Radar abgetastet. Auf diese Weise wird kaum ein Tag vergehen, ohne daß wenigstens ein Meteorit entdeckt und gewissermaßen im Vorübergehen ohne die geringste Gefahr für uns beseitigt wird. Die meisten von ihnen sind auf der Ebene der Ekliptik, der Erdbahnebene, anzutreffen. Deshalb bewegen sich auch die Flottillen der Asteroidenjäger hauptsächlich auf der Ebene der Ekliptik.“
Paro Bacos erhob sich von der Armlehne des Sessels, auf der er bis jetzt gesessen hatte, um mit ausgebreiteten Armen darzustellen, wie die Kette der Raketen bei der Suche vorgehe. „Alle ein bis zwei Monate wird erfahrungsgemäß sogar ein ganzer Schwarm von Meteoriten aufgespürt. Dann wird die Raketenkette zusammengezogen.“ Paro Bacos ließ die ausgebreiteten Arme sinken und näherte seine beiden Handflächen einander bis auf wenige Zentimeter. „Das gibt dann stets ein tüchtiges Feuerwerk unter den Sternen, wenn alle Asteroidenjäger nebeneinander, nur mit wenigen tausend Kilometern Abstand, hinter einem solchen Schwarm herrasen und dabei immer wieder die Strahlenwerfer spielen lassen“, sagte er, vergnügt mit de.r Zunge schnalzend. „Diese dichte Postenkette vermag kein Meteorit zu durchbrechen. Die Raumschiffe schirmen sich gemeinsam gegen den Schwarm ab. Sie bieten sich gegenseitig ausreichenden Schutz.“
Drei laute Gongschläge hallten durch das Schiff und unterbrachen seine Darstellungen. Sie riefen den Teil der Mannschaft auf ihren Posten, der jetzt für den Bereitschaftsdienst eingeteilt war. Der Bereitschaftsdienst eilte in die Kommandozentrale. Dort angekommen, schlüpften die Männer in bereitliegende Sicherheitsanzüge.
Jeder der Weltraumfahrer, gleich, ob Techniker oder Wissenschaftler, war in der Lage, an einem der vier Kommandopulte Dienst zu tun. Wenn auch die automatischen Anlagen das Raumschiff im wesentlichen steuerten, so mußte doch der Mensch die Befehle geben und ihre Tätigkeit überwachen. Umgekehrt mußten wiederum die Ingenieure den Wissenschaftlern in ruhigen Flugperioden bei den Forschungsarbeiten assistieren.
Für Paro Bacos bedeuteten diese Glockenschläge, daß er sich in einen besonderen Raum, in das Regelzentrum der Gravitationsmaschinen, begeben mußte. Eine seiner Aufgaben im Raumschiff war es nämlich, das gesamte Gravitationssystem der Rakete zu überwachen und für das einwandfreie Funktionieren dieser Einrichtung zu sorgen, über die gesamte Länge des Raumschiffes waren Anlagen verteilt, die unabhängig von der Masse des Raumschiffes ein künstliches Gravitationsfeld erzeugten. Dadurch wirkte in allen Räumen der Rakete eine Schwerkraft, die der auf der Erdoberfläche etwa gleichkam. Deshalb konnten sich die Weltraumfahrer jederzeit wie auf der Erde bewegen. Das war bei längeren kosmischen Fahrten für das einwandfreie Funktionieren des menschlichen Organismus von großer Wichtigkeit. Früher, bei veralteten Raketentypen, wurde diese Schwerkraft durch Fliehkraft ersetzt, indem man die Raumschiffe um ihre Längsachse rotieren ließ. Das brachte aber eine Komplizierung der astronautischen Probleme mit sich. Die bessere Methode zur Erzeugung von Schwerkraft — die Erzeugung durch Gravitationsfelder-hatte außerdem noch den Vorteil, daß man dieses künstliche Kraftfeld je nach Bedarf sowohl senkrecht als auch parallel zur Längsachse des Raumschiffes wirken lassen konnte. Paro Bacos hatte also eine der verantwortlichsten Aufgaben zu erfüllen. Deshalb hatte er sich, als die drei Glockenschläge ertönten, die den Bereitschaftsdienst riefen, sofort auf einen Kontrollgang durch das Raumschiff zur Überprüfung des Gravitationssystems begeben.
Als alle Steuer-, Kontroll- und Beobachtungsposten in der Steuerzentrale besetzt waren, gab der Kommandant die bevorstehenden Manöver bekannt; seine Worte wurden durch Tonträger in alle Räume des Schiffes übertragen.
„Wir werden zunächst eine geringfügige Korrektur unserer Flugbahn vornehmen. Unsere Rakete ist um etwa 10000 Kilometer von dem vorgeschriebenen Kurs abgewichen“, sagte Axel Kerulen. „Die Korrektur muß vorgenommen werden, um wieder in exakte Übereinstimmung mit der Ebene der Ekliptik zu kommen, auf der sich unsere Flottille bewegt. Dieses kleine Manöver dauert nicht ganz 4 Minuten. Anschließend soll die Rakete in einer großen Kurve auf den 520. Kreis eingesteuert werden. Wir brauchen dazu 20 Minuten und 42 Sekunden. Drittens soll unsere Reisegeschwindigkeit der der Flottille angepaßt und von 45 auf 16 Kilometer je Sekunde abgebremst werden. Am Schluß der Geschwindigkeitsverringerung befinden wir uns dann in der Nähe von AJ-417. Wir wollen mit unseren Kameraden dort Kontakt aufnehmen und alles zu ihrer Ablösung vorbereiten. Im Augenblick fliegt AJ-417 noch rund 130000 Kilometer von uns entfernt.“
„Wie groß wird der Faktor g und die damit verbundene Gewichtszunahme unseres Körpers sein?“ erkundigte sich der Elektroneningenieur, der Inder Rai Raipur, der vor den Radarschirmen saß.
„g wird nicht mehr als 1,8 erreichen“, antwortete ihm Oulu Nikeria, der schwarze Mathematiker, der noch vor der Tastatur des Rechenzyklons saß, wo er die Flugbahn der Rakete für die Manöver berechnet hatte. „Die Flugbahnkurve ist in jedem Fall groß genug gewählt.“
„Das bedeutet“, ergänzte Kommandant Kerulen, „daß niemand die Konturensessel aufzusuchen braucht. Auch dann nicht, wenn die Bremsdüsen arbeiten. Unser Körpergewicht wird sich nicht einmal verdoppeln.“
Oulu Nikeria erhob sich, um die Kontroll- und Meßkarten für die einzelnen Kommandopulte zu verteilen. Er hatte sie dem Formax, dem elektronischen Rechenzyklon, entnommen, der die Karten nach jeder Flugbahnberechnung automatisch ausdruckte. Auf den Meßkarten standen lange Kolonnen von Zahlen. Sie gaben im voraus die Meßwerte an, die zu einer bestimmten Uhrzeit auf den Skalen der Armaturen abzulesen sein mußten, wenn das Manöver ordnungsgemäß verlief. Eventuelle Abweichungen mußten sofort korrigiert werden.
Während sich die Männer in die langen Zahlenkolonnen vertieften, trat Kerulen an den Pilotron, den automatischen Astropiloten. Das U-förmige Gehäuse des Pilotrons befand sich im Zentrum des ovalen Steuerraumes. Auf seiner polierten Oberfläche waren zahlreiche Hebel, Klinken, Skalen, Knöpfe, Tasten und verschiedenartige Kontrollämpchen angeordnet. Außerdem waren Tabellen, Diagramme, Sicherungen und das Glas mehrerer kleiner Bildschirme und Oszillographen sowie einige Mikrophone und Lautsprecher zu erkennen. Kerulen nahm ebenfalls eine Meßwertkarte, um an Hand der Angaben dem automatischen Piloten die neuen Kurswerte für die bevorstehenden Manöver mitzuteilen. Das Einstellen der entsprechenden Hebel und Klinken und das Niederdrücken einiger Tasten und Knöpfe nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Danach blieben noch bis zum Beginn des Manövers einige Minuten Zeit. Kerulen, der die Einstellungen am Pilotron stehend vorgenommen hatte, ließ sich abwartend in seinem Kommandosessel an der offenen Seite des U-förmigen Pultes nieder.