Tag und Nacht, Stunde um Stunde sandten die Antennen aller Raumschiffe ununterbrochen Impulse aus, ständig ein und denselben Schaltbefehl wiederholend. Erreichten diese Impulse ein Funkwarnfeuer, schaltete es sich automatisch ein, sobald sie kräftig genug waren. Das geschah in der Regel dann, wenn sich das betreffende Raumschiff auf 2 Millionen Kilometer einem mit Funkwarnfeuer ausgerüsteten Asteroiden genähert hatte.
Die Warnsignale erloschen erst wieder, wenn sich das impulsstrahlende Raumfahrzeug weit genug entfernt hatte.
Ein solches Warnfeuer funkte unentwegt seine Sendung in den Weltraum, solange ein Raumschiff in der Nähe war. Es nannte den Namen oder die Nummer des Asteroiden, auf dem es stand, die Bahngeschwindigkeit des Planetoiden, die Umlaufzeit um die Sonne sowie den sonnenfernsten und den sonnennahesten Punkt der Bahn. Es zählte die charakteristischsten Daten des kleinen Himmelskörpers auf, wie Maße und Abmessung, Form und Dichte, Volumen und Anziehungskraft.
Jeder Raumschiffkommandant wurde auf diese Weise frühzeitig auf die Begegnung mit einem Kleinplaneten vorbereitet. Auch die selbständig steuernden Pilotrone der Raketen konnten auf die zugefunkten Angaben entsprechend reagieren. Sie stellten mit Hilfe der Funkpeilung den Standort und die Bewegungsrichtung des Asteroiden fest. Auf diese Weise konnten sie die Rakete so um die unsichtbare Klippe im Kosmos steuern, daß die Sicherheit von Besatzung und Schiff gewährleistet war.
Funkwarnfeuer wurden erst seit vierzig Jahren errichtet. Wo auch immer ein Raumjäger einen dieser kleinen Planeten aufspürte, stets wurde ein Funkwarnfeuer aufgebaut. Auf diese Art hatte man von den schätzungsweise 30000 Asteroiden, die innerhalb des Sonnensystems kreisten, schon 8000 mit den automatischen Warnstationen augerüstet.
Der immer umfangreicher werdende interplanetare Verkehr machte eine solche Maßnahme unbedingt erforderlich. Die Sicherheit des Lebens war seit Beginn des kosmischen Zeitalters, seit dem Start des ersten bemannten Raumschiffes, oberstes Gesetz in der Raumfahrt.
Durch die Errichtung von Funkwarnfeuern auf Asteroiden bei gleichzeitiger Säuberung des kosmischen Raumes innerhalb des Sonnensystems von Meteoriten wurde auch der Einsatz sehr schneller interstellarer Photonenraketen und Graviplane möglich. Diese beiden neuen Arten von Raumfahrzeugen konnten fast mit Lichtgeschwindigkeit, also annähernd 300000 Kilometer in der Sekunde, fliegen. Bei einem solchen Tempo würde das Bordradar fast wirkungslos sein.
Die Funkwarnfeuer dagegen waren mit ihrer starken Sendeleistung in der Lage, jedes noch so schnell fliegende Raumschiff auf das Hindernis im kosmischen Raum aufmerksam zu machen. Die so gewarnten Raketen konnten also trotz ihres schnellen Fluges rechtzeitig ausweichen.
Das Funkwarnfeuer auf Adonis aber blieb immer noch gefährlich stumm. Norbert Franken versuchte mit Hilfe des Radars ein genaues Bild von den Umrissen des Zwergplaneten zu erhalten. Sobald das merklich größer werdende Beobachtungsobjekt noch etwas näher herangerückt war, wollte Franken die Radarwellen verstärken, um die Oberflächengestaltung des Asteroiden deutlicher erkennen zu können.
Franken hatte sich schon die Karten des Asteroiden Adonis griffbereit hingelegt. Seine Aufgabe war es, Veränderungen der Umrisse und der Oberfläche auf die Karten zu übertragen, damit für eine eventuelle Aussetzung einer Landegruppe einwandfreie Unterlagen zur Verfügung standen. Es war durchaus möglich, daß sich im Laufe der Jahrzehnte einiges verändert hatte; denn die Karten waren angefertigt worden, als vor vielen Jahren das erste Funkwarnfeuer auf dem Planetoiden Adonis aufgebaut worden war. überall im Raumschiff gingen die Vorbereitungen auf das Zusammentreffen mit dem Asteroiden zügig voran. Die Besatzungsmitglieder überprüften ihre schweren Raumanzüge und legten für die kosmischen Ausflüge Sauerstoffflaschen und konzentrierte Nahrungstabletten bereit. Im Bugraum hoben mechanische Greifer die kleine Erkundungsrakete auf das Katapult. Kisten mit Ersatzteilen und Werkzeug zur Reparatur des gestörten Funkwarnfeuers wurden herbeigeschafft und in den Räumen neben den Schleusen griffbereit hingelegt.
Die Wissenschaftler bereiteten sich in ihren Arbeitszimmern und in den Laboratorien auf die Begegnung mit dem Asteroiden Adonis vor. Der Geologe und die Chemikerin wollten die besondere Eigenart seiner Schlackenhalden, die bei den sonnennahen Durchgängen entstanden, untersuchen. Der Astrobotaniker beabsichtigte, Mikroorganismen an geschützten und ungeschützten Stellen auszusetzen und ihr Verhalten vergleichend zu beobachten. Henry Lorcester plante Messungen der Kraftlinien im Gravitationsbereich des Asteroiden. Timofei Mirsanow bereitete das Aufstellen einer neuen Anti-Falle vor. Die Falle damals auf der Felsplatte war abgebaut worden, nachdem sie zehn Tage erfolgreich gearbeitet hatte.
Der Großversuch war gelungen. Mehrere Milligramm Antiteilchen-Materie hatten gewonnen werden können.
Filitra Goma, die Chemikerin aus Brasilien, stand in ihrer Kabine am Bullauge und preßte das Gesicht an das Panzerglas. Das“ elektrische Licht in der Kabine war gelöscht. Ihre Augen spähten in den Sternenschein. Jeden Augenblick mußte der Asteroid Adonis auftauchen.
Filitra war nicht allein. Henry hatte sich eingefunden. Die zwei jungen Menschen wollten den immer wieder aufregenden Augenblick, den das Auftauchen eines Himmelskörpers mit sich brachte, einmal mit dem bloßen Auge erleben.
Filitra hatte Glück. Sie gewahrte einen Stern, der nur sehr schwach leuchtete, der aber deutlich wahrnehmbar wanderte. Zuerst war sie nicht sicher, ob dieses schwache Lichtfleckchen — unter den vielen anderen Sternen sehr schwer im Auge zu behalten — wirklich der Gesuchte war. Aber als dieses unscheinbare Sternchen von Minute zu Minute größer wurde und auch an Leuchtkraft gewann, schwanden ihre Zweifel. Der Asteroid reflektierte, ähnlich wie der Mond, das Sonnenlicht. Er leuchtete aber bedeutend matter. Filitra rief Henry, der auf der Liege saß, herbei.
Beide stellten sich aneinandergelehnt vor das kleine Bullauge und starrten hinaus. Ihre Ohren waren vor Aufregung ganz rot geworden. Begierig nahmen die Augen immer mehr Einzelheiten auf. Mit kurzen, zugeraunten Bemerkungen teilten sie sich ihre Beobachtungen mit.
Zuerst enthüllte sich ihnen der Umriß des Asteroiden. „Er ähnelt einem arg zerdrückten Klumpen Knetmasse“, sagte Filitra. Diese Bemerkung traf durchaus zu. Man konnte Adonis nämlich allenfalls mit einem der unförmigen, rauhen Steine vergleichen, wie sie auf Geröllhalden und an Gletscherrändern zu finden waren.
Der Zwergplanet Adonis war einer der Kleinsten unter den Kleinen. Sein Durchmesser betrug etwas weniger als einen Kilometer. Dafür tat er sich aber mit einer anderen Eigenschaft hervor. Seine Bahn war im Gegensatz zu der Mehrzahl der Asteroiden eine gestreckte Ellipse mit sehr großer Exzentrizität. Diese Bahn führte ihn bis auf nur 60 Millionen Kilometer an die Sonne heran. Als Adonis ganz dicht, bloß wenige Kilometer vom Raumschiff entfernt, vorüberzog, die Bahn der Rakete dabei langsam schneidend, waren verschiedene Einzelheiten zu erkennen.
Filitra Goma war enttäuscht. Vergebens hielt sie nach den für Asteroiden so typischen, nadelscharfen Felszacken und nach den bizarr und grotesk getürmten Gesteinsquadern Ausschau. Statt dessen sah sie die Spuren, die die Sonne mit ihrer Glut immer dann hinterlassen hatte, wenn Adonis mit erhöhter Geschwindigkeit den sonnennahesten Teil seiner Bahn durcheilte. Das geschah alle vier Jahre. Rund plus 400 Grad Celsius durchglühten dann monatelang das Gestein und ließen es porig, blasig, schlackig und rissig werden. Tiefe Sprünge und Spalten durchzogen den zusammenhängenden Felsgrund.