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Im großen Steuerraum war es jetzt ganz still geworden. Nur wer genau hinhörte, vermochte das stark gedämpfte zeitweilige Knacken und Klicken der rastlos arbeitenden verschiedenen Automatiken und das leise beständige Summen des Formax festzustellen, der in der Rückwand der Zentrale eingebaut war. Der Kommandant hob seine Hand zu einem der Knöpfe. Die helle Beleuchtung im Steuerraum verringerte sich fast unmerklich um drei Viertel. In dem nun herrschenden Halbdunkel traten um so mehr die grünlich, bläulich und rötlich schimmernden Skalenbeleuchtungen am Pilotron und an den Hilfspulten, dem Navigationspult, dem Triebwerkspult dem Funk- und Radarpult sowie am Förmax und am Helicon hervor. Von den Männern im Sicherheitsanzug waren nur noch die Umrisse zu erkennen. Kerulen wandte sich zur anderen Seite seines U-Pultes, um dort die Tasten für den großen Bildschirm und für die Außenkameras niederzudrücken.

Dieser Bildschirm nahm einen großen Teil der Stirnseite des Steuerraumes ein. Er war über fünf Meter breit und etwa zwei Meter hoch. Kabel verbanden ihn wahlweise mit sechs verschiedenen Gruppen von Fernsehkameras, die am Bug, am Heck und an den vier Seiten der Rakete in die äußere Panzerung eingelassen waren.

Der große Bildschirm erhellte sich langsam. Das All tat sich den Astronauten mit seiner ganzen schwarzen Unendlichkeit auf. über diesen Abgrund waren die gestochen scharfen Fünkchen der Myriaden ferner und fernster Sterne wie ein zur Ewigkeit erstarrter Schleier gebreitet.

Die wenigen Minuten waren verstrichen. Ein hohes, helles Klingen durchdrang warnend alle Räume des Weltraumschiffes. Dies war das Zeichen dafür, daß der Pilotron in einigen Sekunden mit den Kursänderungen beginnen würde.

In den Nachhall des Warntones drang ein dumpfes Rauschen und Brausen. Der Atomantrieb begann zu arbeiten. Steuerdüsen im Heck drückten aus einer Richtung auf die Rakete und änderten ihre Lage im Weltraum. Der Bug des Schiffes neigte sich mehr und mehr. Die starre, sonst unbewegliche Sternenwelt begann sich auf dem großen Bildschirm langsam zu verschieben. Die hellen, gut sichtbaren Sterne im Vordergrund, die bisher am unteren Rand des Bildes standen, verschoben sich zur Mitte, wanderten weiter und verharrten schließlich im oberen Teil des Schirmes. Aber schon nach einer Minute rutschten die hellen Sterne im Vordergrund in umgekehrter Richtung über den Bildschirm, bis sie wieder auf ihrem alten Platz am unteren Rand standen.

Die Rakete hatte ihre alte Lage eingenommen. Der erste Teil des Manövers war ausgeführt. Das Schiff hatte die etwa 10000 Kilometer, die es von der Ebene der Ekliptik abgewichen war, ausgeglichen. Es befand sich jetzt also auf der gedachten, theoretisch angenommenen Scheibe, auf der sich die Erde im Verlauf eines Jahres einmal um die Sonne bewegt. Diese Scheibe war zur besseren Orientierung der Navigatoren der Weltraumschiffe in Gedanken über den Erdbahndurchmesser hinaus bis an den Rand des Sonnensystems verlängert worden.

Sachlich und nüchtern folgten die Männer auf ihren Plätzen den Zeigerausschlägen ihrer Meßgeräte. Mit äußerster Konzentration prüften sie die Angaben der Geräte und verglichen sie mit den Zahlen ihrer Meßkarten. „Meßwerte bisher klar!“ meldete der Navigator. Von den anderen Pulten wurde die gleiche Meldung an den Kommandanten gegeben. Sie bedeutete, daß alle vorher im Formax errechneten Meßwerte mit den tatsächlichen übereinstimmten.

Nur Rai Raipur vom Radarpult teilte kurz mit: „Partikel 20:27, leicht steigend. Meßwerte sonst klar.“

Aus dieser Meldung ging hervor, daß der kosmische Staub, Mikrometeorite von wenigen tausendstel Millimeter Durchmesser, geringfügig zugenommen hatte. Die entsprechende Meßapparatur, die zuvor 20 Zusammenstöße des Raumschiffes pro Minute mit Mikrometeoriten registriert hatte, zeigte jetzt 27 Zusammenstöße an. Der Zeiger stand aber trotzdem noch tief unter der Warnmarke; denn die Mikrometeoriten durchschlugen infolge ihrer geringen Masse nicht die Außenhaut der Rakete. Sie verwandelten ihre Bewegungsenergie beim Aufprall in Wärmeenergie, so daß jeweils nur eine winzige Menge Metall des Schutzpanzers der Rakete verdampfte.

Der Pilotron kündigte durch das helle, hohe Klingen den Beginn des nächsten Manövers an. Er steuerte das Raumschiff in einem weiten Bogen nach links auf den 520. Sonnenkreis ein, also auf eine kreisförmige Flugbahn, die in einem Abstand von 520 Millionen Kilometern um die Sonne führen würde. Die hellen Vordergrundsterne wanderten jetzt langsam von links nach rechts über den großen Bildschirm. Neue Sterne erschienen am linken Bildrand, überquerten den Schirm und verschwanden wieder am rechten Rand.

Der Navigator war aufgestanden und zu einem großen Tisch getreten, auf dem Sternkarten ausgebreitet lagen. Sorgsam verglich er die Sternkarten mit dem Fernsehbild.

Schließlich machte er sich an seinem feststehenden, zur Schiffsachse justierten und auf den Fernsehschirm gerichteten Projektor zu schaffen. Er entnahm einer Kassette, die den mikrofilmierten Sternenkatalog vollständig enthielt, eine bestimmte Himmelsaufnahme der Äquatorzone, um sie in den Projektor einzulegen. Dieses Bild mußte im gegebenen Moment auf den Fernsehschirm projiziert werden.

Fünfzehn Minuten nach Beginn des zweiten Manövers schaltete Kerulen das Bugradar mit auf den zentralen Fernsehschirm. In wenigen Minuten, kurz vor Ende dieser zweiten Kursoperation, würde das wachsame Radarauge der Rakete in Flugrichtung einen unbekannten Körper im Weltraum ausmachen und Alarm geben. Gespannt wartete der Kommandant auf diesen Augenblick. Seine Absicht war es, die Besatzung, vor allem aber die vier Neulinge, einer kleinen Prüfung zu unterziehen. Sicherheitshalber blockierte er den Helicon, den Strahlenwerfer. Damit war zwar das Schiff vorübergehend wehrlos gegen Meteoriten; aber der Pilotron hatte ja noch die Möglichkeit, bei einer unvorhergesehenen Begegnung mit der Rakete auszuweichen. Außerdem flog das Raumschiff bereits in der allgemeinen Richtung der Meteoritenströme, die mit der Richtung der Drehbewegung des Sonnensystems übereinstimmte, so daß die Gefahr eines Zusammenstoßes schon deshalb wesentlich vermindert war. Durch die Blockade des Hilicons war die automatische Abwehr gesperrt und damit die Sicherheit der Rakete AJ-417, die jetzt angeflogen wurde, gewährleistet.

Der Navigator beobachtete nichtsahnend aufmerksam den großen Bildschirm. Die Sterne verschoben sich nur noch ganz wenig, kaum merklich. Der Bogen, den die Rakete im All beschrieb, ging seinem Ende entgegen und wurde immer flacher und flacher.

Von der Mitte des oberen Randes zog sich der breite, schimmernde Streifen der Milchstraße quer über den Schirm bis zur rechten unteren Ecke. In der obersten rechten Ecke, im Sternbild der Leier, glänzte als hellster Stern strahlend die Wega. Nicht ganz so hell, aber sich noch gut aus dem matten Schimmern des Sternenmeeres hervorhebend, leuchteten über das Bild verteilt Sterne wie der Atair im Sternbild des Adlers, die Sirrah im Andromeda, der Scheat im Pegasus und Fomalhaut im Sternbild südlicher Fisch.

Von den 20 Minuten und 42 Sekunden, die zum Einschwenken und Einsteuern auf den 520. Sonnenkreis benötigt wurden, waren mittlerweile 19 Minuten vergangen. Der Navigator schaltete zur optischen Überprüfung des endgültigen Kurses den auf die Schiffsachse geeichten Projektor ein. Auf dem großen Fernsehschirm entstand ein heilloses Durcheinander. Alle Sterne waren jetzt doppelt zu sehen. Langsam ordnete sich das Chaos. Beide Bilder, das Fernsehbild und das projizierte, schoben sich von Sekunde zu Sekunde mehr ineinander. Sobald sie übereinstimmten, war der 520. Kosmische Kreis erreicht.