Der Empfang der Sendung vom Epsilon Eridanus war eine hohe wissenschaftliche Leistung. Die Antwort der Astronautic darauf war richtig und eine gute Tat. Beides war jedoch nur der Auftakt zu einer noch größeren wissenschaftlichen Leistung, zu einer noch höheren, heroischen und edelmütigen Tat“, berichtete Kerulen. „Die Sendung, in einem langsamen Rhythmus zurückgestrahlt, dauerte Stunden. Als sie beendet war, war auch die Energie des Atomreaktors aufgebraucht. Es wurde erforderlich, ihn mit neuem Kernbrennstoff aufzufüllen. In dieser Zeit tauchte ein Meteorit auf. Die Astronautic vermochte jedoch nicht auszuweichen. Die Triebwerke schwiegen, denn der Kernbrennstoff war noch nicht vollends erneuert. Der Meteorit streifte das Raumschiff. Die Katastrophe brach herein. Aussicht auf Rettung gab es für die überlebenden nicht. Die wertvolle Sendung vom Epsilon Eridanus schien verloren.
In den überlebenden war aber der unbändige Wunsch wach geworden, diese Botschaft aus der Ferne für die Menschheit zu erhalten. Sie untersuchten die Reste ihres Raumschiffes und überprüften die Situation. Wochenlang lebten sie nur unter der Sauerstoffmaske und im Raumanzug. Endlich fanden sie heraus, daß es noch eine Möglichkeit gab, sich mehrere Monate am Leben zu erhalten. Sie schlossen sich in den am wenigsten verwüsteten Räumen des Wracks ein, nachdem sie die noch vorhandenen Vorräte an Lebensmitteln, Wasser, Luft und Energie sowie die notwendigen technischen Kleinanlagen in diese Räume gebracht hatten.
Der unbezwingbare Wille dieser Astronauten blieb Sieger in einem scheinbar aussichtslosen Kampf. Diese todgeweihten Menschen in dem untergegangenen Schiff brachten es fertig, die ihnen unbekannten Zeichen und Begriffe einer fremden Welt in sehr kurzer Zeit zu ergründen und die Botschaft ohne die Hilfe von Elektronenhirnen zu übersetzen. Unter gewöhnlichen Umständen hätten Wissenschaftler Jahre dafür gebraucht.
Die Kameraden der Astronautic glaubten fest daran, daß man das Wrack einmal finden wird. Diese Hoffnung war berechtigt, denn sie wußten, daß ihre zerknickte Rakete innerhalb des Sonnensystems durch das Weltall kreiste. Für den Fall eines erdnahen Durchganges ihres steuerlosen Schiffes bereiteten die Helden der Astronautic eine Raumboje vor, die von einer kleinen einfachen Automatik zur richtigen Zeit aus einer Schleusenkammer herausgeschleudert werden sollte. Die Boje enthielt die Botschaft des Epsilon Eridanus. Angesichts einer so großen selbstlosen Einsatzbereitschaft und des hohen Opfermutes achten wir zutiefst unsere Kameraden von der Astronautic.
Ihre Heldentat wäre fast nutzlos gewesen. Daß dies nicht so ist, verdanken wir einem in unserer Mitte lebenden Besatzungsmitglied dieser Rakete, dem Atomphysiker Paro Bacos. Er allein war der überraschenden Situation gewachsen, die unvermutet herannahte. Ihm verdanken wir es, daß wir schon heute im Besitz der Botschaft sind. Sein Handeln war das letzte Glied in einer langen Kette von Haldentaten, war der Schlußstrich unter eine große kollektive Leistung. Dem Atomphysiker Paro Bacos gebührt das Recht, die Botschaft vom Epsilon Eridanus zu verlesen.“
Eine leichte Unruhe, kaum spürbar, machte sich bemerkbar. Mit äußerster Spannung wartete man auf die Verlesung der Botschaft von der fremden Welt des Epsilon Eridanus. Aller Augen hingen wie gebannt an der Gestalt des ungarischen Atomphysikers. Er hatte einen unscheinbaren Bogen Papier in der Hand. Es war die im Wrack der Astronautic übersetzte Botschaft. Bleichen Gesichts wandte sich der Atomphysiker den Anwesenden zu.
„An die Bewohner des Lebensplaneten nahe dem gelben Stern — Gruß euch, ihr jungen Brüder, die ihr die ersten Schritte in die große, Jahrmillionen alte Gemeinschaft galaktischen Lebens macht.
Seit über 10000 Jahren wissen wir, daß es nahe dem gelben Stern einen Planeten gibt, der vermutlich alle Voraussetzung für die Entstehung hochentwickelten Lebens besitzt. Vor 5000 Jahren besuchte euch eines unserer Raumschiffe. Wir fanden unsere Vermutung bestätigt. Mit Verstand begabte Wesen bevölkerten diesen Planeten. Diesen Wesen fehlte nur noch eines: Vernunft. Uns war klar, würden sie einmal eine hochentwickelte Technik haben, so würden sie deswegen große Gefahren zu bestehen haben. Uns war auch klar, daß die Wesen sich die Vernunft selbst erwerben müssen und daß ihnen niemand dabei helfen kann.
Seit 400 Jahren registrieren wir aus dem Bereich des gelben Sterns elektromagnetische Ausstrahlungen. Sie können nur von eurem Planeten kommen. Diese Zeichen eines lebhaften Funkverkehrs lassen uns vermuten, daß ihr nunmehr den Stand der hohen Technik erreicht habt, der euch gefährlich sein kann, wenn die Vernunft noch nicht stark genug ist. Sie verrieten uns, daß das Wissen der Bewohner des Lebensplaneten herangereift ist und daß sie in eine entscheidende Periode ihrer Entwicklung getreten sind. Wir wissen nicht, ob bei euch Vernunft oder Unvernunft stärker sind. Aber wir wissen, wenn die elektromagnetischen Ausstrahlungen erlöschen, so hat die Unvernunft gesiegt, so seid ihr an euch selbst zugrunde gegangen. Das Anwachsen der elektromagnetischen Ausstrahlung eures Planeten berechtigt uns jedoch zu der Hoffnung, bald eine neue Gruppe vernunftbegabter Lebewesen in unsere galaktische Gemeinschaft aufnehmen zu können.
Seit 150 Jahren senden wir euch schon regelmäßig jeweils nach elf Umläufen eurer Wohnkugel um eure Sonne einen Funkspruch. Bisher haben wir noch nie eine Antwort darauf erhalten. Doch wir haben Geduld. Die Zeit kann nicht mehr fern sein, da ihr die galaktische Funksprache beherrschen werdet. Sie zu erlernen, wollen wir euch helfen. Deshalb senden wir euch seit jüngster Zeit in kurzen Abständen ein euch bekanntes Signal, das ihr selbst bei eurer funktechnischen Verständigung verwendet. Diesem Signal fügen wir einfache Zahlen und Zeichen unserer galaktischen Sprache bei. Vielleicht gelingt es uns auf diese Weise, systematisch eine allmähliche Verständigung herbeizuführen. Epsilon Eridanus sendet für euch auf Welle 2010 Megahertz.
Brüder der Erde! Hütet das Leben, es ist kostbar. Geht vorsichtig mit den Kräften des Atoms um. Achtet auf den Geist, der eure Gedanken beherrscht. Unter zahlreichen Sonnensystemen gibt es nur wenige Planeten, die hochentwickeltes Leben tragen. Fast überall hat dieses Leben kritische Zeiten der Entwicklung, Zeiten des Ungeistes überstanden und überwunden. Vielleicht habt ihr diese kritische und schwerste aller Klippen schon bezwungen. Wir wissen es nicht. Gebt uns Kunde von euch. Schließt euch unserer großen, bewährten Gemeinschaft galaktischen Lebens verschiedener, weit voneinander entfernter Sonnensysteme an. Uns verbindet die Gemeinschaft des Geistes und des Wissens, der höchsten Existenzform der Materie, der zu schöpferischem Leben erweckten Materie. Seid willkommen, seid gegrüßt! — Epsilon Eridanus.“
Eine Nachricht jagte durch den Kosmos. Die Nachricht von der wiedergefundenen Astronautic, die Nachricht von der heldenmütigen Forschungstat der Besatzung dieser Rakete, die Nachricht von der Botschaft vom Epsilon Eridanus. Die Zentrale des Weltraumsicherungsdienstes auf dem Planeten Mars fing die Meldungen auf und strahlte sie der Erde zu.
Mit der Geschwindigkeit eines Blitzes umkreisten sie die Weltkugel. Hastig wurden die Einzelheiten dieser aufsehenerregenden Mitteilungen in den jeweiligen örtlichen Nachrichtenstationen in die Sprachen der einzelnen Kulturbereiche übersetzt, dann sofort von Rundfunksendern ausgestrahlt.
Freude breitete sich unter den 19 Milliarden Bewohnern des Erdballs aus. Die Menschen waren glücklich darüber, daß es auf dem Planeten eines fernen Sonnensystems geistig hochstehende, vernunftbegabte Lebewesen gab, mit denen sie in Zukunft über eine Funkbrücke auf ewig verbunden sein würden.