»Und Sie spielen den Weihnachtsmann für Amanda und Lars.«
Humphries zuckte die Achseln.
Die beiden gingen durch den fast leeren Tunnel, bis sie die nach unten führende Rolltreppe erreichten.
Am Absatz der Rolltreppe hielt Pancho Humphries an der Schulter fest. »Ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte sie.
»Ach ja?«
»Sie hoffen, dass Lars zum Gürtel fliegt und Mandy hier in Selene zurücklässt.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Humphries und schüttelte ihre Hand ab.
»Dann können Sie sich an sie ranmachen.«
Humphries setzte zu einer Antwort an und hielt dann inne. Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Pancho«, sagte er schließlich, »ist Ihnen jemals in den Sinn gekommen, dass ich Amanda wirklich liebe? Das ist mein Ernst.«
Pancho kannte Humphries’ Reputation als Schürzenjäger. Sie hatte selbst schon genügend Beweise gesehen.
»Sie reden sich vielleicht ein, dass Sie sie lieben, Humpy, aber das liegt nur daran, weil sie die einzige Frau zwischen hier und Lubbock ist, die nicht mit Ihnen ins Bett springt.«
Er lächelte kalt. »Heißt das, dass Sie es tun würden?«
»Davon träumen Sie nur!«
Humphries lachte und betrat die Rolltreppe. Für eine Weile schaute Pancho ihm nach, wie er immer kleiner wurde, dann drehte sie sich um und ging zur Pelican Bar zurück.
Fuchs ist ein Akademiker, sagte Humphries sich, während er zur untersten Ebene von Selene hinunterfuhr. Einer von der Sorte, die noch nie hundert Dollar auf einem Haufen gesehen hat. Soll er zum Gürtel fliegen. Soll er sehen, wie viel Geld er machen kann und was man für Geld alles kaufen kann. Und während er damit beschäftigt ist, werde ich hier an Amandas Seite sein.
Als Humphries sein palastartiges Haus erreichte, war er beinahe glücklich.
Datenbank: Der Asteroidengürtel
Millionen Gesteins- und Metallbrocken treiben in einem stillen endlosen Strom durch die Leere des interplanetaren Raums.
Der größte von ihnen, Ceres, ist kaum eintausend Kilometer groß. Die meisten dieser Brocken sind indes viel kleiner und variieren zwischen unregelmäßigen Brocken mit einer Länge von ein paar Kilometern bis hinunter zu Gebilden von der Größe eines Kieselsteins. Sie enthalten mehr Metall und Mineralien, mehr natürliche Ressourcen, als die ganze Erde aufzubieten vermag.
Sie sind die Goldgrube, das El Dorado, die Gold- und Silber- und Eisen- und Erzminen des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Es gibt ein paar hundert Billiarden Tonnen an hochwertigem Erz in den Asteroiden. Sie enthalten einen solchen Reichtum, um jeden Mann, jede Frau und jedes Kind der menschlichen Rasse zum Millionär zu machen. Zum Multimillionär.
Der erste Asteroid wurde kurz nach Mitternacht am 1. Januar 1801 von einem sizilianischen Mönch entdeckt, der zugleich auch ein Astronom war. Während die anderen das neue Jahrhundert feierten, taufte Giuseppe Piazzi den winzigen Lichtpunkt, den er im Teleskop sah, auf den Namen Ceres?? nach der heidnischen Göttin von Sizilien. Vielleicht eine ungewöhnliche Handlung für einen frommen Mönch, doch Piazza war schließlich Sizilianer.
Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts waren über fünfzehntausend Asteroiden von Astronomen auf der Erde entdeckt worden. Und während die Menschen ihren Lebensraum auf dem Mond ausdehnten und den Mars erforschten, wurden noch Millionen weitere entdeckt.
Fachsprachlich werden sie als Planetoiden bezeichnet, kleine Planeten, Brocken aus Gestein und Metall, die in der dunklen Leere des Raums dahintreiben: Überreste von der Entstehung der Sonne und der Planeten vor viereinhalb Milliarden Jahren. Piazzi kategorisierte sie richtig als Planetoiden, doch im Jahre 1802 taufte William Herschel (der zuvor den Riesenplaneten Uranus entdeckt hatte) sie auf den Namen Asteroiden, weil die Lichtpunkte im Teleskop eher wie Sterne als wie Scheiben von Planeten anmuteten. Piazzi hatte Recht, doch Herschel war viel berühmter und einflussreicher. Daher bezeichnen wir sie bis zum heutigen Tag als Asteroiden.
Ein paar hundert Asteroiden kommen auf ihren Orbits der Erde nahe, doch die meisten kreisen auf einer weiten Bahn im tiefen Raum zwischen den Umlaufbahnen von Mars und dem riesigen Jupiter um die Sonne. Dieser Asteroidengürtel ist mehr als sechshundert Millionen Kilometer von der Erde entfernt, also viermal weiter von der Sonne als unsere Heimatwelt.
Obwohl diese Region als der Asteroidengürtel bezeichnet wird, sind die Asteroiden nicht so dicht gesät, dass sie eine Gefahr für die Raumfahrt darstellen würden. Vielmehr handelt es sich beim so genannten Gürtel um eine leere, dunkle und einsame Region, die weit von der menschlichen Zivilisation entfernt ist.
Bis zur Erfindung des Duncan-Fusionsantriebs war der Asteroidengürtel zu weit vom Erde/Mond-System entfernt, um von wirtschaftlichem Nutzen zu sein. Als der Fusionsantrieb zur Serienreife gelangt war, wurde der Gürtel jedoch die Region, wo Prospektoren und Bergleute ein Vermögen zu machen vermochten — oder beim Versuch umkamen.
Viele starben. Und mehr als ein paar wurden ermordet.
Kapitel 1
»Ich sagte, dass es einfach wäre«, wiederholte Lars Fuchs. »Ich sagte aber nicht, dass es leicht wäre.«
George Ambrose — Big George für jeden, der ihn kannte — kratzte sich abwesend am dichten roten Bart und schaute nachdenklich aus dem Fenster der Brücke der Starpower 1 auf den dunklen Körper des Asteroiden Ceres, der vor ihnen dräute.
»Ich bin nicht mit hier rausgeflogen, um irgendwelche Spielchen zu spielen, Lars«, sagte er. Seine Stimme war erstaunlich hoch und melodisch für ein solches Urviech von einem Mann.
Für einen langen Moment war das einzige Geräusch im Abteil das ewige Summen der elektrischen Ausrüstung. Dann stieß Fuchs sich zwischen den beiden Pilotensitzen ab und driftete auf George zu. Er bremste sich mit der Hand an der Metalldecke ab und sagte mit einem eindringlichen Flüstern: »Wir können es schaffen. Mit genügend Zeit und den entsprechenden Ressourcen.«
»Das ist der totale Wahnsinn«, murmelte George. Doch er schaute unverwandt auf die geröllübersäte, pockennarbige Oberfläche des Asteroiden.
Sie waren schon ein seltsames Paar: Der große, massige Australier mit der zottigen feuerroten Mähne und dem Bart, der in der Schwerelosigkeit neben dem dunklen, korpulenten Fuchs mit der intensiven Ausstrahlung schwebte.
Drei Jahre im Gürtel hatten Fuchs irgendwie verändert: Er hatte noch immer die gleiche massive Statur, doch das kastanienbraune Haar hatte er so lang wachsen lassen, dass es ihm fast auf den Kragen fiel, und der Ohrring, den er nun trug, war ein polierter Chip aus Asteroidenkupfer. Ein dünnes kupfernes Armband zierte sein linkes Handgelenk. Und doch wirkten die beiden Männer auf ihre Art kraftvoll, entschlossen und sogar gefährlich.
»Im Innern von Ceres zu leben ist schlecht für unsere Gesundheit«, sagte Fuchs.
»Das Gestein bietet aber einen guten Strahlenschutz«, erwiderte George.
»Ich meine die Mikrogravitation«, sagte Fuchs ernst. »Sie ist nicht gut für uns — in körperlicher Hinsicht.«
»Ich mag sie aber.«
»Aber die Knochen werden spröde. Dr. Cardenas sagt, dass die Anzahl der Knochenbrüche stark ansteigt. Du hast es doch selbst gesehen, nicht wahr?«
»Vielleicht«, gestand George widerwillig. Dann grinste er. »Aber der Sex ist phantastisch!«
Fuchs schaute ihn düster an. »Versuch doch mal, ernst zu bleiben, George.«
»In Ordnung, ich weiß, dass du Recht hast«, sagte George, ohne die Augen von Ceres zerschlagenem Antlitz zu wenden. »Aber ein verdammtes O’Neill-Habitat bauen?«