»Ich muss unbedingt mit ihm reden«, sagte Fuchs, wobei er möglichst gleichmütig und ruhig zu klingen versuchte.
»Er ist ein schlimmer Finger, Lars.«
»Ich bin nicht hier, um eine Schlägerei anzufangen«, sagte Fuchs. Das meinte er sogar ehrlich.
»Nun gut, Buchanan steht dort am Ende der Bar.«
»Danke dir.«
Fuchs ließ sich einen von diesen reifüberzogenen Alukrügen mit Bier geben und bahnte sich damit einen Weg durch die Menge, bis er in Buchanans Nähe angelangt war. Der Mann war in Begleitung von zwei Freunden hier und schäkerte mit einem Trio junger Damen in Miniröcken. Ihre Drinks standen vor ihnen auf der Bar. Buchanan war groß, hatte breite, hängende Schultern und einen flachen Bauch, was seinen noch jungen Jahren geschuldet war. Das blonde Haar war kurz geschoren bis auf eine längere Strähne am Hinterkopf, die dem Zopf eines Matadors nachempfunden war. Sein schmales, glattes Gesicht wirkte entspannt.
»Sie sind also Mr. Buchanan?«, fragte Fuchs und stellte den Aluminiumkrug auf die Bar.
Buchanan drehte sich zu Fuchs um und taxierte ihn. Er sah eine stämmige, ältere Felsenratte in einem formlosen grauen Velourspullover und einer verknitterten Hose, mit dem Körperbau eines Wiesels und einem düsteren Ausdruck im breiten, grobschlächtigen Gesicht. Der Typ hatte eine Art Werkzeug im Gürtel stecken.
»Ich bin Buchanan«, sagte er. »Und wer zum Fuck bist du?«
»Ich bin ein Freund des kürzlich verstorbenen Niles Ripley«, erwiderte Fuchs.
Er sagte es ruhig und leise, aber er hätte die Worte genauso gut durch ein elektrisches Megafon brüllen können. Jeder im Pub hielt inne. Unterhaltungen, Gelächter, selbst Bewegungen schienen zu erstarren.
Buchanan stützte sich auf dem rechten Ellbogen auf die Bar und wandte sich Fuchs zu. »Ripley wird hier jedenfalls nicht mehr ins Horn stoßen«, sagte er grinsend. Einer der Männer hinter ihm kicherte etwas nervös.
»Man hat dein Namensschild in seiner Hand gefunden«, sagte Fuchs.
»Ach, da war es also. Ich fragte mich schon, wo ich es wohl verloren hatte.«
»Du hast ihn getötet.«
Buchanan griff langsam hinter sich und zog einen Handlaser aus dem Beutel, den er sich um die Hüfte gebunden hatte. Er legte ihn neben dem Drink vorsichtig auf die Bar. Das Stromkabel schlängelte sich zum Gürtel; die Mündung wies auf Fuchs.
»Selbst wenn ich ihn getötet hätte, was willst du deswegen unternehmen?«
Fuchs atmete durch. Der heiße Zorn, den er noch vor ein paar Minuten verspürt hatte, war nun in eine Eiseskälte umgeschlagen. Er war ruhig, die Ruhe in Person und doch kein Iota weniger wütend als zuvor.
»Ich schlage vor, wir beide fliegen nach Selene und lassen den Mord von den dortigen Behörden untersuchen.«
Buchanan klappte die Kinnlade herunter. Er starrte Fuchs, der wie ein sturer kleiner Bulle vor ihm stand, mit offenem Mund an. Dann hob er den Kopf und stieß eine brüllende Lache aus. Seine beiden Freunde lachten auch.
Sonst lachte aber niemand.
Fuchs schlug Buchanan hart in sein lachendes Gesicht. Schockiert fasste Buchanan sich an die blutende Lippe und griff nach dem Laser, der auf der Bar lag. Fuchs war jedoch darauf vorbereitet. Er presste Buchanans Hand mit einem schraubstockartigen Griff auf die Bar und zog mit der rechten Hand den Schraubendreher aus dem Gürtel.
Der Laser wurde ausgelöst. Fuchs’ Aluminiumkrug drehte sich um die eigene Achse, und Bier lief aus einem kleinen Loch aus, während Fuchs den Schraubendreher einschaltete und ihn Buchanan in die Brust stieß. Blut spritzte, und Buchanan schaute fassungslos — dann sackte er auf den Boden und hauchte mit einem kurzen Gurgeln sein Leben aus.
Fuchs hob den Handlaser auf; der Mann war mit Buchanans Blut besudelt und hielt noch immer den surrenden Schraubendreher in der rechten Hand. Bei Buchanans Fall war das Stromkabel aus dem Griff gerissen worden.
Er warf einen Blick auf die Leiche und schaute dann auf Buchanans zwei Freunde. Sie standen mit großen Augen und offenem Mund da. Unwillkürlich wichen sie beide vor Fuchs zurück.
Ohne ein Wort drehte Fuchs sich um und ging aus dem totenstillen Pub.
Kapitel 15
Es fand eine Art Gerichtsverhandlung statt. Fuchs selbst veranlasste, dass die Bevölkerung von Ceres nach Sichtung der computerisierten Personalakten einen Richter ernannte: eine Frau, die als Justiziarin für Humphries Space Systems arbeitete. Dann wurde noch eine Jury zusammengestellt, wobei keine der ausgewählten Personen dieser Verpflichtung sich entziehen durfte.
Fuchs verteidigte sich selbst. Und keine geringere Person als der Inhaber des Pubs übernahm freiwillig die Rolle des Staatsanwalts.
Die Verhandlung fand im Pub statt und dauerte insgesamt fünfundvierzig Minuten. Man hatte zwei Stühle und einen Tisch an der Bar aufgestellt, wo der Angeklagte und die Anwälte saßen. Die Richterin thronte auf einem hohen Laborstuhl hinter der Bar. Alle anderen Anwesenden mussten stehen.
Sechs verschiedene Zeugen machten im Wesentlichen die gleiche Aussage: Fuchs habe Buchanan aufgefordert, zum Zweck einer formellen Untersuchung des Mordes an Ripley mit ihm nach Selene zu fliegen. Buchanan habe daraufhin zum Laser gegriffen. Und dann habe Fuchs ihn mit dem Elektrowerkzeug erstochen. Selbst Buchanans zwei Kumpane bestätigten, dass es sich so zugetragen habe.
Fuchs’ perforierter Bierkrug wurde als Beweis dafür präsentiert, dass Buchanan den Laser mit dem Vorsatz zu töten abgefeuert hatte.
Die einzige Frage lautete von Seiten der Staatsanwältin, weshalb Fuchs die Bar überhaupt mit dem Werkzeug betreten habe, mit dem Buchanan schließlich getötet worden war.
»Ich wusste, dass der Mann gefährlich war«, erwiderte Fuchs ohne Umschweife. »Ich wusste, dass er Niles Ripley ermordet hatte.«
»Das ist unzulässig«, wies die Richterin auf dem hohen Stuhl hinter der Bar ihn zurecht. »In diesem Verfahren geht es um Sie, Mr. Fuchs, und nicht um Ripleys Tod.«
»Ich musste davon ausgehen, dass er gefährlich ist«, sagte Fuchs mit einem leichten Stirnrunzeln. »Man hatte mir gesagt, dass er zuvor schon hier in diesem Pub Streit angefangen hätte. Und dass er ein paar Freunde dabeigehabt hätte.«
»Deshalb haben Sie sich mit einer tödlichen Waffe bewaffnet«, fragte der Staatsanwalt.
»Ich sagte mir, dass ich sie als Knüppel gebrauchen könnte, falls es zu einem Kampf käme. Ich hatte aber nicht die Absicht, ihn zu erstechen.«
»Aber genau das haben Sie getan.«
»Ja. Als er mich erschießen wollte, habe ich reagiert, ohne an die Konsequenzen zu denken. Ich habe mich nur verteidigt.«
»Mit durchschlagendem Erfolg«, grummelte die Richterin.
Das Urteil hatte im Grunde von vornherein festgestanden. Fuchs wurde freigesprochen, weil er in Notwehr gehandelt hatte. Dann löste der Staatsanwalt die Richterin hinter der Bar ab und verkündete, dass die nächste Runde aufs Haus ginge.
Amanda freute sich über den Freispruch, doch Fuchs war die nächsten paar Tage in einer gedrückten Stimmung.
»Die Sache ist noch nicht ausgestanden«, sagte er zu ihr, als sie zu Bett gingen.
»Lars, Liebling«, sagte Amanda, »du darfst dich deswegen nicht so grämen. Du hast doch in Notwehr gehandelt.«
»Ich wäre wirklich mit ihm nach Selene gegangen«, sagte Fuchs. »Aber ich wusste, dass er niemals mitgekommen wäre. Niemals.«
»Es ist nicht deine Schuld, dass du ihn töten musstest. Es war Selbstverteidigung. Alle wissen das. Du brauchst dir deshalb keine Vorwürfe zu machen.«
»Das tue ich doch gar nicht!« Er wandte ihr das Gesicht zu. Im dunklen Raum, der nur vom Glühen der Digitaluhrziffern in der Ecke des Wandbildschirms erhellt wurde, konnte er kaum den verwirrten Ausdruck in ihrem schönen Gesicht erkennen.
»Ich mache mir nicht die geringsten Vorwürfe, weil ich diesen Verbrecher getötet habe«, sagte Fuchs mit leiser und fester Stimme. »Ich wusste, dass ich es würde tun müssen. Ich wusste, dass er keinem vernünftigen Argument zugänglich gewesen wäre.«