»Er schießt auf uns?«, sagte Nodon mit schriller Stimme.
»Abgefuckter Bastard«, knurrte George. »Steig in deinen Anzug. Schnell!«
Nodon sprang vom Stuhl auf und ging zur Luke. Er gab schnell den Tastencode ein, und die Luke öffnete sich.
»Der Luftdruck fällt«, rief er über die Schulter zu George, der ihm bereits durch den Gang zur Luftschleuse folgte.
Wenn wir den verdammten Laser an Bord hätten, sagte George sich, könnten wir dem Bastard von seiner eigenen Medizin zu schmecken geben. Doch der Laser war auf dem Asteroiden und der Akku wurde gerade geladen; jedenfalls war er geladen worden, bis der Generator einen Treffer abbekommen hatte.
»Wir fahren das Schiff besser herunter«, sagte George, während sie eilig in die Anzüge stiegen. »Um die Batterien zu schonen.«
Nodon stülpte sich schon den Kugelhelm über den Kopf. »Ich gehe auf die Brücke und erledige das«, sagte er mit durch den Helm gedämpfter Stimme.
»Schalte alles ab!«, rief George ihm nach. »Sie sollen glauben, dass wir tot sind!«
Obwohl sie damit gar nicht mal so falsch liegen würden, fügte er stumm hinzu.
Nodon kam von der Brücke zurück, als George gerade die Halsdichtung des Helms schloss. Er beugte sich zum Jungen hinüber, bis die Helme sich berührten und sagte: »Benutze nicht einmal den Anzugsfunk. Stell dich tot.«
Der Junge schaute besorgt, doch er lächelte starr und nickte George zu.
Sie erreichten die Luftschleuse und stiegen zusammen aus. George packte Nodon am Anzugsarm und stieß sich — ohne das Rückentornistertriebwerk zu zünden — zu den großen Erzbrocken ab, die am Fusionstriebwerk der Matilda befestigt waren. Versteck dich im Schatten der Klötze, sagte er sich. Im Kernschatten wird dieser abgefuckte Killer uns vielleicht nicht ausmachen.
In der Mikrogravitation besteht jedoch die Gefahr, dass die Perspektive verzerrt wird. Als George und der Junge den nächsten Brocken erreichten, schien es, als ob sie nebeneinander auf einem riesigen Bett lägen und zu ihrem Habitatmodul aufschauten, das langsam um die Leine rotierte.
Das andere Schiff glitt in Georges Blickfeld. Es war klein, kaum größer als ein separates Habitatmodul, das man auf ein Fusionstriebwerk und bauchige Treibstofftanks gesetzt hatte. Es mutete beinahe an wie eine Weintraube mit unterschiedlich großen Beeren. Dann erkannte er die Konturen eines Hochleistungslasers, der direkt unterm Habitatmodul hing. Dieses Schiff war als reiner Zerstörer konzipiert.
Der Leitstrahl vom Hilfslaser des Schiffs spielte übers Habitatmodul der Matilda. George sah, wie das kleinere Schiff gemächlich manövrierte und der unheimliche rote Punkt des Leitstrahls sich vom Habitatmodul löste. Für einen Moment verlor er sich in der Tiefe des Raums, doch dann verkrampfte George sich das Herz in der Brust. Der rote Punkt wanderte über den Erzbrocken zu der Stelle, wo er und Nodon sich befanden.
Er weiß, wo wir sind, sagte George sich, und der Schweiß brach ihm aus. Er wird uns tranchieren!
Doch dann wanderte der rote Punkt mehr als zehn Meter von ihren Stiefeln entfernt über den Brocken. Er verharrte an der trichterförmigen Düse des Fusionstriebwerks und wanderte dann gemächlich zur Öffnung der Düse. Es blitzte. George blinzelte bei dem plötzlichen Lichteffekt.
Nodon stieß mit dem Helm gegen Georges. »Das Triebwerk!«, sagte er kläglich.
Noch ein Blitz. Diesmal sah George Metallteile von der Raketendüse absplittern. Sie funkelten flüchtig im fahlen Sonnenlicht und verschwanden dann taumelnd in der Dunkelheit.
Der Laser feuerte erneut und traf die Rohrleitung, die flüssigen Wasserstoff in die Kühlkapillaren der Düse leitete. Der abgefuckte Bastard versteht sein Handwerk, sagte George sich grimmig. Er hat das Triebwerk mit nur drei Schüssen lahm gelegt.
Das angreifende Schiff führte ein gemächliches Manöver durch und tauchte aus Georges Blickfeld unter den Rand des Erzbrockens ab, wo er und Nodon sich versteckten. Für Momente, die ihnen wie Stunden erschienen, verharrten die beiden Männer dort reglos. Was sollen wir nun tun, fragte George sich. Wie sollen wir ohne das Haupttriebwerk wieder nach Hause kommen?
In der Dunkelheit spürte George, wie Nodon ihn wieder mit dem Helm touchierte. »Glauben Sie, dass er verschwunden ist?«, fragte der junge Mann.
Bevor George noch zu antworten vermochte, nahm er aus dem Augenwinkel wieder ein Glitzern wahr. Er stieß sich etwas vom Erzbrocken ab und sah, dass der Angreifer Löcher in ihre Treibstofftanks schoss. Dünne Ströme flüssigen Wasserstoffs und Helium-3 entwichen lautlos ins Vakuum und blähten sich kurz zu weißlichen Gasschwaden aus, bis sie sich im nächsten Moment in der Leere des Raums auflösten.
»Wir bewegen uns«, murmelte George, obwohl Nodon ihn gar nicht zu hören vermochte. Wie ein Luftballon, aus dem man die Luft herausließ, schoben die aus den perforierten Tanks entweichenden Gase die Matilda langsam vom Asteroiden weg.
»Wir machen eine abgefuckte Reise durchs Sonnensystem«, sagte George laut. »Eine Schande, dass wir zu tot sein werden, um den Flug zu genießen.«
Kapitel 19
»Es wundert mich, dass er uns noch nicht aus seinem Hotel geworfen hat«, sagte Fuchs trübsinnig.
Pancho Lane versuchte aufmunternd zu lächeln. Lars und Amanda wirkten beide so niedergeschlagen, so — verstört war das richtige Wort, befand Pancho. Überwältigt von den Ereignissen und ihren eigenen Emotionen.
»He, macht euch keine Sorgen wegen des Hotels«, sagte sie bemüht fröhlich. »Astro übernimmt die Zeche, falls Humphries widerruft.«
Fuchs war noch immer in dem hellgrauen Geschäftsanzug, den er zur Besprechung mit Humphries getragen hatte. Amanda trug einen türkisfarbenen knielangen Rock, der ziemlich züchtig wirkte. Dennoch fühlte Pancho sich neben ihr wie Aschenputtel — wie gehabt. Das lag überhaupt nicht in Mandys Absicht, doch immer wenn Pancho in ihrer Nähe war, kam sie sich vor wie eine Bohnenstange neben einem Videostar.
»Wir gehen nach Ceres zurück«, sagte Amanda. »Und arbeiten wieder als Prospektoren.«
Die beiden saßen missmutig auf dem Sofa, das unter einem Hologramm von Valles Marineris auf dem Mars aufgestellt war: die größte Schlucht im ganzen Sonnensystem.
»Und was wird aus der Helvetia GmbH?«, fragte Pancho. »Du wirst dich von Humphries doch nicht aus dem Geschäft drängen lassen, oder?«
Fuchs grunzte. »Was für ein Geschäft? Unser Bestand ist doch in Flammen aufgegangen.«
»Ja, aber die Versicherung müsste den größten Teil des Schadens ersetzen, wenn ihr noch einmal von vorn anfangt.«
Fuchs schüttelte müde den Kopf.
»Du hast viele Freunde dort draußen auf Ceres«, sagte Pancho nachdrücklich. »Du solltest sie nicht einfach so fahren lassen.«
Amanda zog hoffnungsvoll die Brauen hoch.
»Du willst doch nicht etwa, dass Humphries ein Monopol bekommt, nicht wahr, Lars, alter Kumpel?«
»Ich würde ihn lieber erwürgen«, knurrte Fuchs.
Pancho lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte die langen Beine aus. »Ich sag dir was: Astro wird dir einen Kredit für die neue Bestückung deines Lagerhauses geben — bis zum Limit, das die Versicherung dir zahlen wird.«
Fuchs schaute sie an. »Das könntest du tun?«
»Ich beherrsche inzwischen die Spielregeln im Vorstand. Ich habe schon ein paar Leute auf meine Seite gezogen. Sie wollen genauso wenig wie du, dass Humphries den Gürtel monopolisiert.«
»Ist deine Hausmacht überhaupt schon stark genug, um das Angebot zu realisieren, das du uns gerade gemacht hast?«, fragte Amanda.
»Mein Wort drauf«, erwiderte Pancho und nickte.
Amanda wandte sich an ihren Mann: »Lars, wir könnten mit Helvetia noch einmal von vorn anfangen«, sagte sie hoffnungsvoll.