»Sie ersehen die entsprechenden Zahlen aus meiner Präsentation«, sagte Pancho und wandte sich an O’Banian: »Wenn ich meinen Vortrag nun ohne weitere Unterbrechung beenden dürfte, bitte?«
O’Banian nickte. »Lassen wir Pancho also die gleiche Höflichkeit zuteil werden, wie wir sie Martin gewährt haben«, sagte sie mit leicht erhobener Stimme. »Das gilt für alle.«
»Dank in die Runde«, sagte Pancho. »Die Erde braucht Energiequellen, die keine Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen. Fusion ist die Antwort, und Fusion auf der Basis von Helium-drei ist das effizienteste Fusionssystem, das bisher angewandt worden ist. Es warten Billiarden Dollar pro Jahr auf das Unternehmen, das Fusionsbrennstoffe an die Erde liefert. Und vergessen Sie nicht, dass Helene, die Mars-Basen, Ceres und viele andere Einrichtungen im Weltraum auch Fusionsbrennstoff brauchen. Gar nicht zu reden vom Markt für Raumschiff antriebe.«
»Wir beziehen schon von Selene Deuterium-drei«, sagte der rotgesichtige, kahlköpfige Mann. »Sie gewinnen es im Tagebau.«
»Es gibt aber nicht genug Deuterium auf dem Mond, um die potenzielle Marktnachfrage zu befriedigen«, entgegnete Pancho.
»Aber der weite Flug bis zum Jupiter … das wird den Preis verdammt hochtreiben, nicht wahr?«
»Nicht, wenn wir den Betrieb erst einmal aufgenommen haben. Es wird eine lange Frachtstrecke sein, gewiss eine Pipeline-Operation. Wir werden Selenes Preis gar nicht mal unterbieten müssen; wir müssen nur eine Million Mal mehr Fusionsbrennstoff anbieten, als Selene zu fördern vermag.«
Der Mann war dennoch nicht überzeugt und nuschelte etwas in den Bart.
Pancho schaute wieder auf O’Banian, doch bevor die Vorsitzende noch etwas zu sagen vermochte, fuhr sie fort: »Noch etwas. Wenn wir es nicht tun, wird Humphries Space Systems es tun.«
Humphries schoss förmlich vom Stuhl in die Höhe und wies mit dem Finger anklagend auf Pancho. »Das ist eine dreiste Unverschämtheit!«
»Das ist die Wahrheit, und Sie wissen es!«, erwiderte Pancho ebenso hitzig.
Im Vorstandszimmer wurde ein ärgerliches Geraune laut.
O’Banian schlug heftig auf den Tisch. »Ruhe! Das gilt für alle.«
»Habe ich noch das Wort?«, fragte Pancho, nachdem der Aufruhr sich gelegt hatte. Humphries schaute sie von der anderen Seite des Tischs finster an.
O’Banian warf Pancho einen ärgerlichen Blick zu. »Solange Sie sich persönlicher Angriffe auf die anderen Mitglieder des Vorstands enthalten«, antwortete sie steif.
»Okay«, sagte Pancho. »Aber es scheint mir trotzdem der Fall zu sein, dass wir ein Problem haben. Mr. Humphries hier ist in einer Position, neue Ideen zu blockieren und sie in seinem eigenen Unternehmen umzusetzen.«
»Sie werfen mir unethisches Verhalten vor!«, blaffte Humphries.
»Verdammt richtig«, sagte Pancho.
»Einen Moment! Ruhe!«, sagte O’Banian. »Ich werde nicht zulassen, dass diese Besprechung in einen persönlichen Streit ausartet.«
Das älteste Vorstandsmitglied, ein zerbrechlich wirkender Herr, der kaum jemals ein Wort sagte, meldete sich. »Ich habe den Eindruck«, sagte er mit flüsternder Stimme, »dass hier tatsächlich ein Interessenkonflikt vorliegt.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte Humphries schroff.
»Ich befürchte, dass wir uns mit diesem Punkt befassen müssen«, entgegnete O’Banian. Sie versuchte sich so gemäßigt und neutral wie möglich auszudrücken, aber sie würde diesen Punkt trotzdem nicht ohne eine ausführliche Debatte abhaken. Sie mied bewusst den Blickkontakt mit Pancho, weil sie befürchtete, dass die ihr ihre Dankbarkeit zeigen würde.
Die Diskussion zog sich für fast zwei Stunden hin. Jedes Vorstandsmitglied wollte einen Kommentar abgeben, egal ob jemand anderes sich schon in diesem Sinne geäußert hatte oder nicht. O’Banian ließ das alles geduldig über sich ergehen und beobachtete, wie jeder sein Ego ausbreitete. Sie fragte sich, wie sie diesen Punkt zur Abstimmung bringen sollte. Humphries aus dem Vorstand werfen? Liebend gern. Nur würde sie dafür nicht genügend Stimmen bekommen. Im besten Fall konnte sie darauf hoffen, ihm die Zähne zu ziehen.
Humphries war kein Narr. Er hörte sich die immergleichen Einlassungen der Vorstandsmitglieder auch an; er war offensichtlich ungeduldig und rechnete sich offensichtlich seine Chancen aus. Als er an der Reihe war, sich zu seiner Verteidigung zu äußern, hatte er bereits eine Entscheidung getroffen.
Er stand auf und sagte langsam und ruhig: »Ich werde die von Ms. Lane vorgebrachten Anschuldigungen nicht dadurch aufwerten, indem ich mich dagegen verteidige. Ich glaube, die Tatsachen sprechen für sich …«
»Das tun sie sicher«, murmelte Pancho so laut, dass jeder es hörte.
Humphries beherrschte sich mühsam. »Deshalb«, fuhr er fort, »gebe ich meinen Widerstand gegen dieses Jupiter-Konzept auf.«
O’Banian merkte, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie stieß sie aus und wunderte sich darüber, wie unbehaglich sie sich fühlte. Sie hatte gehofft, dass Humphries sich wie ein Gentleman verhalten und vom Vorstand zurücktreten würde.
»Aber ich sage Ihnen eins«, fügte Humphries mit erhobenem Finger hinzu. »Wenn die Kosten aus dem Ruder laufen und die ganze Sache sich als Rohrkrepierer erweist, dann sagen Sie nicht, dass ich Sie nicht gewarnt hätte.«
O’Banian holte erneut Luft und sagte: »Martin, ich danke Ihnen im Namen des Vorstands.«
Humphries’ Fraktion im Vorstand sprach sich jedoch noch immer gegen das Jupiter-Projekt aus. Immerhin erklärte sie sich dazu bereit, Pancho die Suche nach einem Partner zu gestatten, der mindestens ein Viertel der Projektkosten übernahm. Falls ihr das nicht gelang, würde der Vorstand kein grünes Licht für den Start des Programms geben.
»Einen Partner?«, fragte Pancho missmutig. O’Banian warf ihr einen warnenden Blick zu. Wenn Pancho offen beklagte, dass niemand auf eine solche Partnerschaft mit Astro sich einlassen würde, würde das nur Humphries’ These stützen, dass die Idee ein Hirngespinst sei.
»Sie sollten vielleicht das Gespräch mit den großen Energieversorgungsunternehmen suchen«, schlug O’Banian vor. »Sie hätten von einer gesicherten Versorgung mit Fusionsbrennstoffen schließlich am meisten zu gewinnen.«
»Ja«, nuschelte Pancho. »Stimmt.«
Als die Versammlung sich auflöste und die Vorstände murmelnd und tuschelnd den Konferenzraum verließen, ging Humphries zu O’Banian hin.
»Sind Sie nun zufrieden?«, fragte er leise und in einem vertraulichen Ton.
»Es tut mir Leid, dass es so weit kommen musste, Martin«, erwiderte sie.
»Ja, ich sehe schon, wie Leid es Ihnen tut.« Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah, wie Pancho mit dem alten rotgesichtigen Mann den Raum verließ. Sie sprachen miteinander. »Clever eingefädelt, Pancho als trojanisches Pferd gegen mich zu benutzen.«
O’Banian war richtiggehend schockiert. »Ich? Ich soll …?«
»Schon gut«, sagte Humphries mit einem verkniffenen Grinsen. »Ich rechne eh mit gelegentlichen Angriffen aus dem Hinterhalt. Das gehört zum Spiel.«
»Aber, Martin, ich hatte doch keine Ahnung …«
»Nein, natürlich hatten Sie keine Ahnung. Dann machen Sie mit diesem Jupiter-Unsinn weiter, falls Sie überhaupt jemanden finden, der dumm genug ist, sich mit Ihnen einzulassen. Wenn es dann schief geht, werde ich es gegen Sie verwenden, um Sie aus dem Vorstand zu entfernen. Und diese verdammte Mechanikerin dazu.«
Waltzing Matilda
»Ich frage mich nur«, sagte George, »woher der abgefuckte Bastard überhaupt weiß, wo unsere Antennen waren.«
Er und Nodon zogen die Raumanzüge aus; sie waren nach einer fünfstündigen EVA hundemüde. Sie hatten die Löcher geflickt, die der Laser in die Treibstofftanks geschossen hatte, doch der Wasserstoff und das Helium hatten sich größtenteils verflüchtigt. Und die Kommunikationsantennen — sogar die Reserveantennen — waren verschmort und damit nutzlos.