Amanda schaute aufs Gesicht ihres Manns, das auf dem Wandbildschirm in ihrer Unterkunft abgebildet wurde. Er sah aus wie der leibhaftige Tod.
»Sie haben George getötet«, wiederholte er.
Sie wollte schon sagen, nein, es muss ein Unfall gewesen sein. Doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen.
»Er hat George töten lassen«, murmelte Fuchs. »Er hat ihn ermorden lassen.«
»Es gibt nichts, was wir tun könnten«, hörte Amanda sich sagen. Es klang eher wie ein Flehen als eine Feststellung, selbst für ihre Ohren.
»Wirklich nicht?«, knurrte er.
»Lars, bitte … begib dich nicht in Gefahr«, bat sie. ihn.
Er schüttelte langsam den Kopf. »Durch das Leben an sich begibt man sich schon in Gefahr«, sagte er.
Dorik Harbin saß allein auf der Brücke der Shanidar und betrachtete den Navigationsbildschirm. Der blinkende orangefarbene Cursor, der die Position seines Schiffs markierte, stand exakt auf der dünnen blauen Kurve, die seine programmierte Annäherung an das Versorgungsschiff darstellte.
Harbin hatte für mehr als zwei Monate im Gürtel gekreuzt — mutterseelenallein außer den Drogen und den Virtuelle-Realität-Chips, die seine einzige Abwechslung darstellten. Eine tolle Kombination, sagte er sich. Die Drogen verstärkten die elektronische Illusion und ermöglichten es ihm; einzuschlafen, ohne von den Gesichtern der Sterbenden zu träumen und ihre Schreie zu hören.
Das Schiff war lautlos unterwegs; weder Ortungsbojen noch Telemetriesignale verrieten seine Präsenz im Weltraum. Seine Order hatte gelautet, bestimmte Prospektoren und Bergleute zu suchen und zu eliminieren. Dies hatte er mit großer Effizienz erledigt. Nun waren die Vorräte fast aufgebraucht, und er nahm Kurs auf ein Versorgungsschiff von Humphries. Er wusste, dass er neue Befehle erhalten würde, während die Shanidar Proviant und Treibstoff bunkerte.
Ich werde auch die Wassertanks spülen und auffüllen lassen, sagte Harbin sich, während er sich dem Schiff näherte. Nach ein paar Monaten schmeckt wiederaufbereitetes Wasser eklig nach Urin.
Er legte am Versorgungsschiff an und blieb nur solange, bis sein Schiff versorgt war. Er verließ sein Schiff nicht außer einer Stippvisite in der Privatkabine des weiblichen Kapitäns des Versorgungsschiffs. Sie überreichte ihm einen versiegelten Briefumschlag, den Harbin in die Brusttasche der Springerkombi steckte.
»Müssen Sie wirklich schon wieder gehen?«, fragte der Captain. Sie war in den Dreißigern, schätzte Harbin — nicht gerade eine Schönheit, doch in ihrer katzenhaften, selbstsicheren Art attraktiv. »Wir haben alle Arten von … äh … Annehmlichkeiten an Bord.«
Harbin schüttelte den Kopf. »Nein danke.«
»Die neusten Designerdrogen.«
»Ich muss wieder zu meinem Schiff zurück«, sagte er kurz angebunden.
»Nicht einmal etwas zu essen? Unser Koch …«
Harbin drehte sich um und griff nach der Klinke der Kabinentür.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte der Captain mit einem spöttischen Lächeln.
Harbin schaute sie scharf an. »Angst? Vor Ihnen?« Er stieß ein abschätziges Lachen aus. Dann verließ er ihre Kabine und kehrte unverzüglich auf sein Schiff zurück.
Erst nachdem er vom Versorgungsschiff abgelegt hatte und Kurs in die Tiefen des Gürtels nahm, entfernte er den Chip vom Umschlag und öffnete ihn. Wie erwartet enthielt er eine Liste von Schiffen, die er zerstören sollte. Die Kurse und Baupläne waren beigefügt. Eine neue Todesliste, sagte Harbin sich, während er die Bilder studierte, die über den Bildschirm liefen.
Abrupt brachen die Spezifikationsgrafiken ab, und Grigors schmales, melancholisches Gesicht erschien auf dem Monitor.
»Dies ist in letzter Minute noch hinzugekommen«, sagte Grigor, und sein trübsinniges Gesicht wich der Abbildung eines Raumschiffs. »Der Name des Schiffs ist Starpower. Den Kurs haben wir zwar noch nicht, aber die Daten werden per Bündellaser an Sie übermittelt, sobald wir sie haben.«
Harbins Augen verengten sich. Das bedeutet, dass ich die festgelegte Position erreichen muss, um den Laserstrahl zu empfangen. Ich muss mich dort herumtreiben, bis sie die Daten senden. Die Vorstellung zu warten gefiel ihm nicht.
»Das hat höchste Priorität«, legte Grigors Stimme sich über die Abbildung der Konstruktionsdetails der Starpower. »Das muss erledigt werden, bevor Sie sich mit den anderen Schiffen befassen.«
Harbin wünschte, er könnte mit Grigor sprechen, Fragen stellen und weitere Informationen erhalten.
Grigors Gesicht erschien wieder auf dem Bildschirm. »Zerstören Sie nur noch dieses eine Schiff, und dann müssen Sie sich vielleicht gar nicht mehr mit den anderen beschäftigen. Vernichten Sie die Starpower, und Sie dürfen vielleicht für immer zur Erde zurückkehren.«
Waltzing Matilda
»Ich habe eine gute Nachricht«, sagte Nodon, als George sich durch die Luke in die Brücke schob. »Während du außenbords warst, habe ich den Hilfslaser ans Kommunikationssystem angeschlossen.«
George quetschte sich auf den rechten Sitz. »Den Hilfslaser?«
»Aus dem Inventar im Laderaum.«
»Und es funktioniert?«
»Ja«, sagte Nodon strahlend. »Der Laser ist in der Lage, unsere Funksignale zu tragen. Wir sind nun imstande, einen Notruf abzusetzen.«
»Wir müssen ihn auf Ceres ausrichten«, sagte George mit einem verhaltenen Lächeln.
»Und das Ausrichten ist das Problem«, sagte Nodon schon nicht mehr so enthusiastisch. »Wir sind viel zu weit von Ceres entfernt. Der Strahl fächert sich zu stark auf.«
»Dann müssen wir ihn also direkt auf die optischen Empfänger richten.«
»Falls uns das gelingt.«
»Und der abgefuckte Asteroid dreht sich in ungefähr neun Stunden oder so, stimmt’s?«
»Ich glaube schon«, sagte Nodon. »Ich werde aber noch einmal nachschauen.«
»Dann heißt das also, dass wir die optischen Empfänger genau in dem Moment treffen müssen, wenn sie auf uns gerichtet sind.«
»Ja«, sagte Nodon.
»Wie ein abgefucktes Dartspiel über eine Entfernung von ein paar tausend Kilometern.«
»Ein paar hunderttausend.«
»Eine tolle Trefferwahrscheinlichkeit.«
Nodon senkte den Kopf. Im ersten Moment glaubte George, er würde vielleicht beten. Dann schaute er jedoch wieder auf und fragte: »Was ist mit dem Triebwerk? Kannst du die Schubdüsen reparieren?«
George grunzte. »Ja, sicher. Unbedingt.«
»Wirklich?«
»Wenn ich eine Werkstatt zur Verfügung hätte, ein halbes Dutzend Schweißer, Klempner und andere Hilfskräfte.«
»Oh.«
»Wir werden uns auf den Laser verlassen müssen, Kumpel«, sagte George mit einem müden Seufzer. »Das abgefuckte Triebwerk ist nämlich nur noch Schrott.«
Kapitel 24
Lars Fuchs brauchte nicht länger als fünf Minuten, um eine Entscheidung zu treffen. Er rief die Flugdatenhistorie der Waltzing Matilda auf. Aus den Daten, die sie telemetrisch an die IAA gesendet hatten, ging unzweifelhaft hervor, dass Big George und sein Besatzungsmitglied an einem recht großen kohlenstoffhaltigen Asteroiden gearbeitet hatten. Sie hatten begonnen, ihn auszubeuten, als die Verbindung zu ihrem Schiff plötzlich abgebrochen war. Versuche der IAA-Controller auf Ceres, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, waren erfolglos geblieben.
Ich brauche Beweise, sagte Fuchs sich, während er die Flugdaten auf dem Hauptbildschirm studierte. Wenn es mir gelingt, die Waltzing Matilda zu finden und Beweise dafür zu erbringen, dass das Schiff angegriffen wurde, habe ich endlich etwas in der Hand. Dann müssen die Behörden auf der Erde eingreifen und gründliche Untersuchungen über den Verbleib der verschollenen Schiffe anstellen.