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Ihr habt allen Grund, euch zu fürchten, sagte Harbin stumm zu den Leuten an Bord der Starpower. Ihr spürt den Flügelschlag des Todesengels.

* * *

»Was macht er gerade?«, fragte George.

»Er hat uns ein paar Treffer verpasst«, sagte Fuchs ins Helmmikrofon. »Er scheint sich aber aufs Habitatmodul zu konzentrieren.«

»Er hat es wieder auf die Antennen abgesehen, genau wie bei uns.«

»Die Antennen?«

»Damit wir nicht um Hilfe rufen können.«

Fuchs wusste, dass das nicht stimmte. Welchen Sinn hätte es denn, wenn wir um Hilfe riefen? Zumal das Signal allein schon zehn Minuten oder noch länger brauchte, um Ceres zu erreichen. Wie sollte uns da jemand zu Hilfe kommen?

»Ich sehe ihn!«, rief Nodon.

»Nun können wir das Feuer erwidern«, sagte George aufgeregt. »Halte uns ruhig, verdammt.«

Fuchs betätigte die Bremsdüsen, die die Lage des Schiffs regelten, während die Gedanken sich überschlugen. Er will nicht nur verhindern, dass wir um Hilfe rufen, wurde er sich bewusst. Er will verhindern, dass wir den Angriff melden. Er will uns verschwinden lassen wie die anderen Schiffe, die auf geheimnisvolle Art und Weise im Gürtel verschollen sind. Wenn wir einen Notruf absetzen, wird jeder wissen, dass Schiffe vorsätzlich zerstört werden. Jeder wird wissen, dass Humphries Menschen tötet.

Er rief die Diagnose des Kommunikationssystems auf. Sämtliche Antennen waren ausgefallen — nichts außer einer Kette Unheil verkündender roter Lichter glühte auf dem Bildschirm.

Was sollen wir tun, fragte Fuchs sich. Was sollen wir nur tun?

* * *

George blinzelte wegen des Schweißes, der ihm heftig in den Augen brannte.

»Bist du bereit?«, rief er zu Nodon, obwohl sein im Raumanzug steckender Schiffskamerad kaum drei Meter von ihm entfernt war. Sie standen auf beiden Seiten des wuchtigen Schneidlasers. Das Ensemble aus Rohrleitungen, Pumpen und Schläuchen schien so kompliziert, dass man ihm kaum zutraute, richtig zu funktionieren. Doch George sah Nodon mit zusammengepressten Lippen im Kugelhelm nicken.

»Bereit«, sagte er.

George warf einen Blick auf die Schalttafel, die schräg aus der gekrümmten Wand der Ladebucht ragte. Er sah, dass alle Lampen grün leuchteten. Gut. Dann schaute er nach oben durch die offene Luke der Ladebucht und sah den winzigen Punkt des angreifenden Schiffes: ein Ensemble schimmernder, von der Sonne angestrahlter Sicheln vor den dunklen Tiefen der Unendlichkeit.

»Feuer!«, sagte George und drückte so fest auf den roten Knopf, dass er vom Metalldeck abhob. Er bremste sich mit einer behandschuhten Hand an der Decke ab und stieß sich dann leicht ab, bis er spürte, dass die Stiefel wieder die Deckplatten berührten.

Der Schneidlaser war ein kontinuierliches Wellengerät, das dafür ausgelegt war, Gestein zu durchtrennen. Das Zielsystem war so primitiv, dass George den Gegner mit dem bloßen Auge auffassen musste. Der Infrarotstrahl war unsichtbar, und der rote Strahl des schwachen Führungslasers verschwand in der Leere des Raums. Im Vakuum der Ladebucht war kein Laut zu hören, und es traten nicht einmal Schwingungen auf, die George zu spüren vermocht hätte.

»Haben wir ihn getroffen?«, fragte Nodon mit unnatürlich hoher Stimme.

»Woher, zum Fuck, soll ich das denn wissen?«, sagte George unwirsch. »Ich bin nicht mal sicher, ob das abgefuckte Trumm überhaupt funktioniert.«

»Und ob es funktioniert! Schau auf die Konsole.«

Na gut, es funktioniert, sagte George sich. Aber nutzt es auch etwas?

* * *

Dass die Starpower zurückschoss, bemerkte Harbin erst, als auf der Steuerkonsole plötzlich ein halbes Dutzend gelber Warnlampen aufleuchteten. Ohne zu zögern betätigte er die Steuerdüsen, um ein Ausweichmanöver mit der Shanidar durchzuführen. Dadurch ging sein Schuss zwar ins Leere, aber er brachte sich selbst auch aus der Schusslinie. Vorerst.

Harbin schaute stirnrunzelnd auf die Anzeigen und sah, dass ein Treibstofftank aufgerissen war. Dann richtete er den Blick zur Starpower, die dort draußen hing und sah, dass die große Luke der Ladebucht des Schiffs offen stand. Sie müssen dort einen Laser in Stellung gebracht haben, wahrscheinlich einen Schneidlaser, den sie zum Schürfen benutzen. Und nun beschießen sie mich damit.

Er manövrierte die Shanidar von der offenen Ladeluke weg und kontrollierte die Systeme des Schiffs. Zum Glück war der Treibstofftank, den sie getroffen hatten, ohnehin fast leer gewesen. Harbin konnte ihn bedenkenlos abwerfen. Dennoch befürchtete er, dass sie vielleicht auch die übrigen Tanks trafen, bevor er die Möglichkeit hatte, sie fertig zu machen.

Während Harbin auf die hantelförmige Starpower starrte, die vorm Hintergrund der entfernten, gleichmütigen Sterne langsam rotierte, verzogen seine Züge sich zu einem grausamen Lächeln.

»Töten oder getötet werden«, flüsterte er.

Kapitel 30

Amanda hatte die Helvetia GmbH erst seit ein paar Tagen allein geleitet, als sie zum Schluss gelangte, dass sie keinen Ersatzmann für Niles Ripley einstellen musste. Ich bin selbst imstande, das Systemmanagement zu erledigen, wurde sie sich bewusst.

Das Habitat war mehr als zur Hälfte fertig gestellt, sodass quasi ein Generalist als Bauleiter gebraucht wurde: ein Koordinator, der sich in den verschiedenen technischen Bereichen auskannte, auf denen das Bauprogramm beruhte. Amanda hatte während der Ausbildung zur Astronautin und der anschließenden Praxis selbst beachtliche technische Fertigkeiten erworben. Nun musste sie nur noch die Frage beantworten, ob sie die Stärke und das Rückgrat hatte, eine Kompanie von Bautechnikern zu führen.

Die meisten von ihnen waren nämlich Männer, und die meisten Männer waren wiederum jung und standen voll im Saft. Überhaupt herrschte in Ceres ein Männerüberschuss im Verhältnis von sechs zu eins. Die Quote beim Bauprojekt war jedoch günstiger: Im Team kamen ›nur‹ drei Männer auf eine Frau, wie Amanda bei der Durchsicht der Personaldatei sah.

Sie saß am Schreibtisch und sagte sich, wenn Lars hier wäre, dann wäre alles in Butter. Andererseits würde Lars, wenn er denn hier wäre, die Aufgabe selbst übernehmen oder jemanden dafür einstellen. Also bleibt es an dir hängen, altes Mädchen, sagte Amanda sich kopfschüttelnd. Du musst es für Lars tun und für alle Leute, die hier in Ceres leben.

Nein. Nicht nur für sie, sagte Amanda sich, als sie in den Spiegel über der Frisier- und Ankleidekommode ihres Einraum-Quartiers schaute. Du musst es für dich tun.

Sie stand auf und musterte sich im Spiegel. Es ist das immergleiche, alte Problem: Die Männer werden mich als Sexualobjekt betrachten, und die Frauen werden mich als Konkurrenz ansehen. Das hat natürlich auch seine Vorteile, doch in diesem Fall überwiegen die Nachteile die Vorteile. Also waren ein Schlabber-Sweatshirt und eine weite Hose angesagt. Sparsames Make-up und hochgesteckte Haare.

Ich kann es schaffen, sagte sie sich. Lars wird stolz auf das sein, was ich zustande gebracht habe.

Sie steckte sich ein Zieclass="underline" Ich werde dieses Projekt so gut managen, dass Lars, wenn er zurückkommt, mich bis zur Fertigstellung dabeihaben will.

Obwohl sie sich dagegen wehrte, vermochte sie nicht die ängstliche Stimme in ihrem Bewusstsein zu verdrängen, die sagte, falls Lars zurückkehrt.

* * *

»Er kommt näher!«, rief Nodon.

George zuckte im Kugelhelm zusammen und sagte unwirsch: »Das sehe ich selbst! Und ich kann dich, verdammt noch mal, auch hören. Kein Grund so zu schreien.«