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Aber darauf kommt es ohnehin nicht mehr an. Ich bin im freien Fall und habe zu wenig Treibstoff, um einen Tanker oder irgendeine andere Hilfe zu erreichen. Er beugte sich etwas vornüber, um die Steueranzeigen durch den Anzugshelm zu überprüfen und sah, dass der Stromgenerator des Schiffs unbeschädigt war. Also hätte er auf jeden Fall genug elektrische Energie, um die Systeme aufrechtzuerhalten. Er könnte sogar die Hülle des Habitatmoduls flicken, den Luftdruck wieder normalisieren und den Anzug ablegen.

Aber wozu? Um hilflos durch den Gürtel zu treiben, bis ich sterbe.

Du könntest den nächsten Tanker anrufen und ihn bitten, dich an Bord zu nehmen, sagte er sich. Im Computer sind alle Positionen gespeichert, und du könntest sie mit einem Bündellaser-Signal anfunken.

Aber würden sie mir überhaupt zu Hilfe kommen? Nicht, ehe sie mit der HSS-Zentrale Rücksprache gehalten hätten. Grigor wird gar nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass es mir nicht gelungen ist, die Starpower zu eliminieren. Inzwischen werden Fuchs und seine Freunde der IAA wahrscheinlich alles brühwarm erzählen. Würde Grigor ihnen sagen, dass sie mich bergen sollen, oder würde er sich sagen, dass es besser wäre, mich still und leise sterben zu lassen?

Still und leise. Harbin lächelte. Das ist der Schlüssel. Geh nicht still in diese schöne Nacht hinaus, rezitierte er stumm. Schrei aus voller Kehle gegen das ersterbende Licht an.

Auf einem freien Kanal setzte er einen Ruf an Grigor ab.

Kapitel 31

Als George aufwachte, sah er Fuchs und Nodon über sich gebeugt. Fuchs schaute düster und gereizt. Nodon hatte angstgeweitete Augen. Ein komischer Anblick, sagte George sich, wenn dieses Gesicht mit den martialischen Tätowierungen so ängstlich schaut.

»Dann bin ich also nicht im Himmel«, sagte er mit einem bemühten Grinsen. Seine Stimme klang angestrengt und sehr schwach.

»Noch nicht«, grummelte Fuchs.

George wurde sich bewusst, dass er in einer der kleinen Privatkabinen der Starpower lag. Den Raumanzug hatten sie ihm ausgezogen. Entweder haben sie mich gefesselt, oder ich bin so abgefuckt schwach, dass ich zu keiner Regung fähig bin.

»Was ist passiert?«, fragte er.

Nodon warf einen Blick auf Fuchs, leckte sich die Lippen und sagte: »Der Gegner hat unseren Laser zerstört. Dabei sind die Spiegel abgebrochen und … haben Ihnen den Arm abgerissen.«

Er stieß die letzten Worte hastig hervor, als ob er sich ihrer schämte. George schaute an sich hinab und wunderte sich darüber, welche Anstrengung es ihn kostete, den Kopf zu drehen. Dann sah er, dass der Arm kurz unterhalb des Ellbogens endete. Der Stumpf war mit einem Sprühverband bedeckt.

Er war mehr verwirrt als schockiert. Er verspürte nur einen Anflug von Schmerz, wo er nun darüber nachdachte. Keine Angst. Keine Sorgen. Sie müssen mich ganz schön mit Dope voll gepumpt haben.

»Der Rest des Arms ist in der Tiefkühltruhe«, sagte Fuchs. »Wir fliegen mit Vollschub nach Ceres zurück. Ich werde vorab Kris Cardenas verständigen.«

George schloss die Augen und erinnerte sich daran, dass er gesehen hatte, wie der noch im Ärmel des Raumanzugs steckende Arm auf einer spiralförmigen Bahn aus der Luke gesegelt war.

Er schaute auf Nodon. »Ihr habt die Blutung gestillt, wie?«

Der junge Mann nickte.

»Und den Anzugsarm versiegelt«, fügte George hinzu.

»Er ist auf eine EVA gegangen und hat deinen Arm geborgen«, sagte Fuchs. »Zuerst glaubte ich schon, dass wir ihn verlieren würden.«

»Hast du das wirklich getan?«, sagte George leise. Er kam sich dumm dabei vor. »Danke, Kumpel.«

Nodon zuckte verlegen die Achseln. Er wechselte das Thema. »Sie müssen dem anderen Schiff einen schweren Treffer versetzt haben. Es ist mit hoher Geschwindigkeit geflohen.«

»Das ist gut.«

»Wir werden in vierzehn Stunden auf Ceres sein«, sagte Fuchs.

»Das ist auch gut.« George wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte. Irgendwo, im hintersten Winkel des Bewusstseins, wusste er, dass er eigentlich schreien sollte. Verdammte Prothesen — ich habe den abgefuckten Arm verloren!

Die Drogen betäubten aber nicht nur den körperlichen, sondern auch den emotionalen Schmerz. Nichts schien wirklich von Bedeutung zu sein. Alles, was George wollte, war, dass sie ihn in Ruhe und schlafen ließen.

Fuchs schien das Gott sei Dank zu spüren. »Du ruhst dich jetzt aus«, sagte er mit vor Bitterkeit heruntergezogenen Mundwinkeln. »Ich muss der IAA einen ausführlichen Bericht übermitteln, sobald wir eine Antenne repariert haben.«

* * *

»Nicht schon wieder dieser Fuchs«, nörgelte Hector Wilcox.

Erek Zar und Francesco Tomasselli saßen vor Wilcox’ Schreibtisch. Zar spürte ganz offensichtlich Unbehagen, und Tomasselli zitterte beinahe vor gerechtem Zorn.

Wilcox’ Büro war repräsentativ, wie es dem Vorsitzenden der Internationalen Astronautenbehörde auch zukam. Wilcox war schlank und wirkte wie aus dem Ei gepellt. Er trug einen anthrazitfarbenen Anzug mit einer perlgrauen Krawatte, der schön mit dem silbernen Haar und gepflegten Oberlippenbart kontrastierte. Damit war er jeden Zentimeter der erfolgreiche Administrator, für den er sich hielt. Er hatte schon so manchen Unternehmenskonflikt geschlichtet, die Bürokratie dazu gebracht, Sicherheitsvorschriften zu erlassen und Importzölle auf Weltraumprodukte erhoben und er hatte die schlüpfrige Karriereleiter der Rechtsabteilung der IAA erklommen, bis er an der Spitze angekommen war. Da saß er nun unangefochten und wurde von den anderen Bürokraten als ein Musterbeispiel für Geduld, Intelligenz und — vor allem — Ausdauer gewürdigt.

Nun musste er sich aber mit dem Vorwurf der Piraterie befassen, und das ging ihm regelrecht an die Nieren.

»Er hat einen vollständigen Bericht übermittelt«, sagte Tomasselli eifrig. Seine dunklen Augen funkelten.

»Fuchs behauptet, sein Schiff sei angegriffen worden«, warf Zar ein.

»Er meldet«, fuhr Tomasselli mit Betonung dieses Worts fort, »dass nicht nur sein Schiff angegriffen worden sei, sondern noch ein weiteres und dass einer der Männer schwer verletzt sei.«

»Von einem Piratenschiff.«

Zars Bauerngesicht lief noch roter an, als es ohnehin schon war. »Das behauptet er.«

»Und der Beweis?«

»Sein Schiff ist beschädigt«, sagte Tomasselli, bevor Zar auch nur den Mund aufzumachen vermochte. »Er bringt den Verwundeten nach Ceres.«

»Über welche Schiffe sprechen wir hier?«, fragte Wilcox mit einem deutlichen Ausdruck von Abscheu im schmalen Patriziergesicht.

Mit einer Handbewegung gebot Zar seinem Untergebenen zu schweigen. »Fuchs’ Schiff trägt den Namen Starpower. Das andere Schiff, das laut seiner Aussage angegriffen worden sein soll, ist die Waltzing Matilda

»Ist sie auch auf dem Weg nach Ceres?«

»Nein«, ließ Tomasselli sich wieder vernehmen. »Das Schiff musste aufgegeben werden. Die drei kommen mit der Starpower. Fuchs und die beiden Männer von der Waltzing Matilda

Wilcox schaute den Italiener säuerlich an. »Und Fuchs bezichtigt Humphries Space Systems der Piraterie?«

»Ja«, sagten beide Männer simultan.

Wilcox trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch und sah aus dem Fenster auf den Fluss, der St. Petersburg durchzog. Er wünschte sich, er wäre in Genf oder London oder sonst wo — nur nicht hier in diesem Büro mit diesen beiden Nasen und dem lächerlichen Vorwurf der Piraterie. Piraterie! Im einundzwanzigsten Jahrhundert! Das war doch absurd, völlig unmöglich. Diese Felsenratten tragen im fernen Asteroidengürtel ihre Privatfehden aus und wollen nun auch noch die IAA da hineinziehen.