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»Wir werden wohl eine Untersuchung durchführen müssen«, sagte er missmutig.

»Fuchs hat formell Anzeige erstattet«, sagte Tomasselli. »Er hat eine Anhörung beantragt.«

Als deren Vorsitzender ich fungieren muss, sagte Wilcox sich. Ich werde im besten Fall eine Lachnummer abgeben.

»Er müsste in wenigen Stunden auf Ceres landen«, sagte Zar.

Wilcox schaute auf das verdrießliche Gesicht des Manns und richtete den Blick dann auf Tomasselli, der kaum noch an sich zu halten vermochte.

»Sie müssen nach Ceres fliegen«, sagte er und wies mit einem langen, manikürten Finger auf den Italiener.

»Ich werde die Anhörung dort durchführen?«, fragte Tomasselli mit leuchtenden Augen.

»Nein«, blaffte Wilcox. »Sie werden diesen Fuchs und die beiden anderen befragen und die drei dann in IAA-Gewahrsam hierher bringen. Nehmen Sie ein paar Soldaten von der Friedenstruppe mit.«

»Blauhelme?«, fragte Zar.

Wilcox schaute ihn mit einem verschmitzten Lächeln an. »Ich will damit zeigen, dass die IAA die Sache durchaus ernst nimmt. Wenn diese Leute schon glauben, dass sie von Piraten angegriffen worden seien, dann sollten wir auch Präsenz demonstrieren und ihnen Schutz angedeihen lassen, nicht wahr?«

»Oh ja, natürlich!«

»Einer der Männer ist verwundet«, sagte Tomasselli, »und alle leben schon so lang in der Mikrogravitation, dass sie gar nicht sofort zur Erde zurückkehren könnten. Sie müssten erst ein paar Wochen Rekonditionierungstraining absolvieren.«

Wilcox kam ein leises Zischen über die Lippen — das bisher erste Anzeichen von Unbehagen. Und er wusste, dass er auf dem schmalen Grat zwischen Beherrschung und einem Tobsuchtsanfall wandelte.

»Also gut«, sagte er eisig. »Bringen Sie sie nach Selene.«

»Ich werde die Anhörung dort durchführen?«, fragte Tomasselli begierig.

»Nein«, erwiderte Wilcox. »Ich werde die Anhörung dort durchführen.«

Zar war perplex. »Sie wollen nach Selene?«

»Ich bin im Dienste der Internationalen Astronautenbehörde nicht so hoch aufgestiegen«, entgegnete Wilcox würdevoll, »weil ich den schwierigen Aufgaben aus dem Weg gegangen bin.«

Das war zwar eine ausgemachte Lüge, doch Wilcox hielt sie selbst fast für wahr, und für Zar war das Wort seines Vorgesetzten ohnehin das Evangelium.

Kapitel 32

George sah schon an Dr. Cardenas’ Gesichtsausdruck, dass sie keine guten Nachrichten hatte.

Fuchs und Nodon hatten ihn, gleich nachdem sie gelandet waren, in die winzige Krankenstation von Ceres gebracht. Nodon trug den isolierten Kunststoffbehälter mit Georges abgetrenntem Arm. Außerdem hatte die halbe Bevölkerung sich in die Krankenstation zu quetschen versucht — ein paar aus morbider Neugier, die meisten aber aus dem Grund, weil sie von Big Georges Verwundung gehört hatten und den rothaarigen Australier kannten und mochten. Cardenas hatte die Zuschauer aus der Station in den Tunnel verwiesen und nur Amanda den Aufenthalt gestattet.

Fuchs umarmte seine Frau, und sie schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn innig.

»Geht es dir gut, Lars?«, fragte sie.

»Ja. Bestens. Ich habe keinen einzigen Kratzer abbekommen.«

»Ich hatte mir solche Sorgen gemacht!«

»George ist verwundet worden. Nicht ich.«

Cardenas schob George durch den Computertomografen; dann nahm sie Nodon den Behälter ab und verschwand im Labor, das an die Krankenstation angrenzte. George, der in einem der drei Betten der Station saß, wurde derweil von Amanda, Fuchs und Nodon umringt.

»Seid ihr wirklich von einem anderen Schiff angegriffen worden?«, fragte Amanda. Sie vermochte es immer noch nicht zu glauben.

George hielt den Stumpf des linken Arms hoch. »Termiten waren das jedenfalls nicht.«

»Ich habe einen vollständigen Bericht über den Angriff an das IAA-Hauptquartier geschickt«, sagte Fuchs.

»Sie haben schon eine Bestätigung gesendet«, erwiderte Amanda. »Einer ihrer Administratoren wird hierher kommen und dich und George und …« — sie warf einen Blick auf Nodon, dessen Bekanntschaft sie gerade erst gemacht hatte — »und Sie, Mr. Nodon, nach Selene bringen, wo eine Anhörung vor dem Leiter der Rechtsabteilung der IAA stattfinden wird.«

»Eine Anhörung!«, rief Fuchs erfreut. »Gut!«

»In Selene.«

»Noch besser. Wir werden Humphries eine Heimniederlage bereiten.«

»Ist George überhaupt reisefähig?«, fragte Amanda.

»Wieso nicht?«, sagte George.

Just in diesem Moment kam Cardenas in die Krankenstation zurück. Ihr Gesichtsausdruck war düster und besorgt.

George überblickte die Lage sofort. »Keine guten Nachrichten, eh?«

Cardenas schüttelte den Kopf. »Der Arm ist leider schon zu sehr verfallen. Die Nerven sind zu stark geschädigt. Und bis wir in Selene sind, wird der Verfallsprozess noch weiter fortgeschritten sein.«

»Können Sie ihn denn nicht hier wieder annähen?«, fragte George.

»Ich bin keine so gute Chirurgin, George. Im Grunde bin ich überhaupt keine Ärztin. Ich spiele die Rolle nur.«

George legte sich im Bett zurück. Es war schwer zu sagen, was hinter seinem struppigen, verfilzten Bart und unter der Haarmähne im Kopf vorging.

»In Selene gibt es Regenerations-Spezialisten. Mit ein paar Stammzellen von Ihnen wird es ihnen gelingen, den Arm in ein paar Monaten nachzuzüchten.«

»Könntest du das nicht mit Nanotechnologie erledigen?«, fragte Amanda.

Cardenas warf ihr einen merkwürdigen Blick zu: teils Zorn, teils Schuld, teils Frustration.

»Die Regeneration könnte durchaus mit Nanotechnologie durchgeführt werden«, sagte sie reserviert, »aber ich bin dazu nicht in der Lage.«

»Aber du bist doch eine Expertin in Nanotechnologie«, sagte Fuchs. »Eine Nobelpreisträgerin.«

»Das ist lange her«, sagte Cardenas. »Außerdem habe ich geschworen, nie wieder mit Nanotechnologie zu arbeiten.«

»Geschworen? Wem denn?«

»Mir selbst.«

»Ich verstehe nicht.«

Cardenas rang offensichtlich mit sich. »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um meine traurige Lebensgeschichte zu erzählen, Lars.«

»Aber …«

»Geh nach Selene. Dort gibt es Regenerationsexperten, George. Sie werden deinen Arm reparieren.«

George zuckte die Achseln. »Hauptsache, er ist vor der Anhörung noch nicht wieder dran«, sagte er launig und wackelte mit dem Stumpf. »Diese IAA-Dösbaddel sollen nur mal sehen, wie diese Bastarde mich zugerichtet haben.«

Fuchs klopfte George auf die Schulter. »Und ich will, dass Humphries es auch sieht.«

* * *

Fuchs und Amanda verbrachten eine heiße Nacht im Bett. Ohne Worte, ohne die Vergangenheit zu erwähnen und ohne Diskussionen darüber, was die Zukunft vielleicht bringen würde. Nichts außer animalischer Hitze und Leidenschaft.

Als er danach im Raum, der nur von den trüben Ziffern der Digitaluhr erhellt wurde, neben ihr lag, sagte Fuchs sich, dass er Amanda geliebt hatte, als ob er sie niemals wieder sehen würde. Er hatte auch etwas gelernt in diesem Raumkampf: Seine erste Begegnung mit dem Tod hatte ihn gelehrt, sein Leben so zu leben, als wäre jeder Tag der letzte.

Ich habe keine Zukunft, sagte er sich in der Stille des verdunkelten Raums. Solange ich im Krieg gegen Humphries bin, gibt es keine Hoffnung für mich. Ich muss für den Augenblick leben, darf nichts erwarten und muss mit allem rechnen. Nur so vermag ich der Furcht zu entrinnen — nur indem ich die Zukunft verdränge, vermag ich die Gegenwart zu bewältigen.

Er dachte an die tiefgekühlten Zygoten, die in Selene lagerten. Falls ich getötet werde, sagte Fuchs sich, wird Amanda wenigstens in der Lage sein, ein Kind von mir zu bekommen — so sie es denn will.