»Meine Frau ist in Gefahr!«, blaffte Fuchs den Kapitän an. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Ceres!«
Für eine Weile ging es auf der Brücke zu wie im Irrenhaus. Fuchs berichtete dem Kapitän hektisch von seinen Befürchtungen, und der begriff schließlich so viel, dass er einen Funkspruch an die IAA-Flugsicherung absetzte und um Erlaubnis bat, die Beschleunigung des Schiffs zu erhöhen. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Antwort vom IAA-Hauptquartier auf der Erde eintraf. Eine halbe Stunde, in der Fuchs murmelnd und fluchend auf der Brücke auf und ab ging und sich fragte, was auf Ceres vorging. Der Kapitän schlug vor, dass sie beide sich etwas anziehen sollten und ging in sein Quartier zurück. Nodon erschien, machte ohne ein Wort wieder kehrt und kam ein paar Minuten später mit einem Overall für Fuchs zurück.
Fuchs stieg hinein, schloss die Klettverschlüsse und bat das Crewmitglied, einen Kommunikationskanal nach Ceres zu öffnen. Sie tat das ohne zu zögern.
»Amanda«, sagte er, »ich bin unterwegs. Wir haben um Erlaubnis gebeten, zu beschleunigen, sodass ich dich vielleicht schon vor der geplanten Ankunftszeit erreiche. Ich werde dir Bescheid sagen. Verlass nicht die Unterkunft. Bitte ein paar Leute, die für uns arbeiten, sich als Wachen vor der Tür zu postieren. Ich werde sobald wie möglich bei dir sein, Liebling. Sobald wie möglich.«
Der Kapitän kehrte auf die Brücke zurück; er hatte sich das Gesicht gewaschen, das Haar gekämmt und trug eine gestärkte Springerkombination mit seinen Rangabzeichen an den Ärmeln. In diesem Moment traf die Antwort von der IAA-Leitstelle ein.
Erlaubnis verweigert. Die Lubbock Lights wird den gegenwärtigen Geschwindigkeitsvektor beibehalten und wie geplant in dreieinhalb Tagen auf Ceres eintreffen.
Zitternd drehte Fuchs sich vom Bild des roboterhaften IAA-Controllers auf dem Bildschirm zum uniformierten Kapitän um.
»Tut mir Leid«, sagte der Kapitän mit einem bedauernden Achselzucken. »Da kann ich nichts machen.«
Fuchs schaute dem Mann für einen kurzen Moment in sein ausdrucksloses, glatt rasiertes Gesicht und verpasste dem Kapitän dann eine krachende Rechte aufs Kinn. Sein Kopf flog zurück, Blut lief aus dem Mund, und er ging zu Boden. Fuchs wandte sich an die mit offenem Mund dasitzende Frau und sagte: »Maximale Beschleunigung. Sofort!«
Sie schaute auf den bewusstlosen Kapitän und dann wieder auf Fuchs. »Aber ich kann doch nicht …«
Er riss eine Stablampe aus der Befestigung an der Wand und schwang sie wie einen Knüppel. »Verschwinden Sie von den Kontrollen!«
»Aber …«
»Runter vom Stuhl!«, befahl Fuchs.
Sie sprang auf, trat zur Seite und rutschte an der gekrümmten Steuerkonsole von ihm weg.
»Nodon!«, rief Fuchs.
Der junge Asiate trat durch die offene Luke. Er warf einen nervösen Blick auf den am Boden liegenden Kapitän und dann auf die erschrockene Frau.
»Pass auf, dass niemand die Brücke betritt«, sagte Fuchs und warf ihm die Lampe zu. »Damit verpasst du jedem eine auf die Birne, der versucht, hier reinzukommen.«
Nodon bedeutete der Frau, zur Luke zu kommen, während Fuchs sich auf den Kommandantensitz setzte und die Instrumente studierte. Kein großer Unterschied zur Starpower und den anderen Schiffen, mit denen er schon geflogen war.
»Was ist mit dem Kapitän?«, fragte die Frau. Er stöhnte leise und bewegte die Beine.
»Er bleibt da liegen«, sagte Fuchs. »Er wird schon wieder.«
Sie ging, und Nodon schloss die Luke hinter ihr.
»Verriegle sie«, sagte Fuchs.
Der Kapitän setzt sich auf, rieb sich den Hinterkopf und schaute verwirrt auf Fuchs, der an der Steuerung saß.
»Was, zum Teufel, tun Sie da?«, knurrte der Kapitän.
»Ich versuche, meiner Frau das Leben zu retten«, antwortete Fuchs und erhöhte die Beschleunigung des Schiffs auf das Maximum von der Hälfte der Erdschwerkraft.
»Das ist Piraterie!«, rief der Kapitän.
Fuchs schwang auf dem Kommandantensitz herum. »Ja«, sagte er mit gepresster Stimme. »Piraterie. Die nimmt dieser Tage Überhand.«
Kapitel 38
»Er hat was?« Hector Wilcox glaubte sich verhört zu haben.
»Er hat die Lubbock Lights in seine Gewalt gebracht«, sagte Zar. Er wirkte perplex. »Er beschleunigt mit Höchstgeschwindigkeit nach Ceres. Die Flugsicherung hat ihn zur Aufgabe aufgefordert, doch er beachtet sie nicht.«
Wilcox sank auf dem Schreibtischstuhl zusammen. »Mein Gott, der Mann ist ein Pirat.«
»Es hat zumindest den Anschein«, pflichtete Zar ihm halbherzig bei. »Laut den Aussagen unserer Leute auf Ceres ist jemand in Fuchs’ Lagerhaus eingebrochen und hat es komplett ausgeräumt. Und man hat einen von seinen Leuten ermordet, die dort arbeiteten. Eine Frau.«
»Seine Frau?«
»Nein, eine Angestellte. Aber Sie können sich vielleicht vorstellen, dass Fuchs so schnell wie möglich zurück nach Ceres will.«
»Das rechtfertigt aber keine Piraterie«, sagte Wilcox ungehalten. »Ich will, dass unsere Leute ihn festnehmen, sobald er auf Ceres eintrifft.«
Zar blinzelte seinen Chef an. »Das sind nur Fluglotsen und keine Polizisten.«
»Das ist mir egal«, sagte Wilcox streng. »Ich werde nicht zulassen, dass diese Leute sich über IAA-Vorschriften hinwegsetzen. Das ist eine Frage des Prinzips!«
Diane Verwoerd hatte den Morgen überwiegend damit verbracht, ihr Apartment nach Wanzen zu durchsuchen. Sie fand aber keine, was sie beunruhigte. Sie war sich sicher, dass Humphries ihre Unterkunft hatte verwanzen lassen; wie hätte er sonst über ihre Aktivitäten im Bild sein sollen? Trotzdem fand sie keine Mikrofone oder Mikrokameras, die sich vielleicht in den Lüftergittern oder sonst wo hätten verstecken können.
Ob Martin mit Bandung Associates nur einen Versuchsballon gestartet hatte? Sie war eigentlich der Ansicht gewesen, dass sie ihre Spuren gut verwischt hätte, aber vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihre Scheinfirma ausgerechnet nach der Stadt zu benennen, aus der ihre Mutter stammte.
Wie auch immer, sagte sie sich. Martin weiß, dass ich ihm ein paar ergiebige Asteroiden abgeluchst habe, und er ist bereit, mir das durchgehen zu lassen — wenn ich sein geklontes Baby für ihn austrage.
Sie schauderte bei der Vorstellung, ein fremdes Wesen in ihrem Bauch zu tragen. Das ist wie die Horrorvideos über außerirdische Invasoren, die wir als Kinder angeschaut hatten, sagte sie sich. Zumal sie auch schon schlimme Geschichten über Frauen gehört hatte, die geklonte Föten ausgetragen hatten. Das war nämlich etwas anderes, als ein normales Baby auszutragen. Dem Vernehmen nach schwollen die Nachgeburten so stark an, dass sie die Frau bei der Geburt töten konnten.
Doch im rationalen Teil ihres Bewusstseins sah sie auch ein paar mögliche Vorteile. Abgesehen vom finanziellen Aspekt könnte mir das eine Machtposition gegenüber Martin Humphries verschaffen, sagte sie sich. Als die Mutter seines Klons würde ich eine Sonderstellung einnehmen. Vielleicht bekomme ich sogar einen Sitz im Vorstand, wenn ich es geschickt anstelle.
Falls ich es überlebe, sagte sie sich mit einem neuerlichen Schauder.
Dann dachte sie an Harbin. Unter dieser ganzen eisernen Selbstbeherrschung steckt ein brodelnder Vulkan, wie sie herausgefunden hatte. Wenn ich ihn richtig zu nehmen weiß, macht er Männchen und frisst mir aus der Hand. Er wäre der richtige Mann an meiner Seite, vor allem wenn ich nach der Geburt des Babys auf Konfrontationskurs mit Martin gehe.
Das Baby. Sie runzelte die Stirn bei dem Gedanken und fragte sich, soll ich Dorik davon erzählen? Irgendwann würde ich es sowieso tun müssen. Aber jetzt noch nicht. Noch nicht. Er ist zu besitzergreifend, zu Macho, um zu akzeptieren, dass ich das Baby eines anderen austrage, während ich mich von ihm vögeln lasse. Ich werde diese kleine Information sehr sorgfältig handhaben müssen.