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Ihr Name war Diane Verwoerd. Ihr Vater war Niederländer, ihre Mutter Indonesierin, und sie war ein Teenagermodel in Amsterdam gewesen, als sie mit ihrer dunklen, sinnlichen Erscheinung erstmals Humphries’ Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie war für seinen Geschmack zwar etwas dürr, aber er hatte ihr trotzdem ein Jurastudium finanziert und ihren Aufstieg in seinem Unternehmen verfolgt, ohne dass sie seinen Verführungsversuchen auch nur einmal erlegen wäre. Er schätzte sie umso mehr wegen ihrer Unabhängigkeit; er konnte ihr vertrauen und sich auf ihr Urteil verlassen — was mehr war, als er von den Frauen zu sagen vermochte, die mit ihm ins Bett gingen.

Zumal sie früher oder später sowieso weich werden wird, sagte er sich. Auch wenn sie weiß, dass es das Ende ihres Jobs in meinem Büro bedeutet, wird sie irgendwann zu mir ins Bett kriechen. Ich habe nur noch nicht die richtige Motivation für sie gefunden. Mit Geld und Status vermag ich sie nicht zu locken — so gut kenne ich sie inzwischen. Vielleicht mit Macht. Wenn sie Macht anstrebt, könnte sie mir allerdings gefährlich werden. Er grinste. Es macht aber manchmal Spaß, mit dem Feuer zu spielen.

Humphries behielt diesen Gedanken jedoch für sich. »Wir müssen die Felsenratten loswerden«, sagte er ohne weitere Einleitung und ging zum Schreibtisch zurück.

Falls diese Aussage sie überraschte, ließ Verwoerd sich jedenfalls nichts anmerken. »Wieso denn?«, fragte sie.

»Simple Ökonomie. Es gibt zu viele dort draußen, die Asteroiden beanspruchen, sodass sie den Preis für Metalle und Mineralien niedrig halten. Angebot und Nachfrage. Sie überschwemmen den Markt.«

»Die Güterpreise sind derzeit generell niedrig, außer für Nahrungsmittel«, pflichtete Verwoerd ihm bei.

»Und sie fallen weiter«, präzisierte Humphries. »Wenn wir aber die Rohstoffversorgung kontrollieren würden …«

»Was bedeuten würde, die Felsenratten zu kontrollieren.«

»Richtig.«

»Wir könnten die Lieferungen an sie einstellen«, regte Verwoerd an.

Humphries wedelte mit der Hand. »Dann würden sie ihre Waren eben von Astro kaufen. Das will ich nun auch wieder nicht.«

Sie nickte.

»Nein, ich glaube, unser erster Schritt sollte darin bestehen, auf Ceres eine Operationsbasis einzurichten.«

»Auf Ceres?«

»Offiziell wird es sich um ein Depot für die Vorräte handeln, die wir den Felsenratten verkaufen«, sagte Humphries und ließ sich in den gemütlichen hochlehnigen Sessel sinken. Wenn er es wünschte, massierte der Sessel ihn oder spendete ihm eine beruhigende Wärmebehandlung. In diesem Moment wollte Humphries jedoch keines von beiden.

Verwoerd vermittelte den Eindruck, als ob sie für eine Weile über seine Worte nachdächte. »Und inoffiziell?«

»Wird es sich um einen Brückenkopf für unsere Leute handeln; eine Basis, um die Felsenratten aus dem Gürtel zu vertreiben.«

Verwoerd lächelte kalt. »Und wenn wir die Basis dann eröffnet haben, senken wir die Preise für die Güter, die wir den Prospektoren und Bergleuten verkaufen.«

»Die Preise senken? Wieso das?«

»Damit sie von HSS kaufen und nicht mehr von Astro. Das nennt man Kundenbindung.«

Humphries nickte und sagte: »Außerdem könnten wir ihnen günstigere Bedingungen fürs Raumschiffleasing anbieten.«

Nun setzte sie sich auf einen der Polsterstühle vor dem Schreibtisch. Sie schlug geistesabwesend die langen Beine übereinander und sagte: »Noch besser, wir senken die Zinsen für Ratenkäufe.«

»Nein, nein. Ich will nicht, dass sie Eigentümer der Schiffe werden. Ich will, dass sie die Raumschiffe bei uns leasen. Ich will sie langfristig an Humphries Space Systems binden.«

»Soll HSS sie unter Vertrag nehmen?«

Humphries lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Hände hinterm Kopf. »Richtig. Ich will, dass diese Felsenratten für mich arbeiten.«

»Zu Preisen, die Sie festsetzen«, sagte sie.

»Wir sorgen dafür, dass die Preise für Roherz sinken«, sagte Humphries. »Wir ermutigen die Unabhängigen, so viel Erz zu fördern, dass die Preise zwangsläufig immer weiter sinken. Das wird sie früher oder später aus dem Feld schlagen.«

»Sodass nur diejenigen übrig bleiben, die bei HSS unter Vertrag stehen«, sagte Verwoerd.

»Auf diese Art erlangen wir die Kontrolle über die Kosten der Erschließung und des Bergbaus«, sagte er, »und am anderen Ende der Pipeline kontrollieren wir auch die Preise der veredelten Metalle und anderen Rohstoffe, die wir an Selene und die Erde verkaufen.«

»Aber einzelne Felsenratten könnten doch noch auf eigene Rechnung an Unternehmen auf der Erde verkaufen«, gab sie zu bedenken.

»Na und?«, sagte Humphries schroff. »Sie werden sich nur gegenseitig unterbieten und sich schließlich selbst aus dem Geschäft drängen. Sie schneiden sich selbst die Kehle durch.«

»Angebot und Nachfrage«, murmelte Verwoerd.

»Ja. Wenn es uns gelingt, die Felsenratten dazu zu bewegen, ausschließlich für uns zu arbeiten, werden wir das Angebot kontrollieren. Unabhängig von der Nachfrage werden wir dann in der Lage sein, die Preise zu diktieren. Und den Profit zu maximieren.«

»Irgendwie eine krumme Sache.« Sie lächelte trotzdem.

»Bei Rockefeller hat es jedenfalls funktioniert.«

»Bis die Anti-Trust-Gesetze verabschiedet wurden.«

»Es gibt aber keine Anti-Trust-Gesetze im Gürtel«, sagte Humphries. »Im Grunde ist er ein rechtsfreier Raum.«

»Es würde aber einige Zeit dauern, um alle Unabhängigen zu vertreiben«, sagte Verwoerd nach kurzer Überlegung. »Und Astro gilt es auch noch zu berücksichtigen.«

»Ich werde mich zu gegebener Zeit schon noch mit Astro befassen.«

»Dann hätten Sie den Gürtel komplett unter Kontrolle.«

»Was wiederum bedeuten würde, dass es uns langfristig nichts kosten würde, eine Basis auf Ceres zu errichten.« Das war eine Feststellung, keine Frage.

»Die Buchhaltung wird das aber etwas anders sehen.«

Er lachte. »Wieso tun wir es nicht einfach? Wir gründen eine Basis auf Ceres und bringen diese Felsenratten unter Kontrolle.«

Sie musterte ihn prüfend. Es war ein Blick, der sagte: Ich weiß, dass noch mehr an dieser Sache dran ist, als du mir sagst. Du hast eine versteckte Agenda, und ich glaube auch zu wissen, worum es sich handelt.

Aber sie sagte nur: »Wir können diese Basis auf Ceres auch dazu nutzen, die Wartungsarbeiten zu zentralisieren.«

Er nickte zustimmend. »Gute Idee.«

»Wir bieten Wartungsverträge zu möglichst günstigen Konditionen an.«

»Damit die Felsenratten ihre Schiffe bei uns warten lassen«, sagte er.

»Damit sie von Ihnen abhängig werden.« Er lachte wieder. »Das Motto von Gillette.« Sie wirkte verwirrt.

»Erst schenke man ihnen den Rasierer«, erklärte er. »Und dann verkaufe man ihnen die Rasierklingen.«

Dossier: Oscar Jiminez

Als der uneheliche Sohn eines unehelichen Sohns wurde Oscar Jiminez während einer der regelmäßigen Razzien der Polizei in den Barrios von Manila aufgegriffen, als er sieben jähre alt war. Er war klein für sein Alter, aber schon ein ausgebuffter Bettler und Taschendieb, der mühelos an elektronischen Sicherheitssystemen vorbeikam, die eine größere oder weniger wendige Person gestoppt hätten. Die übliche Polizeitaktik bestand darin, unbarmherzig mit den altmodischen Schlagstöcken zuzuschlagen, die Mädchen und die besser aussehenden Jungen zu vergewaltigen, die Gefangenen weit hinaus aufs Land zu bringen und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen. Bis zum nächsten Mal. Oscar hatte indes Glück. Er war zu klein und dürr, um selbst für den perversesten Polizisten attraktiv zu sein und wurde blutend und übel zugerichtet aus einem fahrenden Polizeiauto in den Straßengraben geworfen.