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»Und wer vertritt die Felsenratten?«

Er lachte. »Wozu brauchen wir die denn? Das betrifft nur die großen Mitspieler. Die ›großen Jungs‹.«

»Aber die Felsenratten sind davon betroffen«, wandte Verwoerd ein. »Man kann nicht einfach den Asteroidengürtel zwischen HSS und Astro aufteilen, ohne ihre Belange zu berücksichtigen.«

»Machen Sie doch mal einen Exkurs in die Geschichte, Diane«, sagte Humphries mit einem Kopfschütteln. »Damals, im zwanzigsten Jahrhundert, gab es in Europa Probleme wegen eines Landes namens Tschechoslowakei. Es existiert heute überhaupt nicht mehr. Damals wollte Deutschland es sich jedoch einverleiben. Die Engländer und Franzosen hielten in München mit den Deutschen eine Konferenz ab. Dort entschieden sie, wie mit der Tschechoslowakei zu verfahren sei. Die Tschechen waren zu der Konferenz gar nicht eingeladen. Dazu bestand keine Veranlassung; die ›großen Jungs‹ haben das unter sich ausgemacht.«

»Und ein Jahr später gab es Krieg in Europa«, erwiderte Verwoerd unwirsch. »Ich kenne mich aus in Geschichte. Sie können keine Konferenz über die Aufteilung des Gürtels anberaumen, ohne die Felsenratten daran zu beteiligen.«

»Wirklich nicht?«

»Sie werden sie Fuchs geradezu in die Arme treiben!«

Bei diesen Worten runzelte Humphries die Stirn. »Glauben Sie?«, fragte er.

»Natürlich.«

»Hmm. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Vielleicht haben Sie Recht.«

Verwoerd beugte sich leicht zu ihm hinüber. »Wenn Sie die Felsenratten aber mit einbeziehen und ihnen sagen, dass sie einen Vertreter auf die Konferenz schicken sollen …«

»Würden wir sie damit auf unsere Seite ziehen«, beendete Humphries den Satz für sie.

»Und der einzige Außenseiter, der Einzige, der mit dieser Vereinbarung nicht einverstanden ist, wäre Fuchs.«

»Richtig!«

»Er wäre isoliert«, sagte Verwoerd. »Ganz allein. Er würde aufgeben müssen. Niemand würde ihm mehr helfen, und er wäre gezwungen, die Flagge zu streichen.«

Humphries verschränkte die Hände hinterm Kopf und lehnte sich auf dem großen, bequemen Stuhl weit zurück. »Außerdem würde er für die Ermordung der Leute auf Vesta vor Gericht gestellt werden. Ich liebe das!«

Kapitel 48

Zu seiner großen Überraschung wurde George Ambrose zum ›Bürgermeister‹ von Ceres gewählt.

Sein offizieller Titel lautete ›Chef-Administrator‹. Die Wahl fand statt, nachdem die Bewohner von Ceres sich widerwillig eingestanden hatten, dass sie doch eine Art Regierung brauchten — und wenn auch nur zu dem Zweck, um sie vor der eskalierenden Gewalt zu schützen, die den Gürtel in ein Kriegsgebiet verwandelte. Fuchs’ Zerstörung der Vestabasis gab dann endgültig den Ausschlag; es waren nämlich über zwei Dutzend Einwohner von Ceres bei dem Angriff getötet worden.

Amanda versuchte sich von den unbegreiflichen Aktionen ihres Manns zu distanzieren, indem sie sich massiv dafür einsetzte, Recht und Gesetz auf Ceres zu etablieren. Sie arbeitete unermüdlich daran, eine Regierung zu bilden und stöberte monatelang in Datenbanken, um eine Regierungsform zu finden, die den Bedürfnissen der Felsenratten am ehesten gerecht wurde. Nachdem sie eine Verfassung ausgearbeitet hatte, wurde sie von den Felsenratten quasi in der Luft zerrissen. Doch sie sammelte die Fetzen auf und legte ein neues Dokument vor, das auf die meisten ihrer Beschwerden einging. Mit großem Widerwillen beschlossen sie, die neue Regierung zu akzeptieren — solange sie ihnen keine direkten Steuern auferlegte.

Die Rekrutierung der Regierungsangestellten war kein Problem: Es gab genügend kaufmännische Angestellte und Ingenieure auf Ceres, um die Posten auszufüllen. Viele von ihnen freuten sich über die Aussicht, ein festes Salär zu beziehen, obwohl Amanda dafür sorgte, dass jeder Bürokrat sich einer alljährlichen Leistungsbeurteilung unterziehen musste, um den Job zu behalten.

Dann erfolgte die Auswahl eines Regierungsgremiums. Sieben Personen wurden nach dem Zufallsprinzip von einem Computer aus den ständigen Bewohnern von Ceres ausgewählt. Niemand durfte diese ›Ehre‹ ausschlagen beziehungsweise die Verantwortung von sich weisen. Amanda wurde in der computerisierten Lotterie nicht ausgewählt, was sie enttäuschte. George wurde hingegen ausgewählt, was ihn noch mehr enttäuschte.

Bei der ersten Zusammenkunft wählte das Gremium George trotz seines Protestes zum Vorsitzenden.

»Ich werde mich, zum Fuck, aber nicht rasieren«, warnte er sie schon einmal vor.

»Das geht in Ordnung, George«, sagte eine der jungen Frauen im Gremium. »Aber würdest du deine Ausdrucksweise bitte etwas mäßigen?«

So geschah es, dass Big George in seiner Eigenschaft als unfreiwilliger ›Bürgermeister‹ der Felsenratten sie auf der Konferenz in Selene vertrat, wo er früher einmal als Flüchtling und Eierdieb gelebt hatte.

»Ich werde aber nicht allein gehen«, sagte George. »Ich werde Unterstützung brauchen.«

Das Regierungsgremium beschloss, dass es vertretbar war, George zwei Assistenten zur Seite zu stellen. Seine erste echte Entscheidung als neu gewählter Chef-Administrator von Ceres bestand darin, die zwei Personen auszuwählen, die ihn begleiten sollten. Die erste Wahl war schnell getroffen: Dr. Kris Cardenas.

Während er sich den Kopf zerbrach, wenn er als Zweiten mitnehmen sollte, meldete Amanda zu seiner Überraschung sich freiwillig.

Sie platzte in sein ›Büro‹ — das praktisch nichts anderes war als seine normale Unterkunft — und eröffnete ihm, dass sie ihn als Delegationsteilnehmerin nach Selene begleiten wollte.

»Du?«, rief George. »Wie kommt’s?«

Amanda wich seinem Blick aus. »Ich habe einen so großen Beitrag wie jeder zur Bildung dieser Regierung geleistet. Vielleicht einen noch größeren. Ich hab es verdient, an der Konferenz teilzunehmen.«

»Das wird aber keine Urlaubsreise, weißte«, sagte George skeptisch.

»Das ist mir schon klar.«

Er bot ihr seinen besten Stuhl an, doch sie schüttelte den Kopf und blieb in der Mitte seiner Einraum-Residenz stehen. Sie machte einen ruhigen und entschlossenen Eindruck. Es ist hier ziemlich unordentlich, sagte George sich: Das Bett ist nicht gemacht, und das Spülbecken ist voller Geschirr. Doch Amanda stand einfach nur da und starrte in die Unendlichkeit. George fragte sich, was sie dort wohl sah.

»Humphries ist in Selene«, sagte er.

Amanda nickte. Ihr Gesicht war ausdruckslos und geradezu maskenhaft starr, als ob sie Angst hätte, überhaupt eine Gefühlsregung zu zeigen.

»Es wird Lars nicht recht sein, wenn du dorthin gehst.«

»Ich weiß«, sagte sie mit fast flüsternder Stimme. »Ich habe mir das gründlich überlegt, George. Ich muss mit dir gehen. Aber ich will nicht, dass Lars es erfährt. Bitte sag ihm nichts.«

George kratzte sich den Bart und versuchte, aus ihren Worten schlau zu werden. »Wie soll ich es ihm überhaupt sagen? Die einzige Möglichkeit, ihn zu erreichen, ist doch über dich.«

»Ich muss mit dir gehen, George«, sagte Amanda fast flehentlich. »Verstehst du das denn nicht? Ich muss alles tun, was in meinen Kräften steht, um diesem Kampf ein Ende zu bereiten. Ich muss Lars retten, bevor sie ihn finden und töten!«

George nickte; er hatte begriffen. Zumindest glaubte er das.

»In Ordnung, Amanda, du kannst mit uns kommen. Ich freue mich, dass du dabei bist.«

»Vielen Dank, George«, sagte sie und lächelte zum ersten Mal. Doch es lag keine Fröhlichkeit darin.

Amanda hatte zwei Tage lang mit sich gerungen, bevor sie George fragte, ob sie ihn nach Selene begleiten dürfe. Sie wusste, dass Lars sie nicht in Humphries’ Nähe kommen lassen wollte und schon gar nicht, wenn er nicht da war, um sie zu beschützen. Aber sie hatte keine Angst mehr vor Martin Humphries; sie hatte sogar das Gefühl, dass sie ihm gewachsen wäre. Martin wird mir nichts tun, sagte sie sich. Zumal George und Chris auf mich aufpassen werden.