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Was ihr Sorgen bereitete, war Lars’ Reaktion. Er würde überhaupt nicht damit einverstanden sein, dass sie nach Selene ging und sich damit auf Humphries’ Territorium wagte. Also beschloss Amanda nach zwei Tagen reiflicher Überlegung, zu gehen. Und zwar ohne Lars etwas davon zu sagen.

* * *

Insgesamt zweiundzwanzig Schiffe versammelten sich über der zerstörten Basis von Vesta. Der bei Fuchs’ Angriff aufgewirbelte Staub hatte sich inzwischen wieder gesetzt, doch Harbin sah keine Spur mehr vom Stützpunkt — nicht einmal mehr den Krater, in dem er sich befunden hatte. An seiner Stelle befanden sich neue, überlappende Krater — frische, scharf konturierte und unregelmäßige runde Narben auf der dunklen Oberfläche des Asteroiden. Sie erinnerten Harbin an die Narben, die die Saugnäpfe der Tentakel von Riesenkraken an Pottwalen hinterließen.

Der auf der Brücke der Shanidar stehende Dorik Harbin war sich der Ironie seiner Position bewusst. Als jemand, der die Einsamkeit schätzte, der niemals von irgendjemand abhängig sein wollte, war er nun Kommandant einer ganzen Raumschiffsflotte: Kampfschiffe, Tanker und sogar Drohnen, die auf der Suche nach einem infinitesimalen Punkt in der dunklen Leere des Gürtels ausschwärmten: Lars Fuchs.

Obwohl er viel lieber allein gearbeitet hätte, hatte Harbin sich schließlich eingestehen müssen, dass er Fuchs nicht allein finden konnte. Dazu war der Gürtel zu groß und der Versteckmöglichkeiten zu viele. Zumal Fuchs natürlich von anderen Felsenratten unterstützt wurde, die ihn mit Treibstoff, Proviant und Informationen versorgten und ihm bei seinem Einmann-Krieg gegen Humphries Space Systems klammheimlich Erfolg wünschten. Und wahrscheinlich wurde Fuchs auch von der Astro Corporation unterstützt. Harbin wusste aber, dass das nur Mutmaßungen waren; es gab keinen eindeutigen Beweis, dass Astro den Renegaten mit irgendetwas außer Glückwünschen für seine fortdauernden Angriffe unterstützte.

Humphries war sich aber sicher, dass Astro das Geheimnis von Fuchs’ Erfolg war. Diane hatte Harbin berichtet, dass Humphries außer sich war vor Wut und nun bereit war, jeden Penny, den er besaß, für das Aufspüren und die Liquidation von Fuchs auszugeben. Diese Armada war das Resultat: Dabei standen die Kosten für Humphries in keinem Verhältnis zum Schaden, den Fuchs angerichtet hatte. Doch Humphries wollte Fuchs vernichten — was auch immer es ihn kostete, sagte Diane.

Diane. Harbin wurde sich bewusst, dass sie ein Teil seines Lebens geworden war. Ich bin von ihr abhängig, sagte er sich. Trotz der großen Entfernung zwischen ihnen schützte sie ihn vor Humphries’ aus Frustration geborenem Zorn. Sie war diejenige, die Humphries überredet hatte, Harbin das Kommando auf dem groß angelegten Feldzug gegen Fuchs zu übertragen. Sie war diejenige, die auf ihn warten würde, wenn er mit Fuchs’ Leiche zurückkehrte.

Sehr gut, sagte er sich und ließ den Blick über die Monitore schweifen, auf denen eine Anzahl seiner Schiffe zu sehen waren; nun habe ich die Werkzeuge, die ich brauche, um den Job zu Ende zu bringen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Die Aufklärungsdrohnen suchten schon mit ihren Sensoren den Gürtel ab. Harbin erteilte seiner Flotte den Befehl, loszufliegen und die Jagd zu beginnen.

* * *

Ein deutlicher Ausdruck der Zufriedenheit erschien auf Martin Humphries’ Gesicht, als er am Kopfende des langen Esstischs in seinem Anwesen Platz nahm. Diane Verwoerd war die einzige andere Person am Tisch; sie hatte bereits zu seiner Rechten Platz genommen.

»Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte Humphries und bedeutete dem Diener mit einem Kopfnicken, den Wein einzuschenken. »Ich hatte noch ein Telefongespräch mit Doug Stavenger.«

Verwoerd wusste, dass ihr Chef nun von ihr die Frage erwartete, worum es sich bei dem Anruf gehandelt hatte — aber sie sagte nichts.

»Er ist einverstanden«, sagte Humphries schließlich leicht pikiert. »Stavenger wird alles organisieren. Wir werden in Selene eine Friedenskonferenz abhalten. Die Weltregierung hat sich bereit erklärt, ihre Nummer zwei zu schicken: Willi Dieterling.«

Diane Verwoerd machte ein erstauntes Gesicht. »Der Mann, der den Friedensvertrag im Nahen Osten ausgehandelt hat?«

»Genau der«, sagte Humphries.

»Und die Felsenratten schicken auch einen Vertreter?«, versuchte sie ihn aus der Reserve zu locken.

»Drei Personen. Diesen australischen Rübezahl und zwei Assistenten.«

»Und wer wird Astro vertreten?«

»Wahrscheinlich Pancho«, sagte er leichthin. »Sie führt dieser Tage den eigentlichen Vorsitz im Vorstand.«

»Das wird interessant«, sagte Verwoerd.

»Das wird es«, pflichtete Humphries ihr bei. »Auf jeden Fall.«

* * *

Lars Fuchs schaute seinen Besucher finster an. Yves St. Ciaire war einer seiner ältesten und besten Freunde; Fuchs kannte den Quebecer schon seit dem gemeinsamen Studium in der Schweiz. Und doch weigerte St. Ciaire sich standhaft, ihm zu helfen.

»Ich brauche Treibstoff«, sagte Fuchs. »Ohne ihn bin ich erledigt.«

Die beiden Männer standen in der kleinen Kombüse der Nautilus, wo sie von der Besatzung nicht gestört wurden. Fuchs hatte seinen Leuten den Befehl gegeben, ihn mit dem alten Freund allein zu lassen. St. Ciaire stand vor dem großen Kühlschrank und hatte die Arme störrisch vor der Brust verschränkt. In ihrer Studentenzeit war er rank und schlank gewesen; er hatte ein Menjou-Bärtchen getragen und war trotz seines herben Akzents bei den Frauen angekommen. Damals hatte er sich immer nach der neuesten Mode gekleidet; seine Freunde hatten gewitzelt, dass er seine Familie mit den Kleiderkäufen noch in den Bankrott trieb. In den Jahren, die er als Prospektor im Gürtel verbracht hatte, war er allerdings fett geworden. Nun sah er aus wie ein saturierter kleinbürgerlicher Ladenbesitzer mittleren Alters, obwohl sein sorgfältig drapiertes himmelblaues Gewand so geschnitten war, dass der Bauch etwas kaschiert wurde.

»Lars«, sagte St. Ciaire, »das ist unmöglich. Nicht einmal für einen alten Freund wie dich kann ich Treibstoff erübrigen. Dann hätte ich nämlich nicht mehr genug, um nach Ceres zurückkehren.«

Fuchs, der wie üblich mit einem schwarzen Pullover und einer Schlabberhose bekleidet war, holte tief Luft, bevor er antwortete.

»Der Unterschied ist nur«, sagte er, »dass du einen Notruf absetzen und einen Tanker rufen kannst. Ich kann das nicht.«

»Ja, ich könnte einen Tanker anfordern. Und weißt du auch, wie viel das kosten wird?«

»Bei dir geht es bloß um Geld. Bei mir geht es um mein Leben.«

St. Ciaire zuckte nur die Achseln.

Seit dem Angriff auf Vesta hatte Fuchs sich durchgeschlagen, indem er Treibstoff und Proviant von wohlgesonnenen Prospektoren und anderen Schiffen schnorrte, die den Gürtel durchpflügten. Ein paar von ihnen spendeten freiwillig; die meisten sträubten sich jedoch und mussten erst überredet werden. Amanda schickte ihm regelmäßig die Flugpläne der Prospektoren, Bergleute, Tankschiffe und Versorgungsschiffe, die Ceres verließen. Fuchs deponierte Fernbedienungs-Transceiver auf kleinen Asteroiden, gab die Katalognummern der Asteroiden in superkomprimierten Nachrichten an Amanda durch und fragte die Nachrichten dann beim nächsten Vorbeiflug an diesen Asteroiden ab. Es war wie ein Schachspiel, die Transceiver zu bewegen, bevor Humphries’ Schnüffler sie zu lokalisieren und als Köder zu nutzen vermochten, um ihn in die Falle zu locken.

Humphries’ Schiffe waren nun bewaffnet und kaum noch allein unterwegs. Es war mittlerweile viel zu riskant, sie anzugreifen. Hin und wieder beschlagnahmte Fuchs Vorräte von Astro-Tankschiffen und Frachtern. Die Kapitäne kamen Fuchs’ Forderungen nur unter Protest nach, aber sie hatten Anweisung von Pancho, keinen Widerstand zu leisten. Dieser ›Mundraub‹ schlug in Astros Bilanzen praktisch nicht zu Buche.