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Deshalb verwunderte es Fuchs umso mehr, dass sogar sein alter Freund sich stur stellte.

Er beherrschte sich und versuchte es im Guten: »Yves, es geht hier buchstäblich um Leben und Tod für mich.«

»Aber das ist doch völlig unnötig«, sagte St. Ciaire und fuchtelte mit beiden Händen in der Luft herum. »Du musst doch nicht …«

»Ich kämpfe auch für dich«, sagte Fuchs. »Ich will Humphries daran hindern, dass er euch zu seinen Vasallen macht.«

St. Ciaire wölbte eine Augenbraue. »Ach, Lars, mon vieux. In diesem Kampf hast du auch schon Freunde von mir getötet. Freunde von uns, Lars.«

»Das ließ sich leider nicht vermeiden.«

»Sie waren Bauarbeiter. Sie haben dir nie etwas zuleide getan.«

»Sie haben für Humphries gearbeitet.«

»Du hast ihnen nicht einmal eine Chance gegeben. Du hast sie gnadenlos abgeschlachtet.«

»Wir sind im Krieg«, sagte Fuchs schroff. »Im Krieg gibt es Verluste. Das lässt sich eben nicht ändern.«

»Sie waren nicht im Krieg!«, erwiderte St. Ciaire zornig. »Und ich bin auch nicht im Krieg! Du bist der Einzige, der hier einen Krieg führt.«

Fuchs starrte ihn an. »Weißt du überhaupt, dass ich das, was ich tue, für euch tue? Für alle Felsenratten?«

»Ach was! Es wird eh bald vorbei sein. Es hat keinen Sinn, diese … diese Vendetta zwischen dir und Humphries fortzusetzen.«

»Vendetta? Schätzt du mich etwa so ein?«

St. Ciaire holte tief Luft und sagte sachlich: »Lars, es ist vorbei. Die Konferenz in Selene wird diesem Kampf ein Ende bereiten.«

»Konferenz?« Fuchs blinzelte erstaunt. »Was denn für eine Konferenz?«

St. Ciaire hob die Brauen. »Du weißt es noch gar nicht? Humphries und Astro werden auf Selene eine Konferenz abhalten, um ihre Differenzen beizulegen. Eine Friedenskonferenz.«

»In Selene?«

»Natürlich. Stavenger persönlich hat sie arrangiert. Die Weltregierung hat Willi Dieterling entsandt. Deine Frau wird auch dort sein — als eine der Abgesandten von Ceres.«

Fuchs glaubte schier, einen Stromschlag bekommen zu haben. »Amanda kommt nach Selene?«

»Sie ist schon unterwegs, und zwar mit Big George und Dr. Cardenas. Wusstest du das denn nicht?«

Amanda geht nach Selene, hallte es wie ein Donnerschlag in Fuchs’ Kopf wider. Nach Selene. Zu Humphries.

Er brauchte eine Weile, um sich wieder auf St. Ciaire zu konzentrieren, der noch immer vor ihm in der Bordküche stand. Er hatte ein irritiertes Lächeln auf den Lippen.

»Du hast es gar nicht gewusst?«, fragte St. Ciaire von neuem. »Sie hat es dir nicht gesagt?«

»Ich werde mir den benötigten Treibstoff holen«, sagte Fuchs mit gefährlich leiser Stimme. »Du kannst einen Tanker rufen, wenn ich weg bin.«

»Du willst ihn von mir stehlen?«

»Ja«, sagte Fuchs. »So kannst du dir den Schaden von der Versicherung ersetzen lassen. Du bist doch gegen Diebstahl versichert, oder?«

Dossier: Joyce Takamine Joyce war mit ihrem Leben auf dem Mond recht zufrieden. Sie lebte allein — nicht zölibatär, aber ungebunden. Sie hatte fast alles erreicht, wovon sie in den langen, harten Jahren ihrer Jugend geträumt hatte.

Sie war nun eine reife Frau, schlank und sehnig, gestärkt durch jahrelange körperliche Arbeit und kühle Kalkulation. Sie hatte die Leiter des Lebens erklommen, indem sie sich an jeder Sprosse festklammerte, die sie zu erreichen vermochte. Wo sie nun hier in Selene war, mit einem gut bezahlten Job und sicheren Karriereperspektiven, hätte sie sich eigentlich zum ersten Mal entspannen und das Leben genießen können.

Aber sie langweilte sich bald.

Das Leben wurde zu berechenbar, zu routinemäßig. Zu sicher, wie sie sich schließlich bewusst wurde. Es gibt keine Herausforderungen mehr. Ich kann mein Büro mit verbundenen Augen leiten. Und wenn ich ausgehe, sehe ich jedes Mal die gleichen Leute. Selene ist halt ein Dorf. Geborgen. Beschaulich. Langweilig.

Also ließ sie sich zum Entsetzen ihres Vorgesetzten zur Humphries-Operation auf Ceres versetzen und flog in den Asteroidengürtel hinaus.

Ceres war noch kleiner als Selene, schmutzig, überfüllt und zuweilen auch gefährlich. Joyce liebte es. Ständig kamen und gingen neue Leute. Der Pub war proletarisch-rustikal. Sie sah, wie Lars Fuchs dort einen Mann tötete — er stieß dem Typen einfach einen Elektrobohrer wie ein mittelalterliches Schwert in die Brust. Der Typ hatte gestanden, Niles Ripley getötet zu haben, und dann hatte er auch noch versucht, Fuchs an der Bar zu erschießen.

Sie gehörte der Jury an, die Fuchs freisprach und wirkte auch daran mit, als die Bevölkerung von Ceres eine provisorische Regierung bildete. Joyce Takamine gehörte zu denen, die in der Lotterie für die Besetzung des ersten Regierungsrats der Gemeinschaft ausgewählt wurden. Es war das erste Mal, dass sie überhaupt etwas gewonnen hatte.

Kapitel 49

Humphries gab auf seinem Anwesen eine Party für die Delegierten der Friedenskonferenz. Es war aber keine große Veranstaltung; nur eine intime Versammlung der paar Männer und Frauen, die sich am nächsten Morgen in einem peripheren Konferenzraum in Selenes Büroturm oben in der Grand Plaza treffen würden.

Pancho Lane traf als erster Gast ein. Humphries begrüßte sie im großzügigen Wohnzimmer seines Hauses, wobei er Diane Verwoerd an seiner Seite hatte. Diane steckte in einem glitzernden, bodenlangen silberfarbenen Kleid, das fast bis zur Hüfte ausgeschnitten war. Pancho war mit einem lavendelfarbenen Cocktailkleid bekleidet und trug dazu große Kupferohrringe und Kupferreifen um die Handgelenke und um den Hals.

Humphries, der ein kragenloses burgunderfarbenes Jackett über einem schwarzen T-Shirt und einer anthrazitfarbenen Hose trug, grinste zufrieden. Pancho hatte in den Jahren im Astro-Vorstand zwar schon viel gelernt, aber sie war noch immer so ›frisch‹, dass sie auf die Minute pünktlich erschien, anstatt das Privileg einer gepflegten Verspätung in Anspruch zu nehmen.

Nach und nach trafen auch die anderen Gäste ein, und Humphries’ Bedienstete führten sie ins luxuriös möblierte Wohnzimmer. Willi Dieterling erschien in Begleitung von zwei jüngeren Männern; er stellte sie Humphries als seine Neffen vor.

»Darf ich Ihnen zu Ihrer erfolgreichen Bewältigung der Krise im Nahen Osten gratulieren, Sir«, sagte Humphries.

Dieterling lächelte leicht verlegen und fasste sich an den gestutzten grauen Bart. »Das ist nicht nur mein Verdienst«, sagte er leise. »Beiden Seiten war die Munition ausgegangen. Meine Leistung bestand im Wesentlichen darin, die Waffenhändler dazu zu bewegen, ihnen keine Munition mehr zu verkaufen.«

Alle lachten höflich.

»Weil das Mittelmeer Israel zu überfluteten drohte und Tigris und Euphrat den halben Irak wegspülten, waren beide Seiten schließlich kooperationsbereit.«

»Trotzdem«, sagte Humphries, als der Kellner ein Tablett mit Champagnergläsern brachte, »haben Sie etwas geleistet, das …«

Er verstummte und schaute an Dieterling vorbei. Alle Blicke richteten sich auf die Tür. Dort stand Big George Ambrose mit seinem zottigen roten Haar und dem Rauschebart und fühlte sich sichtlich unwohl in einem eng sitzenden Dinnerjackett. Zu seiner Rechten war Kris Cardenas, die seit über sechs Jahren zum ersten Mal wieder in Selene war. Und zu seiner Linken war Amanda in einem schlichten weißen, ärmellosen Kleid. Als Schmuck trug sie eine Perlenkette und ein Goldgliederarmband.