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Harbin suchte aber gerade diese Nähe, damit ein sich näherndes Schiff ihn nicht ausmachen konnte. Er wünschte sich, dass dieser Metallbrocken so porös wäre wie der kohlenstoffhaltige Asteroid, wo man noch einen von Fuchs’ Transceivern gefunden hatte. Die Besatzung hatte dort einfach das Habitatmodul vom Schiff abgekoppelt und es unter einer losen Geröllschicht vergraben. Dann war das nur mit einem Piloten und Navigator bemannte Rumpfschiff verschwunden und hatte in einiger Entfernung Position bezogen. Falls Fuchs dort erschien, würde er nur einen harmlosen Schutthaufen sehen. Ein trojanisches Pferd, sagte Harbin sich grimmig, das ein halbes Dutzend Soldaten ausspeien würde, während zugleich Harbins gesamte Armada verständigt wurde, um die Falle zu schließen.

Die Skandinavierin fühlte sich im Abstand von nur ein paar Metern zur verschrammten und vernarbten Oberfläche des Asteroiden sichtlich unwohl. »Wir laufen Gefahr, dass die Hülle vom Staub abgeschmirgelt wird, der über dem Gestein hängt«, warnte sie Harbin.

Er schaute in ihre eisblauen Augen. Sie hat die gleichen Augen wie ich, sagte er sich. Ihre Wikinger-Vorfahren müssen einst als Invasoren in mein Dorf gekommen sein.

»Es ist gefährlich!«, sagte sie in einem scharfen Ton.

Harbin lächelte sie gezwungen an. »Passen Sie unseren Orbit der Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden an. Falls Fuchs herkommt und sich hier umschaut, soll er uns erst sehen, wenn er uns nicht mehr entwischen kann.«

Sie wollte schon widersprechen, doch Harbin schnitt ihr mit erhobener Hand das Wort ab: »Tun Sie es!«, befahl er.

Sichtlich unzufrieden drehte sie sich um und gab seinen Befehl an den Navigator weiter.

* * *

»Machen wir Mittagspause«, sagte Doug Stavenger.

Die Personen am Konferenztisch nickten und schoben die Stühle zurück. Die Spannung im Raum baute sich ab. Einer nach dem anderen standen sie auf, reckten und streckten sich und atmeten tief durch. Stavenger hörte Gelenke knacken.

Das Mittagessen war in einem anderen Konferenzraum des Bürokomplexes angerichtet worden. Als die Delegierten in den Gang hinaustraten, fasste Stavenger Dieterling am Arm und hielt ihn zurück.

»Ob wir irgendetwas erreicht haben?«, fragte er den Diplomaten.

Dieterling warf einen Blick auf die Tür, wo seine beiden Neffen standen und auf ihn warten. Dann drehte er sich wieder zu Stavenger um. »Ich glaube schon.«

»Wenigstens reden Humphries und Pancho wieder wie zivilisierte Menschen miteinander«, sagte Stavenger mit einem zerknirschten Lächeln.

»Unterschätzen Sie nur nicht den Effekt der Zivilisierung«, sagte Dieterling. »Ohne die geht nämlich nichts.«

»So?«

»Es ist klar, dass der Kern des Problems in diesem Fuchs besteht«, antwortete Dieterling mit einem Achselzucken.

»Humphries will ihn bestimmt aus dem Verkehr ziehen.«

»Solange er da draußen im Gürtel randaliert, wird es keinen Frieden geben.«

Stavenger schüttelte den Kopf. »Fuchs hat mit dieser … Randale, wie Sie es nennen, aber doch nur auf die Gewalt reagiert, die von Humphries’ Leuten ausging.«

»Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, sagte Dieterling, wobei er die Stimme fast zu einem Flüstern senkte. »Wir können Humphries und Ms. Lane dazu bewegen, das Kriegsbeil zu begraben und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Keine weiteren Beschuldigungen und Racheakte mehr. Sie sind zu einer friedlichen Einigung bereit.«

»Ob sie aber auch bereit sind, sie einzuhalten?«

»Ja. Dessen bin ich mir sicher. Dieser Krieg kommt sie nämlich teuer zu stehen. Sie wollen ihn beenden.«

»Dann können sie ihn schon heute Nachmittag beenden, wenn ihnen daran gelegen ist.«

Stavenger nickte düster. »Also muss er gestoppt werden. Verdammt.«

* * *

Humphries betrat den Waschraum und entledigte sich seines morgendlichen Kaffeequantums. Dann wusch er sich die Hände und warf noch eine Beruhigungspille ein. Er betrachtete sie zumindest als Beruhigungspille, obwohl er wusste, dass ihr ›Wirkungsbereich‹ weit größer war.

Als er wieder auf den Gang trat, kam Amanda gerade aus der Damentoilette. Ihm stockte trotz der Pille der Atem. Sie war mit einem gelben Hosenanzug bekleidet, der vom langen Tragen ausgebleicht schien, doch in Humphries’ Augen leuchtete sie wie die Sonne. Es war niemand sonst zu sehen; die anderen mussten alle in dem Raum sein, wo das Mittagessen angerichtet war.

»Hallo Amanda«, hörte er sich sagen.

Erst in diesem Moment sah er den kalten Zorn in ihren Augen.

»Sie sind wild entschlossen, Lars zu töten, nicht wahr?«, sagte sie mit monotoner Stimme.

Humphries leckte sich die Lippen, bevor er antwortete. »Ihn töten? Nein. Ihn stoppen. Das ist alles, was ich will, Amanda. Ich will, dass er mit dem Töten aufhört.«

»Mit dem Sie angefangen haben.«

»Darauf kommt es nun nicht mehr an. Er ist jetzt das Problem.«

»Sie werden keine Ruhe geben, bis Sie ihn getötet haben.«

»Nicht …« Er musste erst schlucken, bevor er weitersprechen konnte. »Nicht wenn Sie mich heiraten.«

Er hätte erwartet, dass sie überrascht reagierte. Doch ihre Augen flackerten nicht einmal, und der Ausdruck in ihrem wunderschönen Gesicht änderte sich kein bisschen. Sie machte einfach kehrt, ließ ihn stehen und ging weg.

Humphries schaute ihr nach, doch dann hörte er Stavenger und Dieterling hinter sich. Mach dich nicht vor ihnen zum Trottel, sagte er sich. Lass sie gehen. Fürs Erste. Wenigstens hat sie nicht ›nein‹ gesagt.

Kapitel 52

Als Fuchs gerade die Abbildung des Asteroiden 38-4002 studierte, schlüpfte Nodon durch die Luke und betrat die Brücke. Fuchs hörte, wie er den Piloten fragte, ob die Fernbereichserfassung irgendwelche anderen Schiffe in dieser Region zeigte.

»Keine«, sagte der Pilot.

Wie kam eine massive Kuppe auf eine Zusammenballung von Kieselsteinen, fragte Fuchs sich nun schon zum zehnten Mal. Die Nautilus näherte sich dem Asteroiden mit einem sechstel Ge; sie würden bald ein Bremsmanöver einleiten müssen, wenn sie in eine Umlaufbahn um den Asteroiden gehen wollten.

Fuchs wünschte sich, dass er ein umfassendes Sensoreninstrumentarium hätte, um die Oberfläche des Asteroiden abzutasten. Er stellt erneut fest, dass es ein paar beachtliche Krater auf der Oberfläche gab, doch keiner von ihnen hatte die typischen Ränder, die beim Aufprall eines Felsbrockens auf massives Gestein entstanden. Nein, das ist eine Zusammenfügung von Granulat, sagte er sich, und eine solche Aufwölbung entsteht nur, indem irgendetwas die Kügelchen zu einem Hügel aufschüttet.

Irgendetwas. Und dann kam ihm die Erkenntnis. Oder irgendjemand.

Er drehte sich auf dem Sitz und schaute zu Nodon auf. »Laser Nummer eins laden«, befahl er.

Nodons Augen weiteten sich, doch er nickte nur stumm und verließ die Brücke.

Fuchs drehte sich wieder zur Abbildung des herannahenden Asteroiden um und sagte sich, falls diese Kuppe durch einen natürlichen Vorgang entstanden ist, müsste sich gleich daneben eine Vertiefung befinden, aus der das Geröll stammt. Aber da ist keine. Wieso nicht? Weil irgendetwas unter dieser Kuppe vergraben ist. Weil irgendjemand ein Loch ins poröse Gestein gegraben und etwas darin versteckt hat.

Aber was?

»Die Anfluggeschwindigkeit um die Hälfte reduzieren«, sagte er zum Piloten. Der tat wie geheißen.