»Laser Nummer zwei ist einsatzbereit«, rief Nodon ein paar Minuten später aus der Ladebucht.
»Nummer zwei?«, sagte Fuchs in scharfem Ton. »Was ist mit Nummer eins passiert?«
»Die Kühlmittel-Leitungen werden gerade gespült. Routinewartung.«
»Schalte ihn online!«, sagte Fuchs schroff. »Und schalte Nummer drei auch gleich zu!«
»Jawohl, Sir.« Fuchs hörte, wie Nodon hastig mit jemand unten in der Ladebucht sprach.
»Laser Nummer zwei als Slave auf meine Konsole!«, befahl Fuchs.
Er konfigurierte die Konsole neu, indem er die jeweiligen Icons auf dem Hauptbildschirm berührte. Als er damit fertig war, war der Laser schon angeschlossen. Er konnte ihn nun von der Brücke aus bedienen.
Er holte sich den Asteroiden auf den Bildschirm und konzentrierte sich auf diesen verdächtigen Geröllhaufen. Er sah, wie der rote Punkt des Ziellasers auf dem dunklen, geröllübersäten Boden aufgefächert wurde und dirigierte ihn zur Mitte der Kuppe. Dann löste er den Hochleistungslaser per Knopfdruck aus. Der Infrarotstrahl war für ihn zwar unsichtbar, doch Fuchs sah die Auswirkung des Strahls auf dem Boden: Eine kleine Fontäne aus rot glühender Lava eruptierte und stieg hoch über die Asteroidenoberfläche auf.
Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck hielt Fuchs den Strahl des Schneidlasers auf den sprudelnden Geysir aus Gesteinsschmelze gerichtet. Zehn Sekunden. Fünfzehn. Zwanzig …
Die Kuppe eruptierte. Ein halbes Dutzend Gestalten in Raumanzügen stoben in alle Richtungen davon wie Küchenschaben, die aus ihrem Nest gescheucht wurden und stolperten über die unebene Oberfläche des Asteroiden.
»Ich wusste es!«, rief Fuchs. Die drei Asiaten auf der Brücke drehten sich zu ihm um.
»Sie haben darauf gewartet, dass wir den Transceiver abholen!«, rief Nodon von der Ladebucht.
Fuchs ignorierte das. Er richtete den Laser auf eine der Gestalten. Der Mann war gestolpert und versuchte in der minimalen Schwerkraft des kleinen Asteroiden wieder auf die Füße zu kommen; und bei diesem Versuch hatte er sich vom Boden abgestoßen. Nun trieb er hilflos im Raum und ruderte mit Armen und Beinen.
Fuchs ließ den Laserstrahl vor ihm herlaufen und betrachtete die Furche aus geschmolzenem Gestein, die er in die geröllübersäte Asteroidenoberfläche ritzte.
»Ihr wolltet mich in die Falle laufen lassen, was?«, murmelte er. »Ihr wolltet mich töten. Nun werdet ihr mit dem Tod Bekanntschaft machen.«
Er fragte sich, wer wohl in diesem Raumanzug steckte. Was für ein Mensch muss man wohl sein, um Söldner zu werden, Auftragsmörder? Ist er vielleicht wie meine eigene Besatzung, die Ausgestoßenen, die Chancenlosen — die so verzweifelt sind, dass sie alles tun und jedem folgen würden, der die Hoffnung in ihnen weckt, den nächsten Tag noch zu erleben? Fuchs sah, wie die Gestalt im Raumanzug hektisch mit Armen und Beinen ruderte, während sie immer weiter vom Asteroiden abtrieb. Er sagte sich, dass er wohl keine Erfahrung in der Mikrogravitation hatte. Seine Kameraden unternahmen auch nichts, um ihm zu helfen.
Du wirst einsam sterben, sagte er stumm zu dem Mann im Raumanzug.
Und er schaltete den Schneidlaser aus. Seine Hand hatte das Bildschirmsymbol, das den Strahl deaktivierte, schon berührt, bevor das Bewusstsein überhaupt gewahr wurde, was er getan hatte. Der rote Punkt des niederenergetischen Ziellasers oszillierte noch immer auf der Oberfläche des Asteroiden. Fuchs bewegte ihn direkt auf den zappelnden, verkrampften Körper des Söldners zu.
Töten oder getötet werden, sagte er sich. Er musste sich dazu zwingen, die Hand vom Auslöser des Hochleistungslasers zurückzuziehen. Sie schwebte kaum einen Zentimeter überm Abzug.
»Zwei Schiffe nähern sich mit hoher Geschwindigkeit«, rief der Pilot. »Nein, vier Schiffe, die sich aus zwei verschiedenen Richtungen nähern.«
Fuchs wusste, dass er nicht imstande war, den Mann zu töten. Er vermochte ihn nicht kaltblütig zu ermorden. Und er wusste, dass er ihnen in die Falle gegangen war.
Plötzlich brach es wie eine Lawine über ihn herein. Sie wussten, wo die Transceiver versteckt waren. Jemand muss es ihnen verraten haben. Jemand? Nur Amanda wusste, wo die Transceiver sich befanden. Sie würde mich nicht verraten, sagte Fuchs sich. Auf gar keinen Fall. Irgendjemand muss es herausgefunden und dieses Wissen an Humphries verkauft haben.
»Sechs Schiffe«, rief der Pilot mit ängstlicher Stimme. »Alle nähern sich mit hoher Geschwindigkeit.«
In der Falle. Sie haben mir aufgelauert. Sechs Schiffe.
»Laser eins und drei feuerbereit«, ertönte Nodons Stimme über das Interkom.
Ich werde sie alle mit in den Tod reißen, wenn ich Widerstand leiste, wurde Fuchs sich bewusst. Ich bin es doch, auf den Humphries es abgesehen hat — nicht meine Besatzung.
Plötzlich fühlte er sich müde, todmüde und ausgelaugt. Es ist vorbei, wurde er sich bewusst. Das ganze Kämpfen und Töten, und was hat es mir gebracht? Was hat es überhaupt jemandem gebracht? Ich habe meine Besatzung in die Falle geführt wie ein blutiger Anfänger — wie ein Wolf, der dem Jäger ins Netz gegangen ist. Es ist aus und vorbei. Und ich habe alles verloren.
Von Resignation überwältigt drückte Fuchs auf die Taste des Funkgeräts und sagte: »Hier spricht Lars Fuchs von der Nautilus. Nicht schießen. Wir ergeben uns.«
Harbin hörte es an Fuchs’ Stimme, dass er sich geschlagen gab. Und er verfluchte Martin Humphries, weil der ihm diese Armada und die Armee von Söldnern aufgezwungen hatte. Ich wäre durchaus imstande gewesen, das selbst zu erledigen, sagte er sich. Ich hätte nur wissen müssen, wo er die Transceiver platziert hat. Dann hätte ich ihn allein, ohne all die anderen — diese lästigen Zeugen — in die Falle gelockt.
Wenn Harbin allein gewesen wäre, hätte er Fuchs’ Schiff in Stücke geschossen und jeden an Bord getötet. Dann hätte er Fuchs’ Leiche Diane und ihrem Boss überbracht, damit Humphries den Triumph genießen und Harbin den fetten Bonus einstreichen hätte können, der ihm rechtmäßig zustand. Und dann wäre er mit Diane weggegangen und hätte den siegestrunkenen Humphries sich selbst überlassen.
Aber es gehörten über hundert Männer und Frauen zu dieser Flotte, auf der Humphries bestanden hatte. Es war illusorisch zu glauben, dass alle dichthalten würden, wenn Harbin Fuchs tötete, nachdem der Mann sich schon ergeben hatte. Das wäre eine zu große Sensation, eine zu große Versuchung. Irgendjemand würde sie an die Medien verkaufen oder an andere Spione von Humphries’ Konkurrenten in der Astro Corporation.
Nein. Es widerstrebte ihm zwar zutiefst, aber Harbin wusste, dass er Fuchs’ Kapitulation annehmen und den Mann und seine Besatzung nach Ceres bringen musste. Dann lächelte er finster. Vielleicht stößt ihm etwas zu, wenn er auf Ceres ist. Immerhin hat der Mann sich dort viele Feinde gemacht. Vielleicht könnte man ihn sogar vor Gericht stellen und ganz legal hinrichten.
Kapitel 53
Die Implantationsprozedur war nicht so schlimm, wie Diane befürchtet hatte.
Sie hatte darauf bestanden, dass das medizinische Personal ausschließlich aus Frauen bestand, und Selenes Gesundheitsamt hatte ihrer Forderung entsprochen. Die Leute lächelten und beruhigten sie mit sanft gesprochenen Worten. Nachdem sie ihr ein Beruhigungsmittel injiziert hatten, brachten sie Diane in einen kleinen Raum, wo die Prozedur stattfinden sollte. Der Raum wirkte kalt. Ein Kunststoffbehälter stand auf dem Tisch, wo die Instrumente arrangiert waren. Eiskalter weißer Dampf hüllte ihn ein. Diane wusste, dass der tiefgekühlte Embryo sich dort drin befand; wegen der Injektion war ihr ganz schwummrig im Kopf.
Als ob ich von der Inquisition auf eine Folterbank geschnallt würde, sagte sie sich. Die Folterinstrumente lagen in einer ordentlichen Reihe neben ihr. Sie wurde von grellem Licht angestrahlt. Die Folterknechte versammelten sich um sie. Sie trugen Masken und lange Kutten, und die Hände steckten in hautengen Plastikhandschuhen.