Martin Humphries stand am provisorischen Altar am Ende des Ganges. Zweihundert Gäste beobachteten Amanda, wie sie langsam und gemessen auf ihn zuging. Martin strahlte; er sah sehr gut aus in seinem bordeaux-farbenen Samtfrack. Er stand da wie ein triumphierender Sieger und lächelte sie herzlich an.
Der Priester war aus Martins Heimatort in Connecticut nach Selene eingeflogen worden. Die anderen Teilnehmer an der Hochzeitsfeier waren Amanda unbekannt.
Als der Priester sich anschickte, die Trauung zu vollziehen, dachte Amanda an die befruchteten Embryonen, die sie und Lars tiefgekühlt in der Klinik von Selene deponiert hatten. Die Zygoten waren Lars’ Kinder, seine Nachkommen. Und ihre.
Sie warf einen Blick auf Martin, der in wenigen Momenten ihr rechtmäßig angetrauter Ehemann sein würde. Ich werde Sex mit ihm haben, sagte Amanda sich. Natürlich. Das ist es ja, was er will — das erwartet er. Und ich werde ihm auch alles geben, was er erwartet. Alles.
Doch wenn ich ein Kind austrage, wird es Lars’ Kind sein und nicht Martins. Dafür werde ich schon sorgen. Martin wird es niemals erfahren, aber ich werde es tun. Ich werde Lars’ Sohn in die Welt setzen. Basta.
Als Amanda das Jawort gab, lächelte sie zum ersten Mal.
Martin Humphries stand neben der schönsten Frau im ganzen Sonnensystem und wusste, dass sie ihm und nur ihm gehören würde, solange er sie wollte.
Ich habe nun alles, was ich wollte, sagte er sich. Fast alles. Er hatte Pancho unter den Hochzeitsgästen gesehen; sie war in Begleitung von diesem Rübezahl und Dr. Cardenas. Amanda hatte sie eingeladen; es waren schließlich ihre Freunde. Humphries sagte sich, dass er Pancho auch eingeladen hätte — nur damit sie sah, wie er Amanda in Besitz nahm.
Amanda glaubt, dass der Krieg vorbei sei. Dass wir die Felsenratten unter Kontrolle hätten und der Kampf zwischen Astro und mir nun in einen friedlichen Wettbewerb münden könne. Er hätte beinahe laut gelacht. Amanda schaute ihn an. Sie wird glauben, ich lächle wegen ihr, sagte Humphries sich. Ja, natürlich auch wegen ihr. Aber das ist nicht der einzige Grund. Bei weitem nicht.
Ich werde einen Sohn mit Amanda haben. Die Klone werden bald reif sein, und ich werde mir dann den besten aus dem Wurf aussuchen. Aber ich will auch einen leiblichen Sohn mit Amanda haben. Auf die altmodische Art. Ich werde dafür sorgen, dass sie Fuchs vergisst. Ich werde ihn aus ihrem Gedächtnis löschen — auf die eine oder andere Art.
Fuchs ist erledigt. Sie haben ihn laufen lassen, aber er ist trotzdem ein toter Mann. Er vermag mir nun nichts mehr anzuhaben. Er ist im Exil, allein und ohne Freunde, die ihm helfen würden. Ich habe Amanda versprochen, dass ich ihm nichts tue, und ich werde ihm auch nichts tun. Er kommt mir nun nicht mehr in die Quere, und die Felsenratten sind auch unter Kontrolle. Nun kann der eigentliche Kampf gegen Astro beginnen. Ich werde die Kontrolle über die Astro Corporation erlangen, über den Gürtel und über das ganze gottverdammte Sonnensystem.
In diesem Moment fragte der Priester Humphries, ob er gewillt sei, Amanda zu seinem rechtmäßig angetrauten Weib zu nehmen.
Seine Antwort auf diese Frage im Besonderen — und seine Ambitionen im Allgemeinen — lautete: »Ich will!«
Epilog
Dorik Harbin wälzte sich stöhnend im drogeninduzierten Schlaf, während er im Fusionsschiff wieder in den Gürtel flog. Humphries’ Psychologen hatten ihr Bestes bei ihm versucht, doch in seinen Träumen wurde er noch immer vom Bild der zu seinen Füßen sterbenden Diane gequält. Die Drogen vermochten die Erinnerung nicht zu löschen; eher wurde sie noch verstärkt und verfälscht: Manchmal war es Harbins Mutter, die an ihrem eigenen Blut erstickte, während er hilflos zuschaute.
Und nach dem Aufwachen verfolgte die Vision ihres Todes ihn noch immer. Er hörte ihr letztes gurgelndes Stöhnen, sah die kreatürliche Angst in ihren Augen. Sie hatte den Tod verdient, sagte er sich, als er aus dem dicken Quarzbullauge des Raumschiffs in die sternenübersäte Leere hinter der Hülle des Schiffs schaute. Sie hat mich belogen, sie hat mich benutzt, sie hat mich verlacht. Sie hatte den Tod verdient.
Ja, sagte die Stimme in seinem Kopf, die er einfach nicht zum Schweigen bringen konnte. Jeder hat den Tod verdient. Einschließlich dir.
Er schnitt eine Grimasse und erinnerte sich an Khayyam:
Tief im Asteroidengürtel saß Lars Fuchs unbehaglich auf dem Kommandantensitz der Nautilus und starrte in die öde Leere.
Dieses Schiff ist nun meine ganze Welt, sagte er sich. Dieses Schiff und die sechs Menschen, die seine Besatzung bilden. Amanda ist fort; für mich ist sie gestorben. Alle meine Freunde, mein ganzes Leben, die Frau, die ich liebe — alle verschwunden und tot.
Er fühlte sich wie Adam, nachdem er aus dem Garten Eden vertrieben worden war und von einem Engel mit flammendem Schwert an der Rückkehr gehindert wurde. Für mich gibt es keine Rückkehr. Niemals. Ich werde den Rest meiner Tage hier draußen in dieser Einöde verbringen. Wofür lohnt es sich dann überhaupt noch zu leben?
In seinem Kopf wurde auch gleich die Antwort formuliert. Martin Humphries hat alles, wofür ich gearbeitet habe. Er besitzt meine Frau. Er hat mich ins Exil geschickt. Aber ich werde es ihm heimzahlen. Egal, wie lange es dauert; egal, wie mächtig er ist. Ich werde mich rächen.
Aber nicht wie Adam. Nicht wie dieser Schwächling. Nein, sagte er sich. Wie Samson. Verraten, geblendet, in Ketten gelegt und versklavt. Ohne Augenlicht in Gaza. Und doch hat er obsiegt. Sogar um den Preis seines Lebens hat er Rache geübt. Und die Rache wird auch mein sein.