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Pelz stinkt, wenn er verbrennt. Ich häute das Fleisch, mach du schnell das Feuer, würde ich sagen, wenn Karli Halmen zuletzt doch mitmachen würde.

Karli Halmen und ich sind immer wieder mit Kobelian quer über die Steppe gefahren. Auch eine Woche danach standen wir auf dem Lancia oben. Die Luft war blass, das Gras orange, die Sonne drehte die Steppe in den Spätherbst. Die überfahrenen Erdhunde waren vom Nachtreif gezuckert. Wir fuhren an einem alten Mann vorbei. Er stand im Staubwirbel und winkte uns mit einer Schaufel. Sie hatte einen kurzen Stiel. Auf seiner Schulter hing ein Sack, der war nur viertelvoll und schwer. Karli sagte: Der holt kein Gras. Wenn wir nächstes Mal Zeit hätten, wenn wir aussteigen könnten. Kobelian hätte nichts dagegen, aber du willst doch zartfühlend sein, du würdest nie mitmachen.

Man sagt nicht umsonst blinder Hunger. Karli Halmen und ich wussten nicht viel voneinander. Wir waren zu viel zusammen. Und Kobelian wusste nichts von uns und wir nichts von ihm. Wir waren alle anders, als wir sind.

Von den Tannen

Kurz vor Weihnachten saß ich bei Kobelian in der Kabine. Es wurde dunkel, und wir machten noch eine Schwarzfahrt zu seinem Bruder. Wir hatten Kohle geladen.

Mit der Bahnhofsruine und dem Kopfsteinpflaster begann ein Städtchen. Wir bogen in eine holprige, krumme Randstraße ein. Am Himmel war noch ein Streifen hell, hinter einem gusseisernen Zaun standen Tannenbäume — nachtschwarz schlank und spitz, hoch über alles hinaus waren sie deutlich zu sehen. Drei Häuser weiter hielt Kobelian.

Als ich mit dem Abladen begann, wedelte er mit schlaffer Hand, was sagen sollte, nicht so schnell, wir haben Zeit. Er ging in ein wahrscheinlich weißes, aber vom Scheinwerferlicht gelbes Haus.

Ich legte den Mantel aufs Kabinendach und schaufelte so langsam es nur ging. Doch die Schaufel war mein Herr und gab die Zeit vor, ich musste mitmachen. Dann war sie stolz auf mich. Schaufeln war seit Jahren das einzige, in dem noch ein Rest Stolz übrig war. Bald war das Auto leer und Kobelian noch immer im Haus bei seinem Bruder.

Manchmal reift ein Plan langsam, aber es ist eine elektrisierende Sache, wenn man prompt einen Entschluss fasst und, bevor man sich ihn zutraut, von seiner Plötzlichkeit getrieben wird. Ich hatte den Mantel schon übergestreift. Als ich mir sagte, dass es fürs Stehlen Karzer gibt, gingen meine Füße noch schneller zu den Tannen. Das Gittertor war nicht zugesperrt. Es muss ein verwilderter Park oder Friedhof gewesen sein. Ich brach alle unteren Äste ab, dann zog ich den Mantel aus und wickelte sie hinein. Das Tor ließ ich offen und beeilte mich zurück zum Haus von Kobelians Bruder. Jetzt stand es lauernd und weiß im Sackdunkeln, die Scheinwerfer brannten nicht mehr, Kobelian hatte auch die Ladeklappe schon geschlossen. Mein Bündel roch streng nach Harz und scharf nach Angst, als ich es über meinen Kopf aufs Auto warf. Kobelian saß in der Kabine und stank nach Wodka. So sage ich das heute, aber gedacht habe ich damals, er riecht nach Wodka. Er ist ja kein Trinker, Wodka trinkt er nur zu fettigem Essen, habe ich gedacht. Er hätte auch ein bisschen an mich denken können.

Wenn es so spät wird, weiß man nie, was am Lagertor passiert. Drei Wachhunde bellten. Der Posten stieß mir mit dem Gewehrlauf das Bündel aus den Armen. Die Äste lagen auf dem Boden, der städtische Mantel mit dem Samtbündchen darunter. Die Hunde schnüffelten an den Ästen und dann nur noch am Mantel. Und der stärkste, vielleicht der Leithund unter ihnen, zog den Mantel im Maul wie einen Leichnam durch den halben Hof zum Appellplatz. Ich lief ihm nach und konnte den Mantel sogar noch retten, aber nur, weil er von ihm abließ.

Zwei Tage später zog der Brotmann seinen Karren an mir vorbei. Und auf dem weißen Leintuch lag ein neuer Besen, der war aus einem Schaufelstiel und meinen Tannenästen.

In drei Tagen war Weihnachten — ein Wort, das grüne Tannen in die Zimmer stellt. Ich hatte nur die zerrissenen grünen Wollhandschuhe von meiner Fini-Tante im Koffer. Der Advokat Paul Gast war seit zwei Wochen Maschinist in einer Fabrik. Ich bestellte Draht. Er brachte mir ein Bündel handlang geschnittene Drahtstücke, an einem Ende zusammengeschnürt wie eine Quaste. Ich baute einen Drahtbaum, zog die Handschuhe auf und knüpfte grüne Wollfäden so dicht wie Nadeln an die Äste.

Der Weihnachtsbaum stand auf dem Tischchen unter der Kuckucksuhr. Der Advokat Paul Gast hängte zwei braune Brotkugeln dran. Wieso er Brot zum Schmücken übrig hat, fragte ich mich damals nicht, weil ich sicher war, er wird die Brotkugeln am nächsten Tag essen, und weil er beim Kneten der Kugeln von zu Hause erzählte.

Am Gymnasium bei uns in Oberwischau wurde in der Adventszeit jeden Morgen vor der ersten Stunde der Adventskranz angezündet. Er hing über dem Katheder. Unser Erdkundelehrer hieß Leonida und hatte eine Vollglatze. Die Kerzen brannten, und wir sangen, oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blä… Und wir hörten sofort auf zu singen, denn Leonida schrie AU. Auf die Glatze war rosa Wachs getropft. Leonida schrie, Kerzen ausblasen. Er hüpfte zur Stuhllehne und zog aus dem Rock ein Klappmesser aus Blech, es war ein Silberfisch. Komm her, rief Leonida und klappte das Messer auf und beugte sich. Und ich kratze ihm mit dem Messer das Wachs von der Glatze. Ich habe ihn nicht geschnitten. Aber als ich wieder in der Bank auf meinem Platz saß, kam er zielstrebig zu mir und gab mir eine Ohrfeige. Als ich mir die Tränen aus den Augen wischen wollte, schrie er, Hände auf den Rücken.

10 Rubel

Bea Zakel hatte mir von Tur Prikulitsch einen Propusk, einen Passierschein für den Basar, beschafft. Von der Aussicht auf einen Freigang darf man keinem Hungrigen erzählen. Ich sagte es niemandem. Ich nahm mein Kissen und die Ledergamaschen vom Herrn Carp, es ging wie immer ums Tauschmanöver der Kalorien. Um 11 Uhr machte ich mich auf den Weg, machten wir uns auf den Weg, mein Hunger und ich.

Es war noch dunstig vom Regen. Im Schlamm standen Händler mit Rostschrauben und Zahnrädern und Hutzelweiber mit Blechgeschirr und Häufchen blauer Malfarbe für die Häuser. Um die Farbe herum waren die Pfützen blau. Und daneben lagen Haufen von Zucker und Salz, Dörrpflaumen, Maismehl, Hirse, Graupen und Erbsen. Sogar Maiskuchen mit Zuckerrübenbrei auf grünen Meerrettichblättern. Frauen ohne Zähne mit dicker Sauermilch in Blechkanistern und ein einbeiniger Junge mit einer Krücke und einem Eimer voll rotem Himbeerwasser. Flinke Vagabunden liefen herum mit verbogenen Messern, Gabeln und Angelruten. In amerikanischen Konservendosen flitzten silbrige Fischchen wie lebende Sicherheitsnadeln.

Mit meinen Ledergamaschen auf dem Arm schob ich mich durchs Gewühl. Vor einem alten Uniformierten mit kahlen Löchern im Haar und einem Brustschild aus Dutzenden Kriegsabzeichen lagen zwei Bücher, eines über den Popokatepetl und eines mit zwei dicken Flöhen auf dem Umschlag. Ich blätterte das Flohbuch durch, weil es viele Bilder hatte. Zwei Flöhe auf einer Schaukel, daneben die Hand des Dompteurs mit einer winzigen Peitsche; ein Floh auf der Lehne eines Schaukelstuhls; ein Floh, eingespannt vor eine Hochzeitskutsche aus einer Nuss-Schale; die Brust eines Jungen mit zwei Flöhen zwischen den Brustwarzen und symmetrisch bis zum Nabel hinunter zwei gleichlange Ketten aus Flohbissen.