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»Nicht im geringsten«, erwiderte Marquand lächelnd. »Aber ich hatte mit vier Männern gerechnet, die mir helfen. Jetzt sind es nur drei.«

»Ich kann genausogut reiten und schießen wie meine Brüder!«

»Das glaube ich«, sagte Marquand mit einem Blick auf ihre Waffe. »Wenn du so gut reiten kannst, könntest du es übernehmen, Quantrill zu benachrichtigen.« Er erklärte Mrs. McMillans Kindern, worum es ging. »Ich komme mit, um Lincoln zu fangen!« sagte Tate entschlossen.

»Nein«, entschied ihre Mutter. »Mr. Marquand hat recht. Du wirst zu Quantrill reiten und ihn herholen. Ich selbst werde mitkommen, um Lincoln zu überwältigen.«

*

Der etwa fünfzig Pferde große Trupp war schon eine Stunde unterwegs. Das Gelände stieg anfangs sanft, dann immer steiler an; und es wurde immer unwegsamer. Bald ging es nur noch im Schrittempo vorwärts, weil die Pferde Mühe hatten, einen sicheren Tritt zu finden.

Auf den meisten Pferden saßen Reiter in blauen Uniformen. Der Rest bestand aus Packtieren. Zwei dieser Packtiere trugen menschliche Fracht: die Gefangenen Jacob Adler und Leonard Slyde.

Irgendwann war der Kommandant des gesunkenen Kanonenbootes aus seiner Ohnmacht erwacht, aber das war für ihn kein Vorteil. Jeder Schritt des Pferdes, über dessen Rücken er so lag, daß sein Kopf an der einen und die Füße an der anderen Seite hinunterbaumelten, vervielfachte die Schmerzen in seinen Beinen. Die Folge war ein immerwährendes Stöhnen, das so gar nicht zu dem beherrschten Marineoffizier paßte. Nach Jacobs Meinung befand er sich im Fieberwahn, denn er reagierte trotz mehrerer Zurufe des Deutschen nicht.

Jacob machte die Partisanen auf Slydes mißliche Lage aufmerksam und ersuchte sie, etwas für ihren leidenden Gefangenen zu tun. Aber er erntete nur boshaftes Gelächter.

Bloody Bill Anderson ritt an Jacobs Seite und sagte: »Wenn dein Freund nicht gleich mit seinem Gewimmer aufhört, schneide ich ihm die Zunge raus!«

Ein paar der Männer lachten noch lauter und forderten den Unterführer auf, seine Worte sofort in die Tat umzusetzen.

»Geht leider nicht«, meinte der Vollbärtige mit einem entschuldigenden Achselzucken. »Der Captain möchte, daß ihm die Gefangenen noch ein Liedchen trällern.«

Sie ritten über einen bewaldeten Kamm, und plötzlich ging es wieder leicht nach unten, auf zwei eng zusammenstehende Felsblöcke zu. Quantrill, der den Trupp anführte, zügelte seinen Braunen und hob die Rechte als Haltezeichen. Auf jedem der Felsen erschien ein Mann in blauer Uniform.

»Habt ihr diesen Hurensohn von Präsidenten erledigt?« fragte einer der beiden.

»Das wissen wir noch nicht, Luke«, antwortete Quantrill.

»Ha?« machte der Mann auf dem Felsen. »Wieso nicht?«

Quantrill erzählte ihm kurz, was vorgefallen war.

»Da habt ihr mehr erlebt als wir«, meinte daraufhin Luke. »Wir haben hier nur rumgesessen und die Eichhörnchen gezählt.«

Der Ritt ging weiter. Mit Erstaunen registrierte Jacob beim Näherkommen, daß die Felsen nicht den Weg versperrten, wie er bisher angenommen hatte, sondern diesen nur einengten und zwei natürliche Wachtürme bildeten, von denen aus der Zugang zu dem Canyon, in den es jetzt hineinging, bequem von zwei Männern verteidigt werden konnte. Die Felsen hatten eine rötliche Farbe wie die Felswände, die zu beiden Seiten der Schlucht hoch aufragten.

Der Canyon war sehr schmal und gewunden. In der Mitte floß ein kleiner Bach, der die hier lagernden Männer mit Wasser versorgte. Zu beiden Seiten des Baches hatten sie ihre weißen Zelte aufgeschlagen, zwischen denen an einem provisorischen Mast das Sternenbanner der Union flatterte. Quantrill hatte wirklich an alles gedacht. Wer zufällig in den Canyon kam, würde nicht daran zweifeln, daß hier ein Trupp Nordstaatenkavallerie lagerte.

Zwei weitere Wachen erwarteten sie zwischen den Zelten. Diesmal übernahm Andersen es, von dem Überfall auf die RAVAGER zu berichten.

Die Freischärler stiegen ab und verstauten ihre Ausrüstung. Die Gefangenen wurden in ein Zelt am Ende des Lagers gebracht. Jacob nahm an, daß es in dieser Richtung keinen Ausgang aus dem Tal gab, so daß sie bei einer Flucht durch das ganze Lager gemußt hätten. Aber an eine Flucht war nicht zu denken. Nicht mit Lieutenant Slydes verletzten Beinen.

Jacob bereitete seinem Mitgefangenen ein möglichst bequemes Lager und war gerade damit fertig, als zwei Männer gebückt ins Zelt traten, den Deutschen einfach an den Armen packten und ihn ins Freie zogen.

»Was soll das?« fragte Jacob, als sie ihn draußen auf den Boden fallen ließen.

»Aufstehen und mitkommen!« herrschte ihn einer der Männer an. »Der Captain will dich sprechen.«

Jacob begleitete die beiden Männer in die Mitte des Lagers, wo Quantrill, Anderson und ein paar andere Männer auf Steinen und Holzkisten Platz genommen hatten. Die meisten der übrigen Freischärler hatten einen großen Kreis gebildet und warteten neugierig auf das Schauspiel, das ihnen geboten werden sollte. Ein paar Schritte vor dem Guerillaführer blieb Jacob stehen.

»Wie sieht es aus, Dutch?« fragte Quantrill, ohne eine Miene zu verziehen. »Hast du dich endlich entschlossen, uns die Wahrheit zu sagen?«

»Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen«, versprach Jacob und meinte es ehrlich.

Quantrills Gesicht hellte sich ein wenig auf. »Sehr schön. Dann erzähl uns von Abraham Lincoln.«

»Ich weiß nichts über diesen Mann. Außer natürlich, daß er Präsident dieses Landes ist.«

Ein paar der Männer lachten, aber die meisten sahen eher finster drein.

Auch über Quantrills weiches Gesicht huschte ein Schatten, doch er bekam sich schnell wieder in die Gewalt. Offenbar wollte sich der Anführer keine Blöße vor seinen Männern geben.

»Du scheint mir ein rechter Spaßvogel zu sein, Dutch. Aber wir bringen auch Spaßvögel zum Singen.« Er wandte seinen Blick nach rechts, auf seinen bärtigen Unterführer. »Bill, gib dem Vogel ein wenig Sprachunterricht!«

»Gern«, sagte Andersen, erhob sich ohne Hast und trat auf Jacob zu.

Ohne Vorwarnung hämmerte er seine rechte Faust gegen Jacobs Kopf. Der Gefangene taumelte und fiel hin.

Anderson trat über ihn, sah auf ihn herab und lachte dröhnend. »Na, wie war das für den Anfang?«

»Sie sind sehr gut«, meinte Jacob, dessen getroffenes Ohr sich so heiß anfühlte wie die Feuerbüchse eines

Dampfschiffkessels. »Jedenfalls dann, wenn es darum geht, einen Gefesselten zu schlagen.« Er hob seine mit starken Stricken gebundenen Hände hoch.

»Ob du gefesselt bist oder nicht, das macht für mich keinen Unterschied, Mann!«

»Probieren Sie es doch aus«, sagte Jacob ruhig und sah den Unterführer dabei herausfordernd an.

Anderson warf einen unsicheren Blick auf Quantrill. Der gab durch eine lässige Handbewegung zu verstehen, daß er mit allem einverstanden sei.

Bloody Bill Anderson zückte sein großes Bowiemesser und ließ es dicht vor Jacobs Gesicht im Sonnenlicht funkeln. Der Gefangene bemühte sich, keine Regung zu zeigen. Mit einer ruckartigen Bewegung durchschnitt Anderson Jacobs Fesseln. Dann trat der Guerilla-Lieutenant zwei Schritte zurück, behielt aber das Messer in der Hand.

»Ich habe kein Messer«, sagte Jacob, als er aufstand. Das stimmte; sein Klappmesser war ihm von den Partisanen abgenommen wurde.

»Pech für dich, Dutch«, meinte der >blutige Bill< mit einem gemeinen Grinsen. »Machst du dir jetzt etwa in die Hose?«

Jacob schüttelte den Kopf. »Ich bin ja kein Feigling. Kein Feigling, der ein Messer braucht, um gegen einen Unbewaffneten zu kämpfen.«

Die Männer johlten vor Freude über die Herausforderung. Andersons Grinsen erstarb.

»Ich werde dir schon noch zeigen, wer ein Feigling ist«, zischte der vollbärtige Freischärler und machte gleichzeitig einen Satz nach vorn. Das Messer stieß er in die Richtung von Jacobs Bauch.