Выбрать главу

Auf der Farm herrschte das reinste Chaos. Die Partisanen versuchten Ordnung in ihren wilden Haufen zu bringen, um sich gegen den Angriff zu verteidigen. Aber die Angreifer, General Grants Schwadron, ließen ihnen keine Zeit dazu. Immer wieder rissen ihre Schüsse Quantrill-Männer aus den Sätteln. Und dann waren die echten US-Kavalleristen heran und ließen ihre Säbel zwischen die Feinde fahren.

Marquand begriff, daß sich das Blatt gegen ihn und seine Verbündeten wendete.

»Schmeißt Lincoln auf den Wagen!« schrie er den McMillan-Boys zu.

Sie gehorchten und kletterten ebenfalls auf die Ladefläche. Ihre Mutter und Marquand nahmen auf dem Bock Platz, und Mrs. McMillan trieb die Zugtiere an, zwischen den verbissen kämpfenden Reitern hindurch.

Als der Wagen durch die Linie der Nordstaatenkavallerie raste, beugte sich Angus McMillan weit hinaus und schoß aus seinem Revolver auf die verhaßten Yankees. Einer feuerte zurück, traf den Jungen am Kopf, und der fiel aus dem Wagen.

»Angus!« schrie seine Mutter und hielt das Fuhrwerk an.

»Nicht, wir müssen weiter!« verlangte Marquand.

Die Frau hörte nicht, sprang vom Bock und lief zurück zu ihrem Sohn.

Marquand griff nach den Zügeln und wollte die Bremse lösen.

»Lassen Sie das, Mister!« forderte Clem mit gezogener Waffe. »Wir fahren nicht weiter, bis meine Ma und Angus im Wagen sind. Los, Stoker, hilf Ma!«

Stoker sprang aus dem Wagen, was seinen älteren Bruder für Sekunden ablenkte. Diese Sekunden genügten Marquand, um seinen Remington zu ziehen und Clem eine Kugel durch den Kopf zu jagen.

Der Mann aus Pittsburgh wußte, daß er keine Zeit verlieren durfte, wenn er Lincoln von seinen Befreiern fortschaffen wollte. Mit lauten Schreien trieb er die Pferde an, auf ein nahes Waldstück zu, das ihnen Deckung bot. Hätte er Zeit gehabt, sich umzudrehen, hätte er die angewiderten Blicke gesehen, mit denen Abraham Lincoln den kaltblütigen Mörder bedachte.

Der Wagen erreichte das Waldstück. Marquand bog um eine Kurve - und sah sich zwei Männern gegenüber, die er sofort erkannte, auch wenn er mit ihnen an diesem Ort niemals gerechnet hätte. Die beiden Deutschen, denen er die Schuld am Tod seiner Frau gab!

*

General Grant hatte Jacob und Martin vor seiner Attacke auf die Farm in dem Waldstück zurückgelassen. Er hatte sie bis hierher mitgenommen, um sie nicht der Gefahr auszusetzen, in Quantrills Hände zu fallen. Aber den gefährlichen und blutigen Abschluß der Mission wollte er ihnen ersparen.

Als der Wagen auf sie zukam, hatten sie erst nicht glauben können, daß der Mann auf dem Bock Alec Marquand war. Doch als sie ihn aus der Nähe sahen, war jeder Zweifel beseitigt.

Das Dilemma der beiden war ihre unzureichende Bewaffnung, die aus einem einzigen - Andersons - Revolver bestand. Und in dem steckten nur noch zwei Patronen.

Jacob hielt die Waffe auf Marquand gerichtet, aber der machte keine Anstalten, die Pferde zu zügeln. Ganz im Gegenteil, er trieb sie noch wilder an. Seine Absicht war klar: Er wollte die beiden einfach über den Haufen fahren.

Für Sekundenbruchteile dachte Jacob daran, den Mann vom Kutschbock zu schießen. Aber er brachte es nicht fertig, ohne zwingende Notwendigkeit von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Bei seiner Flucht aus dem Partisanenlager war das anders gewesen. Er hatte schießen müssen, um sein Leben zu retten. Aber hier gab es einen anderen Weg.

Er stieß Martin nach links und sprang selbst nach rechts, als der Wagen auch schon an ihnen vorbeiratterte. Ein gefesselter Mann erhob sich auf der Ladefläche. Das markante Gesicht mit dem Kinnbart hatte Jacob schon auf diversen Bildern gesehen, seit er in den Vereinigten Staaten war. Es gehörte Präsident Lincoln.

Jacob rannte dem Wagen nach, bekam ihn zu fassen und sprang auf die Ladefläche. Bei dem Sprung verlor er den Revolver, der hinter dem Fuhrwerk auf den Boden fiel.

Marquand mußte etwas gehört haben und wandte sich um. Während der Mann aus Pittsburgh mit der Linken die Zügel hielt, hatte er in der Rechten seinen Remington, der jetzt auf Jacob zielte.

»Ich hatte nicht geglaubt, mich so schnell an dir rächen zu können, Dutch!«

»Rächen? Wofür?«

»Für Vivians Tod!«

»Dafür kann ich nichts!«

Als es in Marquands Augen aufblitzte, wußte Jacob, daß er schießen wollte. Aber die Kugel fuhr ins Holz der Kutsche; ein heftiger Schmerz in der Brust, verursacht durch die Schußwunde, ließ den Spion zusammenzucken, als er abdrückte.

Jacob erkannte seine Chance und sprang nach vorn auf den Kutschbock. Marquand wollte die Pistole wieder auf ihn richten, aber der Deutsche schlug sie ihm aus der Hand. Mit ein paar weiteren Schlägen machte er den durch die Brustwunde geschwächten Südstaatler kampfunfähig.

Dann hielt Jacob die Kutsche an, kletterte nach hinten und befreite Lincoln von seinen Fesseln.

Der Präsident legte seine Hände auf Jacobs Schultern. »Junger Mann, wer Sie auch sein mögen, ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet!«

Martin rannte, fast völlig außer Atem, auf die Kutsche zu.

»Wir haben gewonnen!« schrie er schon von weitem.

»Quantrill hat sich zurückgezogen!«

*

Als Jacob den Wagen mit Lincoln, Martin und dem jetzt gefesselten Marquand zur Farm zurücklenkte, war tatsächlich alles entschieden. Die Hälfte der Partisanen war gefallen oder von Grants Leuten gefangengenommen worden.

Unter denen, die entkommen waren, befanden sich die James-Brüder, Cole Younger, Bloody Bill Anderson und der Guerillaführer selbst. Zu den Toten gehörten John Kellerman sowie zwei der McMillans, Clem und Angus. Mrs. McMillan, ihre Tochter Tate und ihr Sohn Stoker waren Gefangene der Kavallerie.

Lincoln war ebenso überrascht wie erfreut, daß General Grant der Anführer des Rettungstrupps war. Während Grants Männer die Verwundeten versorgten, zogen sich der Präsident und der General zu einer Besprechung unter vier Augen in einen abgelegenen Stall zurück.

Sie saßen sich wie zwei Bauernjungen auf Strohballen gegenüber, aber beide Männer fühlten sich in dieser Umgebung nicht fehl am Platz. Lincoln war der Sohn eines Farmers und Grant der eines Gerbers. Beide hatten gelernt, mit den Händen zu arbeiten.

»Eigentlich hat Ihr Auftauchen unsere Unterredung überflüssig gemacht, General«, sagte Lincoln.

»Wieso?« Es war offensichtlich, daß es der Offizier seinem obersten Kriegsherrn nicht zu leicht machen wollte.

»Weil Ihr Auftauchen und Ihre furiose Attacke mir das bestätigt hat, was ich ohnehin schon wußte. Daß Sie der beste Kämpfer unter meinen Generälen sind.«

»Auch wenn einige Leute in Washington behaupten, ich sei ein versoffener Spinner?«

Lincoln sah ihn überrascht an.

Grant lachte. »Ich kenne meinen Ruf sehr wohl, Mr. President. Es stimmt, ich habe einmal viel getrunken, als ich in einer öden Garnison fernab meiner Familie versauerte. Aber das ist lange vorbei. Seitdem der Krieg ausgebrochen ist und ich wieder den blauen Rock trage, habe ich keinen Tropfen Alkohol mehr zu mir genommen.«

»Falls es anders wäre, müßten Sie mir Ihre Whiskeymarke verraten. Dann würde ich nämlich jedem meiner Generäle ein Faß zukommen lassen.« Lincoln stand von dem Strohballen auf. »Ich werde den Holzköpfen sagen, daß Sie ein Kämpfer und kein Säufer sind, General!«

»Was die Belagerung von Vicksburg betrifft.«, begann Grant, der ebenfalls aufgestanden war.

»Sie müssen mir nichts erklären«, unterbrach ihn der Präsident. »Ich bin zwar oberster Befehlshaber der Armee, habe von Strategie und Taktik aber etwa so viel Ahnung wie ein Maulwurf vom Farbenspektrum.«

»Trotzdem möchte ich Ihnen zusichern, daß die Stadt noch in diesem Sommer fallen wird.«

Lincoln nickte. »Wenn Sie das sagen, bin ich davon überzeugt.«