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Mackies Gesicht näherte sich dem meinen, von Furcht und Sorge gezeichnet.

«Nicht… den Pfeil… nicht… herausziehen«, sagte ich mit flehentlicher Eindringlichkeit.»Er darf es nicht tun!«

«Oh, Gott. «Sie stand auf.»Nicht anrühren, Perkin. Es tut ihm höllisch weh.«

«Wenn er draußen wäre, würde es nicht so weh tun«, sagte er hartnäckig. Die Vibrationen seiner Hand setzten sich in mir fort und verbreiteten den blanken Schrecken.

«Nein, nein.« Mackie packte ihn von Panik ergriffen am Arm.

«Laß es, wie es ist. Du bringst ihn sonst um. Liebling, du mußt es so lassen.«

Ohne ihr Eingreifen hätte Perkin seinen Willen durchgesetzt, doch letztendlich nahm er seine gefährlichen Hände wieder weg. Ich fragte mich, ob er begriff, daß er mich damit getötet hätte, fragte mich, ob er die geringste Vorstellung davon hatte, wieviel Kraft nötig war, den Pfeil herauszuziehen wie einen Holzspieß aus einem Stück Braten; ob er sich vorstellen konnte, welche Furien er bereits aus dem Halbschlaf geweckt hatte. Die Furien hatten scharfe Klauen und erbarmungslose Zähne. Ich versuchte, noch weniger als vorher zu atmen. Ich spürte, wie mir der Schweiß über das Gesicht rann.

Mackie beugte sich erneut herunter:»Tremayne holt Hilfe.«

Ihre Stimme zitterte vor Aufregung angesichts dieser Barbarei.

Ich antwortete nicht: kein Atem.

Hinter dem Landrover kam ein Wagen zum Stehen, der Gareth ausspuckte und dann Tremayne, der sich seinen Weg wie ein Panzer über den Erdhügel bahnte und einen Meter vor mir abrupt zum Stehen kam.

«Großer Gott«, sagte er.»Ich habe Gareth nicht glauben wollen. «Dann nahm er die Situation in die Hand. Auch wenn er es gewohnt war, so schien es ihn eine gehörige Portion Anstrengung zu kosten.»Na schön. Ich rufe über Autotelefon einen Krankenwagen. Bleiben Sie still liegen«, sagte er unnötigerweise zu mir.»Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir Sie hier wegtransportieren können.«

Auch ihm gab ich keine Antwort. Er hastete zum Wagen zurück, von wo wir seine eindringliche Stimme hören, nicht aber seine Worte verstehen konnten. Kurz danach war er wieder da und teilte mir mit, es würde nicht lange dauern, ich müsse durchhalten. Ich bemerkte, daß auch ihm der Schock den Atem verschlagen hatte.

«Wir haben Sie schon stundenlang gesucht«, sagte er. Es kam mir so vor, als wolle er mir unter allen Umständen versichern, daß sie mich nicht vergessen hatten.»Wir haben die Polizei angerufen und die Krankenhäuser, aber niemand wußte etwas von einem Verkehrsunfall oder sonst etwas, also sind wir hierher gefahren.«

«Aufgrund Ihrer Nachricht«, sagte Mackie,»an der Pinnwand.«

Ach ja.

Gareth’ Kamera baumelte an Perkins Handgelenk. Mackie bemerkte, wie ich auf sie starrte, und sagte:»Ja, wir haben die Fährte gefunden.«

Gareth stimmte ein:»Die Farbe am Straßenrand war verschwunden, aber wir haben überall am Waldrand gesucht. Ich konnte mich daran erinnern, wo wir gewesen sind. «Er war sehr ernst.»Ich konnte mich ziemlich gut daran erinnern, wo die Spur anfing. Und Perkin hat sie gefunden.«

«Er folgte ihr bis zum Ende, mit einer Taschenlampe«, sagte Mackie und streichelte den Arm ihres Mannes.»Ein schlauer Einfall. Nach ewigen Zeiten kam er mit Gareth’ Kamera zurück. Sie hatte er nicht gefunden. Wir wußten nicht, was wir als nächstes tun sollten.«

«Ich hätte sie nicht nach Hause fahren lassen«, sagte Gareth. In seiner Stimme mischten sich Dickköpfigkeit und Stolz. Innerlich dankte ich Gott dafür.

«Was genau ist denn passiert?«fragte Tremayne unverblümt.

«Wie sind Sie in diese Lage geraten?«

«Erzähl ich Ihnen… später. «Ich brachte kaum mehr als ein Flüstern zustande.

«Laß ihn in Ruhe«, sagte Mackie.»Er kann kaum sprechen.«

Sie warteten bei mir, bis die Ambulanz von Reading her eintraf, und sprachen mir besorgt immer wieder Mut zu. Tremayne und Mackie gingen den Uniformierten entgegen, vermutlich um sie auf das vorzubereiten, was sie erwartete. Gareth lief ein, zwei Schritte hinter ihnen her, doch ich rief ihn mit rauhem Krächzen zurück:»Gareth«. Er blieb sofort stehen, drehte sich um und kam zurück. Er hockte sich neben mich ins Gras.

«Ja? Was denn? Was kann ich für Sie tun?«

«Bleib hier bei mir«, sagte ich.

Meine Bitte erstaunte ihn, doch er sagte gleich:»Oh, okay«, und blieb etwas verwirrt einen Schritt entfernt neben mir.

Perkin sagte gereizt:»Ach was, Gareth, geh schon.«

«Nein«, sagte ich heiser.»Bleib hier.«

Nach einer Weile drehte Perkin Gareth den Rücken zu, beugte sein Gesicht zu meinem herunter und fragte völlig gelassen:

«Wissen Sie, wer auf Sie geschossen hat?«Unter diesen Umständen hörte es sich wie eine normale Frage an, aber es war keine.

Ich antwortete nicht. Zum ersten Mal schaute ich ihm direkt in die Augen, in denen das Mondlicht schimmerte; ich sah Perkin, den Sohn, Perkin, den Ehemann, denjenigen, der mit Holz arbeitete. Mein Blick ging sehr tief, doch ich konnte seine Seele nicht finden. Ich sah den Mann, der dachte, er hätte mich getötet… ich sah den Bogenschützen.

«Wissen Sie es wirklich?«fragte er noch einmal.

Er zeigte keinerlei Gefühle, obwohl mein Wissen das Zünglein an der Waage zwischen seiner Rettung und seiner Vernichtung ausmachte.

Nach einer längeren Pause, in der er die Antwort selbst lesen konnte, sagte ich:»Ja.«

Etwas in ihm schien zusammenzubrechen, aber äußerlich ließ er sich davon nichts anmerken. Er tobte nicht, und er wütete nicht, er versuchte nicht einmal, mir den Pfeil herauszuziehen oder mich auf eine andere Art und Weise fertig zu machen. Keine Erklärung, kein Bedauern, keine Rechtfertigungen. Er richtete sich auf und schaute zu den Männern von der Ambulanz hinüber, die mit seinem Vater und seiner Frau auf uns zukamen. Er schaute auf seinen Bruder, der nur einen Schritt entfernt saß und zuhörte.

«Ich liebe Mackie über alles«, sagte Perkin.

Damit hatte er mehr als genug gesagt.

Die Nacht verbrachte ich dankenswerterweise in völliger Ahnungslosigkeit der umfangreichen Näharbeiten, die an meinem Oberkörper vor sich gingen. Ich erwachte erst spät am Morgen inmitten eines Gewirrs von Schläuchen, Maschinen und Apparaturen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Es sah ganz danach aus, als würde ich weiterleben; die Ärzte waren fröhlich, nicht übervorsichtig-

«Eine Konstitution wie ein Ackergaul«, sagte einer von ihnen.

«Wir haben Sie in Nullkommanichts wieder auf den Beinen.«

Von einer Schwester erfuhr ich, daß ein Polizist mit mir reden wollte, doch bis zum nächsten Tag war jeglicher Besuch ausgeschlossen.

Am nächsten Tag, einem Mittwoch, atmete ich zwar noch sehr flach, aber immerhin ohne mechanische Hilfe, saß seitlich in die Kissen gelehnt und schlürfte Suppe. Ich konnte sprechen, hing an Entsorgungsschläuchen und fühlte mich arg mitgenommen. Es ginge mir prima, sagten sie.

Der erste, der mich besuchen kam, war erstaunlicherweise nicht Doone, sondern Tremayne. Er kam am Nachmittag. Er sah sehr blaß, übermüdet und um viele Jahre gealtert aus.

Er erkundigte sich nicht nach meinem Befinden. Er ging hinüber zum Fenster der Station für Frischoperierte, deren einzige Belegung aus meiner Person bestand, schaute eine Zeitlang hinaus und drehte sich dann um:»Gestern ist etwas Schreckliches passiert.«

Ich sah, daß er zitterte.

«Was denn?«fragte ich besorgt.

«Perkin…«Seine Kehle schnürte sich zusammen. Der Kummer übermannte ihn.

«Setzen Sie sich hin«, sagte ich.

Er tastete sich langsam auf den Besucherstuhl und legte eine Hand über die Lippen, um zu verbergen, wie nahe er den Tränen war.

«Perkin«, sagte er nach einer Weile.»Nach all den Jahren hätte man angenommen, daß er sich vorsieht.«

«Was ist denn geschehen?«fragte ich, als er verstummte.