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»Es war ein Hoffnungsschimmer, das war mir klar … und nun …«

Robin sah, dass große Tränen über ihre Wange liefen. Er legte den Arm um ihre Schulter, und sie ließ es geschehen, als er sie an sich zog.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigte. Robin reichte ihr ein Taschentuch, und Michèle setzte sich nun wieder gerade hin. Sie hatte ihre Beherrschung zurückgewonnen.

»Du musst wissen«, sagte sie dann mit tonloser Stimme, »dass ich einmal mit Angelo liiert war. Ein Jahr lang waren wir offiziell eingetragen. Dann haben wir uns getrennt.«

Diese Eröffnung erklärte Robin einiges, was ihm bisher merkwürdig erschienen war – vor allem Michèles Interesse an Angelo und seinem Schicksal.

Er wartete ein wenig, dann fragte er: »Willst du mir etwas davon erzählen?«

Kurze Zeit schien es, als hätte ihn Michèle nicht gehört, doch dann antwortete sie: »Nicht jetzt. Ein anderes Mal, vielleicht.« Michèle lächelte ein wenig, und daraus entnahm Robin, dass das keine schroffe Ablehnung war, aber auch kein Versprechen. Nun gut, vielleicht begegneten sie sich ein andermal wieder.

»Kann ich dir sonst irgendwie helfen?«, fragte er.

»Du gehörst ja nicht dazu – ich meine zu jenen, die etwas tun können. Das war Goroschs Irrtum, und auch meiner. Du kannst mir nicht helfen. Aber ich danke dir.«

Sie stand auf, und Robin folgte ihrem Beispiel.

»Ich bringe dich zum Lift«, sagte Michèle. »Ich bleibe noch ein bisschen hier.«

Inzwischen hatte sich die Dunkelheit über die kleine Stadt gesenkt, doch der Hochbau ragte über die Schattenzone hinaus – ebenso wie die Berge an der Ostseite, die noch die letzten Sonnenstrahlen auffingen, während jene im Westen eine schwarze Mauer bildeten; nur die Grenze gegen den Himmel erschien als strahlend gelbe Zackenlinie.

Robin warf einen kurzen Blick auf Michèle, die zu Boden blickte und von der Pracht nichts zu bemerken schien. Plötzlich hatte er den Wunsch, ihr etwas Tröstendes zu sagen.

Er blieb stehen, und Michèle, die schon einen Schritt vorausgegangen war, spürte es und wandte sich um.

»Ich werde nicht aufgeben«, sagte Robin, und als sie dazu schwieg, sprach er schnell weiter. »Ich will wissen, was mit Angelo geschehen ist. Und sobald ich etwas herausfinde, werde ich es dir sagen.« Er sah ihr die Skepsis an, die sie hinter einem Lächeln zu verbergen suchte, und deshalb setzte er hinzu: »Ich beherrsche meinen Beruf. Ich bin ein guter Ermittler.«

War es eine Spur von Hoffnung, die er in ihrem Gesicht zu bemerken glaubte?

Michèle holte aus der Jackentasche einen Jeton heraus, auf dem als Miniatur ihr holographisches Bild zu sehen war. Robin kannte diese hübschen Marken, die im privaten Gebrauch die üblichen Geschäftskarten ersetzten, obwohl er selbst noch keine besaß. Das spielzeugartige Ding enthielt eine Menge Daten über den Besitzer – wenn auch nur so viel, wie dieser preisgeben wollte. Unter einer kleinen Verdickung am Rand war der USB-Anschluss mit den winzigen Nadelkontakten verborgen, durch die sich Verbindung mit Lesegeräten herstellen ließ. Auf der Rückseite war der Name vermerkt: Mikaela Bajer, und ihre Funktion: Direktions-Assistentin. Und vorn blickte ihm Michèles Gesicht entgegen. Wenn er das Plättchen hin und her drehte, änderte sich die Perspektive, und das Bild wurde auf seltsame Weise lebendig.

»Meine Com-Nummer und einiges andere ist auf dem Chip vermerkt.« Sie reichte ihm das Kunststoffplättchen in der Größe einer Münze. »Ich wünsche dir alles Gute. Du kannst mich anrufen, wenn du etwas brauchst«, sagte sie.

Vor dem Lift blieben sie stehen. Michèle wartete, bis die Kabine ankam und Robin eingestiegen war.

Durch die Glaswand sah er sie noch sekundenlang draußen stehen, schmal und zerbrechlich, und es war ihm, als ließe er sie in einer bedrohlichen Welt allein zurück. Sie winkte ihm zu, dann schloss sich die Tür, das Blaffen der Windstöße verstummte, und Robin stand wieder im grellen Licht der Kaltlichtstrahler.

*

Als Robin an diesem Abend in seiner Wohnung angekommen war, holte er sich die erstbeste griffbereit liegende Packung mit einer Fertigmahlzeit aus dem Tiefkühlfach und steckte sie in den Turbo-Erhitzer. Fast unmittelbar darauf war das Klicken zu hören, das den Ultraschallstoß anzeigte. Er hatte ein makelloses, aus Zellkulturen gezogenes Schnitzel erwischt, und zehn Sekunden später war es zusammen mit Kartoffelscheiben und gemischtem Gemüse aufgetaut und auf mundgerechte Temperatur gewärmt.

Robin hatte sich auf die Couch gesetzt und war bald so tief in Gedanken versunken, dass er das Essen vergaß. Über sich selbst verwundert, stellte er fest, dass er in den letzten Stunden seine Meinung mehrmals geändert hatte. Noch während der Ausführungen von van der Steegen hatte er sich vorgenommen, dass er mit all dem nichts zu tun haben wollte – zweifellos wäre es das Vernünftigste, sich aus den Machtkämpfen oberer Dienststellen herauszuhalten. Sicher, da gab es viel Unverständliches, Ungereimtes und Widersprüchliches, aber was ging es ihn an? Angelo war mit einer Sonderaufgabe betraut? Nun, Angelo hatte eben Karriere gemacht. Es war doch klar, dass es nur die Besten waren, die man mit geheimen Missionen betraute, von denen selbst der Sicherheitsdienst nichts wissen durfte, und Angelo war einer der Besten. Robin vergönnte es ihm, und er beneidete ihn nicht oder nur ein bisschen. Vermutlich war sein, Robins, Leben bequemer. Freilich: Wenn er vor sich selbst ehrlich war, dann musste er sich eingestehen, dass er oft von unerhörten Abenteuern träumte.

Und dann die Begegnung mit Michèle oben auf der Terrasse. Eine eindrucksvolle Kulisse, ein kurzes Gespräch … und schon hatte Robin alle Vorsätze vergessen und angekündigt, dass er der Sache weiterhin nachgehen würde. Was war nur in ihn gefahren!

Robins Blick fiel auf die Servierplatte, wo seine Mahlzeit noch unangetastet stand. Er fühlte es mit den Fingern – inzwischen war alles fast kalt. Kurz entschlossen schob er das Gericht erneut in den Mikroherd und schaltete das Heizaggregat auf Stufe 1 … Was da schließlich zum Vorschein kam, sah zwar etwas trocken aus, aber mit einem Glas Pfirsichbier würde es sich schon essen lassen.

Er stocherte in den Karotten- und Zucchinischeiben herum, und schon wieder kam er ins Grübeln. War er denn verpflichtet, sein Versprechen zu halten? Michèle hatte ihn vermutlich nicht einmal ernst genommen. Bezweifelte offensichtlich, dass er Erfolg haben würde.

Das Essen schmeckte ihm nicht, und nach einigen Bissen warf er die Reste in den Müllschlucker.

Schluss mit den nutzlosen Gedanken! Was für einen Holo-Film bot ihm heute Abend sein Fernsehabonnement? Im kostenlosen Programmteil gab es nur die Wiederholung eines exotischen Balletts. Egal – da er die rhythmische Musik schätzte, machte er es sich in seinem adaptiven Kontrollstuhl bequem. Er brauchte die Einstellungen nicht zu verändern, rief die Sendung ab und schloss die Augen …

Aber schon nach kurzer Zeit ertappte er sich dabei, dass er gar nicht zuhörte, sondern überlegte, wie er Angelos Rätsel lösen könnte. Sobald er sachlich darüber nachzudenken begann, fiel ihm einiges ein. Die Voraussetzungen waren ganz gut, ein wichtiger Teil der Recherchen ließ sich von seinem Arbeitsplatz aus durchführen und sollte sich nicht allzu sehr von dem unterscheiden, was er auch sonst, im Rahmen seiner Aufträge, zu tun hatte – das System Platon ließ sich vielseitig anwenden.

Ein wesentlicher Unterschied allerdings war zu beachten – es sollte niemand von diesen Aktivitäten erfahren, und so schaltete Robin die Ballettübertragung aus und verwendete den Rest des Abends, um sich von einem Programmgenerator eine dem besonderen Zweck entsprechende Routine ausarbeiten zu lassen. Er testete sie auch noch auf verschiedene spezielle Eigenschaften hin, wobei es vor allem darum ging, bei den Aktionen keine Spuren zu hinterlassen.